1. Indem A tankte, ohne zu bezahlen, könnte er sich wegen Diebstahls strafbar gemacht haben (§ 242 StGB).
Genau, so ist das!
Der Tatbestand des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) setzt objektiv
(1) die Wegnahme
(2) einer fremden, beweglichen Sache und subjektiv
(3) Vorsatz sowie
(4) die Absicht rechtswidriger Zueignung voraus.
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2. Handelt es sich bei dem flüssigen Benzin um eine bewegliche Sache?
Ja, in der Tat!
Eine bewegliche Sache ist ein körperlicher Gegenstand, der tatsächlich fortbewegt werden kann. Auf den Aggregatzustand kommt es nicht an.
Das Benzin ist eine Flüssigkeit, die auch bewegt werden kann. Das Benzin ist eine bewegliche Sache.
3. Dass das Benzin zum Zeitpunkt des Einfüllens in den Tank fremd war, ist unstreitig.
Nein!
Nach einer Ansicht soll bereits beim Einfüllen ein unbedingter Übereignungswille des Tankstellenbetreibers vorliegen, sodass sich die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB bereits an der Tanksäule vollzieht. Folgt man dieser Ansicht, wäre das eingefüllte Benzin für A nicht fremd.
Nach der Gegenansicht ist die Fremdheit des Benzins zum Zeitpunkt des Tankens zu bejahen. Teilweise wird argumentiert, dass das Eigentum am Benzin wegen eines stillschweigend vereinbarten Eigentumsvorbehalts (§ 449 BGB) erst nach der Bezahlung übergeht. Andere ziehen eine Parallele zum Kauf in Selbstbedienungsläden, wo die sich dingliche Einigung nach § 929 S. 1 BGB erst an der Kasse vollzieht.
4. Folgt man der überwiegenden Ansicht, ist das Benzin für den A fremd.
Genau, so ist das!
Die Ansicht, nach der ein Eigentumsübergang bereits an der Tanksäule stattfinden soll, entspricht nicht den Anschauungen des täglichen Lebens und ist mit einer Auslegung von Willenserklärungen nach den Grundsätzen aus §§ 133, 157 BGB nicht zu vereinbaren. Es wird regelmäßig nicht dem Willen des Tankstelleninhabers entsprechen, an seine Kunden vorzuleisten. Der Eigentumsübergang findet daher nicht bereits an der Tanksäule statt.
Da A an der Zapfsäule noch kein Eigentum an dem Benzin erwirbt, ist es für ihn fremd.
Ebenfalls denkbar wäre ein gesetzlicher Eigentumserwerb durch die Vermischung des neuen Benzins mit dem restlichen Tankinhalt (§ 948 Abs. 1 BGB i.V.m. § 947 Abs. 1 BGB). Allerdings würde der Tankende so lediglich Miteigentümer - mit der Folge, dass das Benzin weiterhin fremd wäre.
5. A hat das Benzin nach h.M. auch weggenommen.
Nein, das trifft nicht zu!
Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams (=vom Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft). Der Täter bricht den Gewahrsam, wenn er ihn ohne/gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers aufhebt. Die h.M. geht beim Tanken an einer SB-Tankstelle davon aus, dass der Tankstellenbetreiber mit dem Einfüllen des Kraftstoffes grundsätzlich bei ordnungsgemäßer Bedienung der Zapfsäule einverstanden ist (sog. tatbestandsausschließendes Einverständnis).
A hat die Zapfsäule ordnungsgemäß bedient, sodass nach h.M. ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vorliegt. Es liegt somit kein Gewahrsamsbruch und damit auch kein Diebstahl vor.
Eine Mindermeinung knüpft das Einverständnis nicht nur an die ordnungsgemäße Bedienung, sondern auch an eine ordnungsgemäße Zahlung. Dies verwischt aber die Grenze zwischen Wegnahme (§ 242 StGB) und Täuschung (§ 263 StGB).
6. Indem A trotz seines Entschlusses, nicht zu bezahlen, tankte, hat er I getäuscht und bei ihr einen Irrtum erregt (§ 263 Abs. 1 StGB).
Nein!
Der objektive Tatbestand des Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) setzt zunächst
(1) eine Täuschung und
(2) einen hierdurch bedingten Irrtum des Opfers voraus.
Eine Täuschung ist die ausdrückliche oder konkludente Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen mit dem Ziel bewusster Irreführung über Tatsachen. Ein Irrtum bezeichnet das Auseinanderfallen von subjektiver Vorstellung und objektiver Wahrheit.
Durch das Betanken seines Wagen hat A zwar konkludent zum Ausdruck gebracht, nach dem Tankvorgang auch zu bezahlen, obwohl er dies in Wirklichkeit gar nicht vorhatte. Somit hat er über Tatsachen getäuscht. I hat von dem Tankvorgang allerdings nichts mitbekommen und deshalb auch keine Vorstellung über die Zahlungswilligkeit von A. Mangels Irrtums liegt keine Strafbarkeit wegen vollendeten Betrugs (§ 263 Abs. 1 StGB) vor. 7. A könnte sich jedoch wegen versuchten Betrugs strafbar gemacht haben (§§ 263 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB).
Genau, so ist das!
Eine Versuchsstrafbarkeit setzt voraus, dass der Täter mit
(1) Tatentschluss zur Tatbestandsverwirklichung,
(2) unmittelbar ansetzt sowie
(3) rechtswidrig und
(4) schuldhaft handelt.
Er darf (5) nicht strafbefreiend zurückgetreten sein.
8. A hatte Tatentschluss hinsichtlich der Täuschung über Tatsachen und der Erregung eines Irrtums.
Ja, in der Tat!
Der Tatentschluss umfasst den Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale sowie eventuell vorliegende deliktsspezifische subjektive Tatbestandsmerkmale.
A wollte von Anfang an Tanken, ohne dafür zu bezahlen. Dabei hat er sich unter seiner Kapuzenjacke versteckt und seine Kennzeichen verdeckt, um unerkannt zu bleiben. Er ging also davon aus, dass er beobachtet wird oder zumindest durch Überwachungsanlagen überwacht wird. Bei realitätsnaher Auslegung ist deshalb davon auszugehen, dass A billigend in Kauf genommen hat, bemerkt zu werden, und darauf abzielte, beim Beobachter eine Fehlvorstellung über seine Zahlungswilligkeit hervorzurufen. Er hatte also Tatentschluss hinsichtlich Täuschung und Irrtum. 9. A hatte Tatentschluss hinsichtlich einer Vermögensverfügung.
Ja!
Eine Vermögensverfügung ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindern auswirkt. Dabei reicht eine rein faktische Vermögensminderung. Nach h.M. liegt die Vermögensverfügung an SB-Tankstellen darin, dass der Tankstelleninhaber den Tankvorgang bewusst zulässt bzw. duldet.
Vorliegend ging A davon aus, beim Tanken beobachtet zu werden. Da ihn aber niemand unterbrach, hatte er die Vorstellung, dass man sein Weitertanken duldete. Er hatte also Tatentschluss hinsichtlich einer Vermögensverfügung.
Nach einer Gegenansicht liegt beim Tankstellenpersonal schon kein Verfügungsbewusstsein vor. Heutzutage würden die SB-Tankstellen nicht mehr für den einzelnen Kunden freigeschaltet, sondern man könne einfach tanken. Der Beruf des Tankwarts beinhalte wesentlich mehr Aufgaben als lediglich das Freischalten bzw. die Überwachung der Tankanlage.
10. A hatte auch Tatentschluss hinsichtlich eines Vermögensschadens sowie die Absicht zur rechtswidrigen und stoffgleichen Bereicherung.
Genau, so ist das!
Ein Vermögensschaden ist ein negativer Saldo zwischen dem Wert des Vermögens vor und nach der Vermögensverfügung des Getäuschten. Die Bereicherungsabsicht ist die Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen (dolus directus 1. Grades). Dabei ist ein Vermögensvorteil jede wirtschaftliche Besserstellung des Täters/eines Dritten. Der Verfügungsgegenstand muss unmittelbar vom Vermögen des Geschädigten in das Vermögen des Täters verschoben werden (sog. Stoffgleichheit).
A wollte das Benzin nicht bezahlen, stellte sich also vor, das Vermögen der Inhaberin durch Betanken seines Wagens zu mindern. Er hatte folglich Tatentschluss in Hinblick auf einen Vermögensschaden. Zudem kam es ihm gerade darauf an, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Er handelte mit Bereicherungsabsicht.
11. Hat A auch unmittelbar zur Tat angesetzt?
Ja, in der Tat!
Der Täter setzt unmittelbar an, wenn er subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht‘s los“ überschreitet und objektiv Handlungen vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen.
A hat den Tankvorgang gestartet und somit unmittelbar angesetzt. Es sind auch keine Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe erkennbar. Zudem ist A nicht strafbefreiend zurückgetreten.
Denk bei Betrugsfällen an Tankstellen auch an § 263 Abs. 4 StGB, der auf § 248a StGB (Diebstahl und Betrug geringwertiger Sachen) verweist. Durch die Verweisung ist bei Betrugsdelikten mit geringem Schaden grundsätzlich ein Strafantrag erforderlich.
Die ebenfalls verwirklichte Unterschlagung (§ 246 StGB) ist gegenüber dem versuchten Betrug (§§ 263 Abs. 1, 2, 22, 23 Abs. 1 StGB) subsidiär und tritt dahinter zurück.
12. A und B könnten sich durch die Handlungen im Verkaufsraum zudem wegen Raubes strafbar gemacht haben (§ 249 Abs. 1 StGB).
Ja!
Der Raub ist ein zweiaktiges Delikt, das alle Elemente der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) und des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) enthält. Objektiv setzt der Raub daher
(1) die Wegnahme einer fremden, beweglichen Sache sowie
(2) den Einsatz eines qualifizierten Nötigungsmittel voraus. Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des
(3) raubspezifischen Zusammenhangs verknüpft diese Elemente miteinander und charakterisiert den Unrechtsgehalt des Raubes.
13. A hat mit dem Geld aus der Kasse eine fremde bewegliche Sache weggenommen.
Genau, so ist das!
Eine bewegliche Sache ist ein körperlicher Gegenstand, der tatsächlich fortbewegt werden kann. Diese ist fremd, wenn sie weder herrenlos ist noch im Alleineigentum des Täters steht. Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams.
Das Geld ist eine im Alleineigentum der Inhaberin stehende und damit fremde, bewegliche Sache. Indem B dieses aus der Kasse entnommen hat, hob er den Gewahrsam der Tankstelleninhaberin gegen ihren Willen auf und begründete neuen Gewahrsam. Eine Wegnahme liegt vor.
Das LG nahm hier eine räuberische Erpressung an. Nach äußerem Erscheinungsbild (Rspr.) liegt hier jedoch ein „Nehmen" vor. Selbst wenn man mit der Literatur auf die innere Willensrichtung des Opfers abstellt, hatte I keinen Entscheidungsspielraum. Ein Streitentscheid ist hier also nicht notwendig. Mehr zur Abgrenzung Raub/räuberische Erpressung findest Du in unserem systematischen Kurs: hier. 14. Um die Wegnahme zu ermöglichen, hat B der I gedroht.
Ja, in der Tat!
Drohung ist das Inaussichtstellen eines zukünftigen Übels, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluss zu haben vorgibt. Im Gegensatz zur bloßen Nötigung (§ 240 StGB) muss beim Raub (§ 249 StGB) das Übel eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben sein. Die h.M. setzt zudem als raubspezifischen Zusammenhang Finalität voraus. Die Nötigungsmitttel werden gerade zur Erzwingung der Wegnahme eingesetzt. Es kommt dabei maßgeblich auf die Vorstellung des Täters (subjektiv) an.
Indem B der I ein Messer an den Hals gehalten hat, hat er ihr konkludent ein künftiges Übel für ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit in Aussicht gestellt. Eine Drohung liegt vor. Dadurch sollte auch die Wegnahme ermöglicht werden, sodass ein Finalzusammenhang besteht.
15. Da weder A noch B alle Voraussetzungen eines Raubes selbst erfüllt haben, scheidet eine Strafbarkeit aus.
Nein!
Begehen mehrere eine Straftat gemeinschaftlich, wird jeder als Täter bestraft (§ 25 Abs. 2 StGB). Die Mittäter müssen sich ihre wechselseitigen Tatbeiträge je für sich zurechnen lassen, als ob sie die Tat vollständig in eigener Person verwirklicht hätten. Mittäterschaft setzt
(1) eine gemeinsame Tatausführung mit wesentlichen Tatbeiträgen sowie
(2) einen Entschluss zur gemeinsamen, arbeitsteilig auf vergleichbarer Ebene begangenen Tat voraus.
A und B hatten gemeinsam den Entschluss gefasst, die Tankstelle zu überfallen. Bei der Ausführung dieses Tatplans wirkten sie auch arbeitsteilig zusammen: A lenkte I ab, damit B sie mit einem Messer bedrohen konnte. A forderte I auf, die Kasse zu öffnen und entnahm das Geld. Sie haben mithin beide einen wesentlichen Tatbeitrag erbracht. Diese können dem jeweils anderen als eigene zugerechnet werden (§ 25 Abs. 2 StGB). 16. Da B für die Drohung ein Messer verwendete, haben sie zugleich die Qualifikation des besonders schweren Raubs (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) erfüllt.
Genau, so ist das!
§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB fordert, dass der Täter bei der Tat eine Waffe/ein gefährliches Werkzeug verwendet hat. Ein gefährliches Werkzeug i.S.d. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist nach der Rspr. jeder Gegenstand, der nach seiner konkreten Verwendung geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Verwenden ist der Einsatz des Werkzeugs als Mittel der Gewaltanwendung oder der Drohung mit Gewalt.
Ein Messer, das an den Hals einer anderen Person gehalten wird, ist dazu geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Damit handelt es sich um ein gefährliches Werkzeug i.S.d. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Die Verwendung des gefährlichen Werkzeuges durch B ist A und C auch gem. § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. Mithin ist der Qualifikationstatbestand des besonders schweren Raubes erfüllt.
Liegt keine Verwendung, sondern nur ein Beisichführen vor (so in § 250 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB), so ist die Definition des gefährlichen Werkzeugs nach wie vor höchst streitig. Mehr dazu: hier! 17. A und B haben sich wegen gemeinschaftlichen besonders schweren Raubes nach §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht.
Ja, in der Tat!
Auch die restlichen Voraussetzungen sind erfüllt. A und B handelten vorsätzlich (auch hinsichtlich der Verwendung des gefährlichen Werkzeugs) und in der Absicht, sich das Geld rechtswidrig durch Drohung mit Gewalt zuzueignen. Es sind weder Rechtfertigungs- noch Entschuldigungsgründe erkennbar. Sie haben sich somit wegen gemeinschaftlichen Raubes nach §§ 249 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB.Der Beschluss des BGH eignet sich sehr, um noch einmal die Strafbarkeit des Tankens an Selbstbedienungstankstellen zu wiederholen. Zudem wird noch einmal deutlich, wie wichtig in Bezug auf die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung eine klare Auswertung des Sachverhalts und eine saubere Subsumtion sind. 18. Liegt im Hinblick auf den versuchten Betrug und den anschließenden besonders schweren Raub Tatmehrheit (§ 53 StGB) vor?
Nein!
Werden mehrere Tatbestände verwirklicht, so ist auf Konkurrenzebene noch zu prüfen, ob Tateinheit (§ 52 StGB) oder Tatmehrheit (§ 53 StGB) vorliegt. Unterschiedliche Tathandlungen können dabei als einheitliche Tat zusammengefasst werden, wenn sie auf Grund eines übergreifenden Tatentschlusses und ihres engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs bei natürlicher Betrachtung eine Handlung bilden (sog. natürliche Handlungseinheit).Aufgrund des einheitlichen Entschlusses sowie des engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhangs der beiden Taten, liegt hier eine natürliche Handlungseinheit und damit Tateinheit (§ 52 StGB) vor.