+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A stiehlt die Nofretete Statue aus dem Neuen Museum in Berlin. Beweise gibt es keine. Polizistin P verdächtigt A. Da sie mit den Ermittlungen nicht vorankommt, foltert sie A, bis diese schließlich den Fundort der Statue preisgibt. Auf dieser finden sich zahlreiche Fingerabdrücke der A.
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Einordnung des Falls
Materielle Verdachtslage und Verurteilungswahrscheinlichkeit, gesetzlich normierter Verstoß
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat den Straftatbestand des Diebstahls erfüllt (§ 242 Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
Bei der Statue handelt es sich für A um eine fremde bewegliche Sache. A hat den Gewahrsam des Museumsinhabers daran gebrochen und eigenen Gewahrsam begründet, die Statue also weggenommen. Dies erfolgte vorsätzlich und in der Absicht, sich die Statue zumindest vorübergehend anzueignen und dem Museum dauerhaft die Sachherrschaftsposition zu entziehen. A handelte rechtswidrig und schuldhaft.
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2. Für einen hinreichenden Tatverdacht genügt allein die materielle Rechtslage.
Nein!
Ein hinreichender Tatverdacht für eine Anklage besteht, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung wahrscheinlicher ist als ein Freispruch. Für eine Verurteilung genügt es also nicht, dass materiell ein entsprechender Tatverdacht vorliegt. Vielmehr muss dem Beschuldigten die Tat mit vollgültigen Beweisen nachgewiesen werden. Denn eine Verurteilung darf nur dann erfolgen, wenn nach der richterlichen Überzeugung (§ 261 StPO) der Beschuldigte die Tat auch begangen hat. Bleiben hieran mangels verwertbaren Beweismitteln auch nach der Beweisaufnahme Zweifel, so hat ein Freispruch zu erfolgen (in dubio pro reo).Denk aber daran, dass Du in der Staatsanwaltsklausur nur eine Prognoseentscheidung triffst. Die Verurteilung muss lediglich wahrscheinlicher sein, als der Freispruch (mehr als 50%). Bestreitet die Beschuldigte die Tat oder schweigt sie, bedarf es hierfür aber mindestens eines verwertbaren Beweismittels!
3. Wenn eine Beschuldigte im Prozess schweigt, darf die von ihr zuvor in einer polizeilichen Vernehmung abgegebene geständige Einlassung verlesen werden (§ 254 StPO).
Nein, das ist nicht der Fall!
Nach § 254 Abs. 1 StPO dürfen Erklärungen des Angeklagten, die in einem richterlichen Protokoll enthalten sind, verlesen werden. Polizeiliche Protokolle dürfen dagegen nicht als Beweismittel (Urkunde) verwertet werden.
Widerruft der Angeklagte also seine geständige Einlassung oder schweigt er in der Hauptverhandlung, so darf nicht einfach das Protokoll seiner geständigen Einlassung als Beweismittel herangezogen werden.Zulässig bleibt es aber, dem Beschuldigten die entsprechende Aussage vorzuhalten, um ihn zu einer Stellungnahme zu bewegen. Denn das Beweismittel ist in diesem Fall nicht die Urkunde, sondern der Angeklagte selbst und seine Reaktion auf die frühere Aussage.
4. Grundsätzlich kann aber eine geständige Einlassung durch Befragung des vernehmenden Beamten in die Verhandlung eingeführt werden.
Ja, in der Tat!
Auch wenn polizeiliche Protokolle nicht verlesen werden dürfen, so ist zumindest der Vernehmungsbeamte als Zeuge zu hören („Zeuge vom Hörensagen“). Dabei darf diesem sogar das Protokoll vorgehalten und zu diesem Zwecke verlesen werden.Der Beweiswert dieser Aussage ist dabei allerdings kritisch zu würdigen. Polizistinnen ermitteln eine Vielzahl von Straftaten. Zudem liegt häufig eine lange Zeitspanne zwischen der Begehung der Tat und der Hauptverhandlung. Insoweit ist in der Praxis kritisch zu prüfen, ob tatsächlich noch eigene Erinnerungen des Beamten vorhanden sind. 5. Kann As geständige Einlassung in der Hauptverhandlung durch Befragung der P als Beweismittel verwendet werden?
Nein!
Sofern Beweismittel einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, dürfen die so ermittelten Tatsachen nicht zum Gegenstand der Beweiswürdigung und Urteilsfindung gemacht werden. Aussagen, die mittels verbotener Vernehmungsmethoden erlangt wurden (§ 136a Abs. 1, 2 StPO), unterliegen dabei einem umfassenden Beweisverwertungsverbot (§ 136a Abs. 3 S. 2 StPO). Davon umfasst ist auch die bloß mittelbare Verwertung der Aussage durch Anhörung der Vernehmungsperson.P hat A misshandelt und somit eine verbotene Vernehmungsmethode eingesetzt. As Einlassung, dass sie die Tat begangen haben, darf insoweit noch nicht einmal mittelbar verwertet werden.
6. Da die Statue nur aufgrund der unverwertbaren Aussage gefunden wurde, darf auch diese sowie die Fingerabdrücke darauf nicht als Beweismittel verwendet werden.
Nein, das ist nicht der Fall!
Im US-amerikanischen Recht entfalten Beweisverbote eine Fernwirkung, sodass auch weitere, durch den Verfahrensfehler erlangte Beweismittel unverwertbar sind („Früchte des verbotenen Baumes). Eine solche Fernwirkung lehnt der BGH grundsätzlich ab: Ein Verfahrensfehler, der ein Verwertungsverbot für ein Beweismittel zur Folge habe, dürfe nicht ohne Weiteres dazu führen, dass das gesamte Strafverfahren lahm gelegt und damit die Wahrheitserforschungspflicht des Gerichts (§ 244 StPO), die zu den tragenden Grundsätzen des Strafverfahrensrechts gehöre, ausgehöhlt werde (vgl. NJW 1987, 2525).Der Verstoß gegen die verbotenen Vernehmungsmethoden beschränkt sich somit auf As geständige Einlassung. Die hierdurch aufgefundene Statue darf weiterhin verwendet werden.In der Literatur wird dagegen teilweise generell eine Fernwirkung bejaht oder im konkreten Fall der Verstoß der Verletzung einerseits mit der Bedeutung des Tatvorwurfs andererseits abgewogen. Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
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