Examensrelevante Rechtsprechung
Rechtsprechung Strafrecht
BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub, u.a.
Tanken an Selbstbedienungstankstelle + Raub
Tanken an Selbstbedienungstankstelle + Raub
7. Juli 2025
21 Kommentare
4,8 ★ (63.488 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A und B fahren an eine Tankstelle, um sie zu überfallen und ohne zu zahlen zu tanken. Inhaberin I bemerkt nicht, wie A tankt. Unmittelbar darauf lenkt A die I im Verkaufsraum ab, damit B ihr ein Messer an den Hals halten kann. A fordert I (die keine andere Wahl sieht) nun auf, die Kasse zu öffnen und entnimmt dann die Tageseinnahmen.
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Einordnung des Falls
Tanken an Selbstbedienungstankstelle + Raub
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 18 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem A tankte, ohne zu bezahlen, könnte er sich wegen Diebstahls strafbar gemacht haben (§ 242 StGB).
Genau, so ist das!
2. Handelt es sich bei dem flüssigen Benzin um eine bewegliche Sache?
Ja, in der Tat!
3. Dass das Benzin zum Zeitpunkt des Einfüllens in den Tank fremd war, ist unstreitig.
Nein!
4. Folgt man der überwiegenden Ansicht, ist das Benzin für den A fremd.
Genau, so ist das!
5. A hat das Benzin nach h.M. auch weggenommen.
Nein, das trifft nicht zu!
6. Indem A trotz seines Entschlusses, nicht zu bezahlen, tankte, hat er I getäuscht und bei ihr einen Irrtum erregt (§ 263 Abs. 1 StGB).
Nein!
7. A könnte sich jedoch wegen versuchten Betrugs strafbar gemacht haben (§§ 263 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB).
Genau, so ist das!
8. A hatte Tatentschluss hinsichtlich der Täuschung über Tatsachen und der Erregung eines Irrtums.
Ja, in der Tat!
9. A hatte Tatentschluss hinsichtlich einer Vermögensverfügung.
Ja!
10. A hatte auch Tatentschluss hinsichtlich eines Vermögensschadens sowie die Absicht zur rechtswidrigen und stoffgleichen Bereicherung.
Genau, so ist das!
11. Hat A auch unmittelbar zur Tat angesetzt?
Ja, in der Tat!
12. A und B könnten sich durch die Handlungen im Verkaufsraum zudem wegen Raubes strafbar gemacht haben (§ 249 Abs. 1 StGB).
Ja!
13. A hat mit dem Geld aus der Kasse eine fremde bewegliche Sache weggenommen.
Genau, so ist das!
14. Um die Wegnahme zu ermöglichen, hat B der I gedroht.
Ja, in der Tat!
15. Da weder A noch B alle Voraussetzungen eines Raubes selbst erfüllt haben, scheidet eine Strafbarkeit aus.
Nein!
16. Da B für die Drohung ein Messer verwendete, haben sie zugleich die Qualifikation des besonders schweren Raubs (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) erfüllt.
Genau, so ist das!
17. A und B haben sich wegen gemeinschaftlichen besonders schweren Raubes nach §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht.
Ja, in der Tat!
18. Liegt im Hinblick auf den versuchten Betrug und den anschließenden besonders schweren Raub Tatmehrheit (§ 53 StGB) vor?
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
gottloser Vernunftsjurist
29.4.2024, 19:56:30
Zu der Subsumtion zu einer Frage hege ich ein paar Zweifel: "Bei realitätsnaher Auslegung ist deshalb davon auszugehen, dass A billigend in Kauf genommen hat, bemerkt zu werden, und darauf abzielte, beim Beobachter eine Fehlvorstellung über seine
Zahlungswilligkeithervorzurufen." Wenn A mit verdeckten Nummernschild, abgedunkelter Kleidung und aufgesetzter Kapuze tankt und die I das sieht, sollten einem dann nicht eher erhebliche Zweifel an der
Zahlungswilligkeitdesjenigen aufkommen? 😅 Mit jetziger Begründung wäre es ja so, dass A weiß, er bezahlt für den Sprit nichts, und I würde seiner Vorstellung nach denken, dass er, so wie er und sein Auto aussieht, schon bezahlen würde. Ich denke, das ist nicht wirklich lebensnah argumentiert. Wenn A das ganze etwas subtiler machen würde, dann würde das durchgehen, aber mit verdeckten Kennzeichen und dem Outfit... Weiß ja nicht.
leftgod
30.4.2024, 06:28:56
Vorsicht: es geht hier im Versuch allein um die Frage, ob der Täter „billigend in Kauf nahm, Fehlvorstellungen (…)“. Deine Annahme wäre nur denkbar, wenn der Täter sich unter keinen Umständen vorstellen konnte, dass er zwar beobachtet wird, es aber zu keiner irrtumsbedingten
Täuschungkommt, der Vorgang also direkt bemerkt wird. Wahrscheinlicher erscheint es wohl eher, dass mit einer
Täuschunggerechnet wird und die Tarnung insbesondere dazu gedacht ist, nach der Tat nicht erkannt zu werden auf den Kameraaufnahmen.

CR7
30.4.2024, 18:22:47
Liebes Team, super aufgearbeitet. Ich empfehle wirklich jedem diese Aufgabe durchzumachen. Hier hat man schon viele wesentliche Probleme des Versuchs, der
Mittäterschaftund der Vermögensdelikte drin. Kurze Frage: Kann man Antworten nicht mehr liken? Ich bin gerade in der iPad-App auf dem Mac und kann das leider nicht tun :/ Sonst super Update, gefällt mir gut!

Lukas_Mengestu
3.5.2024, 09:32:53
Hi CR7, vielen Dank, das freut uns sehr! Den Likebutton gibt es weiterhin. Er hat sich mit dem Update lediglich verschoben (links unten). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Breiter Kneipenschläger
1.6.2024, 11:34:32
Moin, bei der Aussage "A hat mit dem Geld aus der Kasse eine fremde bewegliche Sache weggenommen." ist in der Vertiefung auf einen anderen Kurs Bezug genommen worden. Die Verlinkung zum Kurs fehlt allerdings.

Nora Mommsen
24.6.2024, 16:55:18
Hallo Breiter Kneipenschläger, danke für den Hinweis! Nun sollte die Verlinkung funktionieren. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Erik_1995
6.3.2025, 13:02:40
Habe ich einen anderen Sachverhalt oder woher entnimmt man, dass A sich eine Kapuze vors Gesicht gehalten hat und das Nummernschild verdeckte?

aenksn
30.4.2025, 09:25:26
@[Erik_1995](177911) Das ist auf der Fallkarikatur abgebildet :)

Lota Coffee
3.5.2025, 22:03:29
Könnte man das an den Hals halten des Messers nicht bereits als Gewalt anstelle einer
Drohungansehen?
ÖA
5.5.2025, 17:28:34
Gewalt ist der durch eine mittelbare oder unmittelbare Einwirkung ausgelöste, körperlich wirkende Zwang, der nach der Vorstellung des Täters bestimmt und geeignet ist, den tatsächlich geleisteten oder erwarteten Widerstand des Opfers zu überwinden oder unmöglich zu machen. Per Definition muss Gewalt körperlich Wirken. Jetzt könnte man evtl. über die psychisch wirkende Angst einen körperlichen Zwang unter umständen begründen, ist aber eigentlich gar nicht nötig. dazu von juracademy: Rein seelische Zwangswirkungen reichen grundsätzlich nicht, sofern sie nicht erheblich sind. Das Vorhalten einer Waffe hingegen, welches das Opfer in einen starken Erregungszustand versetzt, wird vom BGH als gegenwärtige Übelszufügung und damit als Gewalt verstanden,BGHSt 23, 126. nicht jedoch das Vorhalten eines Messers. BGH NStZ-R. 2002, 304. ein an die Kehle gehaltetes Messer würde wohl mehr oder weniger den gleichen Effekt wie eine vorgehaltene Waffe haben. Vielleicht steht ja mehr drin in den Urteilen.

Lota Coffee
5.5.2025, 18:24:25
Danke für die Erklärung! Realistisch betrachtet wird ein an die Kehle gehaltenes Messer häufig bereits zu unmittelbarer körperlicher Einwirkung in Form leichter Schnittverletzungen führen. Mir war auch die Einordnung der vorgehaltenen Schusswaffe als Gewalt aus den Starfrechtsvorlesungen geläufig. Persönlich würde ich das Messer an der Kehle mindestens als gleich intensiv einschätzen.

Nadim Sarfraz
29.5.2025, 16:29:07
Hallo @[Lota Coffee](246223) und @[ÖA](231743), danke für Euren Austausch. :) Im Prinzip hat @ÖA Deine Frage bereits vollumfänglich beantwortet. Vorliegend haben wir einen Grenzfall zwischen
Drohungmit Gewalt und unmittelbarer Anwendung von Gewalt, dessen Bewertung i.E. keinen Unterschied macht (man kommt bei beiden Varianten zu einem qual. Nötigungsmittel). Der BGH hat tatsächlich einmal entschieden, dass das Vorhalten einer Schusswaffe Gewalt darstellt und dies wie folgt begründet: "Richtet der Täter eine durchgeladene und entsicherte Schußwaffe mit dem Finger am Abzug aus nächster Entfernung auf einen anderen, so droht er nicht nur mit der Anwendung von Gewalt, sondern er übt unmittelbaren körperlichen Zwang aus, wendet also Gewalt an. Er wirkt mit der aus nächster Nahe vorgehaltenen durchgeladenen und entsicherten Waffe unmittelbar auf die Sinne des Vergewaltigten ein und versetzt ihn hierdurch in einen Zustand starker seelischer Erregung und beeinflußt so sein ganzes körperliches Befinden und damit auch die körperlichen Voraussetzungen der Freiheit seiner Willensentscheidung oder seiner Willensbetätigung in hohem Maße." (BGH NJW 1970, 61, 62). Dass diese Symptome auch bei einem vorgehaltenen Messer ausgelöst werden können, ist richtig, spricht mE aber nicht dafür, in unserem Fall ebenfalls von "Gewalt" auszugehen, sondern eher die Arg. des BGH kritisch zu betrachten: So schreibt völlig zutreffend Wittig in: BeckOK, § 249 Rn. 6: "Um die Grenzen zur
Drohungsalternative nicht zu verwischen, ist insbes. bei psychosomatischen Zwangswirkungen ein restriktiver
Gewaltbegriffanzuwenden. Ein nur psychisch wirkender Zwang, wie das Auslösen von Angst und Erregung, genügt daher nicht, zumal der
Gewaltbegriffdann von zufälligen psychischen Befindlichkeiten des Opfers abhängen und Probleme hins. des Vorsatzes aufwerfen würde." Im Ergebnis ist also mit entsprechender Arg. beides vertretbar, dogmatisch finde ich den Weg von Wittig allerdings überzeugender. :) Sobald das Messer beim an die Kehle halten aber tatsächliche Schnittverletzungen herbeiführt, muss die Handlung im Sinne der o.g. Definition auf jeden Fall unter die Tatbestandsvariante der "Gewalt" fallen. Liebe Grüße, Nadim für das Jurafuchs-Team
Tinki
4.5.2025, 06:58:41
Ich habe gelernt, dass eine notgedrungene, aber willentliche Vermögensverfügung denkbar ist. Das würde ich auch hier annehmen, womit dann auch die Abgrenzung wieder nötig würde. Ist das auch vertretbar?
gurusch
18.6.2025, 16:55:37
Meines Erachtens ist bezüglich des Wegfahrens mit dem neuen Tankinhalt eine Unterschlagung zu prüfen und bejahen. Warum ist diese hier nicht angesprochen?