Zivilrechtliche Nebengebiete

Arbeitsrecht

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Fehlende Anhörung des Betriebsrates vor (erneuter) Kündigung

Fehlende Anhörung des Betriebsrates vor (erneuter) Kündigung

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Arbeitgeberin A will Mitarbeiter M nach ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung ordentlich kündigen. Der Kündigungsbrief geht bei der Post verloren. Als A feststellt, dass M die Kündigung nicht erhalten hat, schickt sie sofort einen neuen, inhaltsgleichen Brief los, der M auch zugeht.

Diesen Fall lösen 64,4 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Fehlende Anhörung des Betriebsrates vor (erneuter) Kündigung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Grundsätzlich ist die dem M zugegangene Kündigung unwirksam, weil der Betriebsrat vor dem neuen Kündigungsschreiben nicht erneut angehört wurde.

Ja!

Grundsätzlich besteht die Pflicht zur Anhörung des Betriebsrates (§ 102 BetrVG) vor jeder Kündigung. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam (§ 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG). A hat den Betriebsrat nur vor dem ersten Kündigungsschreiben angehört, allerdings nicht erneut, bevor sie den weiteren Kündigungsbrief an M geschickt hat. Es fehlt daher an der nach § 102 BetrVG erforderlichen Betriebsratsanhörung. Eine nachträgliche Genehmigung der Kündigung durch den Betriebsrat ist nicht möglich, da nach § 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG der Betriebsrat nur vor einer Kündigung angehört werden kann.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Kann sich M auf die fehlende Betriebsratsanhörung im HInblick auf die zweite Kündigung berufen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die erfolgte Anhörung entfaltet eine gewisse Fortwirkung für erneute, unmittelbar nachfolgende Kündigungen, sofern diese auf den identischen Lebenssachverhalt gestützt wird. Es besteht kein sachlicher Grund für eine erneute Betriebsratsanhörung, wenn ein Arbeitgeber in engem zeitlichem Zusammenhang und aus denselben Gründen eine erneute Kündigung ausspricht und nicht zu erwarten ist, dass sich Betriebsrat in anderer Weise äußert. Bei der zweiten Kündigung handelt sich um eine inhaltlich identische und unmittelbar nachfolgende Kündigung. Hier ist eine erneute Betriebsratsanhörung ausnahmsweise (!) entbehrlich. Der Einwand der fehlenden Betriebsratsanhörung ist rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) und kann von M nicht erhoben werden.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

Jurafuchs kostenlos testen


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

© Jurafuchs 2024