Strafrecht

Examensrelevante Rechtsprechung SR

Entscheidungen von 2020

Keine teleologische Reduktion bei § 30a BtMG

Keine teleologische Reduktion bei § 30a BtMG

11. Mai 2023

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration: Drogenhändler T sitzt in seiner Wohnung, in der sich Drogen und Waffen befinden.

T lagert in seiner Wohnung große Mengen an Drogen, die zum Weiterverkauf bestimmt sind. In seiner Wohnung befinden sich - für T ohne Weiteres zugriffsbereit - auch ein Jagdmesser und eine Schreckschusspistole. Er vereinbart mit einem Lieferanten die baldige Anlieferung von weiteren Drogen zu seiner Wohnung.

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Einordnung des Falls

Der BGH lehnt eine restriktive Auslegung des Tatbestands des bewaffneten Drogenhandels gem. § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ab. Eine teleologische Reduktion sei nicht erforderlich, auch wenn keine tatsächliche Gefahr für die geschützten Rechtsinteressen bestehe, weil der Angeklagte nicht beabsichtigte, die Waffen in seinem Besitz während seiner Drogentransaktionen zu verwenden. Der Zweck der Vorschrift sei, die Öffentlichkeit vor bewaffneten Drogenhändlern zu schützen. Dies umfasse alle Personen, die mit dem Täter in Kontakt kommen, einschließlich der Strafverfolgungsbehörden. Bei der Vorschrift handele es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, dass keine tatsächliche oder potenzielle Gefahr erfordere.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat T sich wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln strafbar gemacht, wenn er bei der Tat eine Schusswaffe mit sich geführt hat (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG)`

Genau, so ist das!

Die Norm des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG stellt eine Qualifikationsnorm dar, nach der mit Freiheitsstrafe nicht unter 5 Jahren bestraft wird, wer (1) mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (2) Handel treibt und dabei (3) eine Schusswaffe oder einen seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeigneten und bestimmten Gegenstand (4) mit sich führt. Das Lagern zum Zwecke des Weiterverkaufs und die Bestellung sind eigennützige, auf Umsatz gerichtete Tätigkeiten und damit ein Handeltreiben. Die Schreckschusspistole ist eine Schusswaffe, das Jagdmesser stellt einen "sonstigen Gegenstand" im Sinne des § 30a BtMG dar.
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2. Ist § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ein abstraktes Gefährdungsdelikt?

Ja, in der Tat!

Der Gesetzgeber hat § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet. Er verfolgte mit dieser Norm das Ziel, der besonderen Gefährlichkeit Rechnung zu tragen, dass Täter ihre Interessen beim unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln rücksichtslos durchsetzen und dabei die Waffen einsetzen. § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG schützt nicht nur das Rechtsgut der Volksgesundheit vor qualifizierten Angriffen (generelle Gefährlichkeit von Drogen), sondern auch die Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit von Personen, die Kontakt mit Tätern von BtMG-Delikten haben - wie beispielsweise Zollbeamte oder verdeckte Ermittler (RdNr. 8).

3. Reicht es für die Strafbarkeit des T aus, dass T die Waffe bei der Lagerung und Bestellung der Drogen aus seiner Wohnung heraus mit sich führte?

Ja!

Von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG werden auch solche Teilakte erfasst, die dem eigentlichen Güterumsatz (der Übergabe der Drogen) vorausgehen oder nachfolgen. BGH: Eine einschränkende Auslegung sei nicht geboten. Dies folge aus dem Zweck der Norm, die Allgemeinheit vor bewaffneten Tätern zu schützen. Ein Abstellen darauf, ob es beim Mitsichführen der Waffe tatsächlich zu einer Gefahrenlage gekommen ist, lasse sich damit nicht in Einklang bringen. Eine abstrakte Gefahrensituation für andere lasse sich kaum jemals zweifelsfrei ausschließen. Es reiche daher aus, wenn T die Waffe in seiner Wohnung bei der Bestellung griffbereit habe (RdNr. 10ff.).

4. Stellen die Lagerung der Drogen und die Bestellung neuer Drogen zwei Straftaten im Sinne von § 53 StGB dar und stehen daher in Tatmehrheit?

Nein, das ist nicht der Fall!

Tatmehrheit liegt vor, wenn der Täter mehrere selbstständige Taten begangen hat. Werden solche selbstständigen Taten gemeinsam abgeurteilt, muss das Gericht eine Gesamtstrafe bilden, was für den Täter günstiger ist als die getrennte Beurteilung. BGH: Beide Taten, die sich jeweils auf unterschiedliche Handelsmengen bezogen, überschnitten sich durch das Bereithalten der Schusswaffe und des Messers in der Wohnung des T teilweise. Dies habe zur Folge, dass beide Taten konkurrenzrechtlich zu Tateinheit verknüpft seien (RdNr. 14).
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