Beantragung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses


schwer

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T beantragte beim AG einen Mahnbescheid über eine Forderung in Höhe von €100.000 gegen O. Als Anspruchsgrund gab T einen Beratungsvertrag an in dem Wissen, dass dieser gar nicht bestand. Der Mahnbescheid wurde erlassen und T erwirkte einen Vollstreckungsbescheid. Rechtspfleger R erlässt antragsgemäß einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Daraufhin werden €100.000 von O gepfändet und auf ein Konto der T überwiesen.

Einordnung des Falls

Beantragung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat über den Bestand der Forderung zur Beantragung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegenüber dem R konkludent „getäuscht“ (§ 263 Abs. 1 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine konkludente Täuschung liegt in einem irreführenden Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist, der ein gewisser Erklärungswert beizumessen ist. T müsste mit der Beantragung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegenüber R konkludent den Bestand der fingierten, tatsächlich nicht bestehenden Forderung behaupten. BGH: Der Rechtspfleger als Vollstreckungsorgan habe bei Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nur die formalen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung zu prüfen. Eine Prüfungskompetenz hinsichtlich der zu vollstreckenden Forderung stehe ihm nicht zu. Mangels eigener Prüfungspflichten kann ihm gegenüber nicht konkludent über den Bestand der Forderung getäuscht werden.

2. T hat den R durch ein Unterlassen „getäuscht“ (§§ 263 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Garantenstellung (§ 13 StGB) kann sich aus Ingerenz, Gesetz, besonderem Vertrauensverhältnis oder Treu und Glauben ergeben.T könnte durch Unterlassen bei Beantragung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses getäuscht haben, indem er R nicht über die pflichtwidrigen Umstände der Titelerlangung aufgeklärt hat. Ein pflichtwidriges Vorverhalten kann zu einer Garantenstellung aus Ingerenz führen, wenn dadurch die naheliegende Gefahr des Eintritts des konkreten tatbestandsmäßigen Erfolgs geschaffen worden ist. Wenn T jedoch nach dem Erlass des erwirkten Mahn- und Vollstreckungsbescheids untätig geblieben wäre, hätte sich für das Vermögen des O keine zusätzliche Gefährdung ergeben. Damit ist das pflichtwidrige Vorverhalten des T ist nicht zur Begründung einer Garantenstellung des T geeignet.Hinweis: Die Beantragung eines Mahn- und eines Vollstreckungsbescheids im automatisierten Mahnverfahren auf der Grundlage einer fingierten, tatsächlich nicht bestehenden Forderung stellt nach Ansicht des BGH eine Verwendung unrichtiger Daten (§ 263a Abs. 1 Var. 2 StGB) dar.

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I-m-possible

I-m-possible

30.7.2022, 22:10:40

Inwiefern muss T nach Erwirken des Vollstreckungsbescheides noch tätig geworden sein ? Es stand doch, dass es ein automatisiertes Verfahren sei.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

3.8.2022, 11:56:13

Hallo I-m-possible, könntest du deine Frage noch präzisieren? Für die Verwendung unrichtiger Daten reicht es aus damit den Mahnbescheid zu beantragen, der in einem automatisierten Verfahren erlassen wird. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Eileen 🦊

Eileen 🦊

14.5.2023, 11:24:28

Hi, ich glaube es geht um die Frage bzgl. der Garantenpflicht des T. T ist quasi nicht verpflichtet, den R über seine Täuschung aufzuklären, weil der Bescheid schon durch die Handlung des R unmittelbar nach der Täuschung ausgestellt wurde. Wenn er danach aufklärt, ist der Schaden bereits entstanden. Ich bitte um Berichtigung, wenn das nicht stimmt :)

Kai

Kai

10.6.2023, 23:25:54

Müsste dieser Punkt nicht erst im Irrtum diskutiert werden? Eine Einwirkung auf das Vorstellungsbild liegt doch in dem Moment vor, in dem der Antrag zur Kenntnis genommen wird. Lediglich der Irrtum über das Bestehen der Forderung kann ohne die inhaltiche Prüfung nicht entstehen.

Antonia

Antonia

9.8.2023, 10:15:45

Ich glaube hier muss man den Verantwortungs- und Risikobereich einbeziehen. Man kann nicht über etwas täuschen, an dem der Erklärungsempfänger kein Interesse hat bzw. das nicht in seinen Risikobereich fällt

NichtDavid

NichtDavid

18.3.2024, 22:53:39

Wenn schon in der Beantragung des Mahnbescheids falsche Angaben gemacht werden, nimmt der BGH eine konkludente Täuschung an (zB BGH NStZ 2012, 312), richtig? Wie unterscheidet sich in beiden Fällen das Prüfprogramm des Rechtspflegers nach ZPO?


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