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"Shariah-Police" in gelben Westen: Verstoß gegen das Uniformverbot? - Jurafuchs

"Shariah-Police" in gelben Westen: Verstoß gegen das Uniformverbot? - Jurafuchs

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration: drei Männer in Westen mit dem Aufdruck "Sharia-Police" sprechen zwei Alkohol trinkende Männer darauf an, dass dies nicht erlaubt sei.

T und einige andere Muslime machen einen nächtlichen Rundgang durch Wuppertal, um junge Muslime davon abzuhalten, Spielhallen, Bordelle oder Gaststätten aufzusuchen und Alkohol zu trinken. Dabei tragen sie unterschiedliche Alltagskleidung, darüber handelsübliche Warnwesten, die sie mit der Aufschrift "Sharia Police" beschriftet haben.

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Einordnung des Falls

Der BGH hat die Freisprüche einer Gruppe von Muslimen aufgehoben, die in Wuppertal mit orangefarbenen Westen mit der Aufschrift "Scharia-Polizei" auf den Straßen patrouillierten. Weder die Polizei noch das Ausgangsgericht sah hierin eine strafbare Handlung. Auch sei das Westentragen kein Verstoß gegen das Uniformierungsverbot. Das eigentliche Probleme liegt wahrscheinlich eher in der problematischen Auswirkung, die entstehen, wenn Individuen regelmäßig das Verhalten anderer auf der Grundlage religiöser Regeln überwachen dürfen. Obwohl die Handlungen der Gruppe möglicherweise nicht illegal waren, könnten sie einen Präzedenzfall schaffen, den der Staat tolerieren oder verhindern muss.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat T sich strafbar gemacht, wenn die Warnweste eine Uniform, ein Uniformteil oder ein gleichartiges Kleidungsstück darstellt?

Ja, in der Tat!

Eine Strafbarkeit könnte sich aus § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 28 VersG ergeben. Die Voraussetzungen des Tatbestands sind: (1) Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder "gleichartigen Kleidungsstücken", (2) öffentlich oder in einer Versammlung, (3) Vorsatz, (4) Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung. Außerdem muss T rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.
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2. Ist die Warnweste eine "Uniform" (§ 3 VersG)?

Nein!

Eine Uniform ist eine nach Form, Farbe, Schnitt oder Ausstattung gleichartige Bekleidung, die von der allgemein üblichen (zivilen) Kleidung abweicht. Dabei werden nicht nur staatliche Uniformen, sondern auch private (z.B. von politischen Verbänden) erfasst. T trug ungleichartige Alltagskleidung und eine Warnweste. BGH: Dies stelle keine Uniform im Sinne des § 3 Abs. 1 VersG dar (RdNr. 10).

3. Ist die Warnweste ein "Uniformteil" (§ 3 VersG)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Uniformteile sind Kleidungsstücke, die von jedem objektiven Betrachter ohne Schwierigkeiten wegen ihrer Gleichartigkeit als Bestandteil einer Uniform erkannt werden können (z.B. Waffenröcke, Mützen). BGH: Bei handelsüblichen Warnwesten sei dies nicht der Fall. Es handle sich um allgemein genutzte Gebrauchsgegenstände. Auch aus der Tatsache, dass Warnwesten zur Sonderausstattung der Polizei gehören, ergebe sich nichts anderes. Ein objektiver Betrachter nehme die Warnweste nicht als Bestandteil einer Uniform, sondern als eine über der Uniform getragene und dem Schutz des Uniformierten dienende Schutzbekleidung wahr (RdNr. 11f.).

4. Ist die Warnweste ein "gleichartiges Kleidungsstück" (§ 3 VersG), wenn sie geeignet ist, eine militante, einschüchternde Wirkung hervorzurufen?

Ja, in der Tat!

Der Wortlaut des § 3 Abs. 1 VersG erstreckt sich auf alle Kleidungsstücke, die sich untereinander gleichen und der gemeinsamen politischen Gesinnung ihrer Träger Ausdruck verleihen. BGH: Die Vorschrift sei aber einschränkend so auszulegen, dass nur Fälle erfasst seien, in denen das Auftreten in derartigen Kleidungsstücken geeignet sei, eine suggestiv-militante, einschüchternde Wirkung gegenüber anderen zu erzielen. Dies sei dann der Fall, wenn durch das Tragen der Eindruck entstehen könne, dass die Kommunikation im Sinne eines freien Meinungsaustausches abgebrochen und die eigene Ansicht notfalls gewaltsam durchgesetzt werde. Das sei hier der Fall (RdNr. 17).

5. Hat T sich durch das Tragen der Warnweste nur strafbar gemacht, wenn dadurch tatsächlich jemand eingeschüchtert wurde?

Nein!

Das einschränkende Verständnis des § 3 Abs. 1 VersG verleiht der Norm den Charakter eines abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikts. BGH: Es komme daher nicht darauf an, dass tatsächlich jemand durch das Tragen der Weste durch T eingeschüchtert wurde, denn § 3 Abs. 1 VersG sei kein Erfolgsdelikt. Ausreichend sei vielmehr, dass das Verhalten des B eine solche einschüchternde Wirkung erzielen könne. Dabei sei insbesondere von Bedeutung, an wen sich die Aktion richte - hier an junge Muslime, die durch das Auftreten vom Besuch diverser Örtlichkeiten oder dem Genuss von Alkohol abgehalten werden sollten (RdNr. 22).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FABIA

Fabian

10.5.2020, 01:42:25

Das Urteil ist kritikwürdig, das Merkmal der Uniform könnte hier durchaus bejaht werden, wenn auf die Wirkung abgestellt wird.

Fahrradfischlein

Fahrradfischlein

13.5.2020, 22:49:43

So wie ich die Antworten verstehe wurde gerade wegen der Wirkung das Vorliegen eines Straftatbestandes bejaht auch wenn die Warnwesten keine Uniform darstellen

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

22.5.2020, 15:39:36

@Fahrradfischlein, korrekt! Um es kurz zusammenzufassen: T und die anderen haben sich strafbar gemacht nach §§ 28, 3 Abs. 1 Versammlungsgesetz. Nach Auffassung des BGH sind die Warnwesten „gleichartige Kleidungsstücke“ (§ 3 Abs. 1 VersG) aufgrund ihrer suggestiv-militanten, einschüchternden Wirkung gegenüber anderen.


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