Versammlung auf fremdem Grundstück ohne Zustimmung des Eigentümers


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A nimmt an einer Demonstration gegen Atomkraft teil. Die Demonstration findet auf dem Grundstück des Atomkraftwerk-Betreibers B statt. B ist damit nicht einverstanden und spricht ein Hausverbot aus. A fühlt sich in ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) verletzt.

Einordnung des Falls

Versammlung auf fremdem Grundstück ohne Zustimmung des Eigentümers

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Versammlung liegt vor.

Ja, in der Tat!

Nach dem Versammlungsbegriff ist eine Versammlung (1) eine örtliche Zusammenkunft (2) mehrerer Personen (3) zu einem gemeinsamen Zweck. Der gemeinsame Zweck der Versammlung muss nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG in der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung liegen. Die Demonstration gegen Atomkraft ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen. Der gemeinsame Zweck liegt in der Kundgabe gegen Atomkraft.

2. Art. 8 Abs. 1 GG gewährt ein Recht darauf, über den Ort der Versammlung zu bestimmen.

Ja!

Der sachliche Schutzbereich der Versammlungsfreiheit erstreckt sich auf die Durchführung der Versammlung, die Vorbereitung und Organisation sowie die Auswahl des Gegenstands, des Orts und der Zeit.

3. Der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit ist eröffnet, weil B unmittelbar an Grundrechte gebunden ist.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG sind Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung an Grundrechte gebunden. Grundrechte sind nach ihrem Sinn und Zweck Abwehrrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat. Die Auffassung, dass Grundrechte über Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Art. 1 Abs. 3 GG hinaus unmittelbar zwischen Bürgern wirken (unmittelbare Drittwirkung), wird vom BVerfG und der ganz h.M. zu Recht abgelehnt. B ist eine Privatperson. A kann sich gegenüber B nicht unmittelbar auf Grundrechte berufen.

4. Zwischen Privaten kommt die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung zur Anwendung.

Ja, in der Tat!

Grundrechte beeinflussen als gewichtige objektive Prinzipien des Rechtssystems auch die Rechtsbeziehungen zwischen Grundrechtsträgern (mittelbare Drittwirkung). Die in den Grundrechten festgelegten Werte finden in der Auslegung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und Generalklauseln des Privatrechts Berücksichtigung, indem diese grundrechtskonform ausgelegt werden.

5. Die Versammlungsfreiheit der A entfaltet vorliegend ihre Wirkung, weil B mittelbar an Grundrechte gebunden ist.

Nein!

Ausgehend vom Schutzbereich der Versammlungsfreiheit entfaltet sich die mittelbare Drittwirkung der Versammlungsfreiheit zwischen Privaten nur an solchen Orten, die vom Grundstückseigentümer zum allgemeinen kommunikativen Verkehr eröffnet sind. Bs Grundstück ist nicht für den allgemeinen kommunikativen Verkehr eröffnet. Der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit ist nicht eröffnet.

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SO

Sonnenschein

23.8.2020, 00:21:59

Wenn doch eine Versammlung nur auf bestimmten Gebieten stattfinden kann, wie in der letzten Frage kommuniziert, kann doch die erste Frage nicht derart beantwortet werden, dass der Versammlungsinitiator den Ort seiner Versammlung aussuchen darf.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

23.8.2020, 08:06:44

Hallo Sonnenschein, die Frage war, ob die Versammlungsfreiheit das Recht gewährt, über den Ort der Versammlung zu entscheiden. Das stimmt, allerdings gilt die Versammlungsfreiheit nicht direkt unter Privaten. Zwar können Private über die mittelbare Drittwirkung an Grundrechte gebunden sein, im Falle der Versammlungsfreiheit führt dies aber nur dazu, dass öffentlich zugängliche Orte, wie Supermarktparkplätze genutzt werden dürfen. Die Versammlungsfreiheit gilt aber nicht wenn es um nicht öffentlich zugängliche Privatgrundstücke geht.

juramen

juramen

25.7.2022, 19:32:01

Wäre ganz cool, wenn man in der Fragestellung präzisieren könnte, ob es ein Ort des kommunikativen Verkehrs ist, oder auch woran man einen solchen Ort erkennt

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

3.8.2022, 12:56:20

Vielen Dank für den Hinweis, juramen. Die Frage, ob es sich hier um einen Ort des kommunikativen Verkehrs handelt, ist letztlich eine Subsumtionsfrage. In der Klausur musst Du dies also aus der Beschreibung des jeweiligen Ortes herauslesen. Orte des kommunikativen Verkehrs sind zunächst einmal der öffentliche Straßenraum. Dieser stellt das Leitbild dar. Auch außerhalb des öffentlichen Straßenraums kann ein Ort des kommunikativen Verkehrs vorliegen, wenn er eine ähnliche Funktion erfüllt (zB EInkaufszentren, Ladenpassagen). Dazu müssen diese Orte aber der Öffentlichkeit allgemein geöffnet und zugänglich sein (also zB nicht ein Fußballstadion mit individuellen Einlasskontrollen). Dies ist im Fall des Atomkraftwerks hier gerade nicht der Fall. Lies Dir gerne zu dieser Frage auch einmal die

Fraport Entscheidung

des BVerfG durch (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2011/02/rs20110222_1bvr069906.html). Dort wird die Abgrenzung ebenfalls noch einmal sehr deutlich. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DIAA

Diaa

12.10.2023, 10:42:47

In einem anderen Fall "Bierdosen o.ä." wurde eine mittbalre Drittwirkung angenommen, obwohl der Ort der 15minütigen Versammlung nicht zu kommunikativen Versammlungen zugänglich war. Wieso ist es hier anders?

BENKE

BenKenobi

1.12.2023, 15:51:17

Wenn wir denselben Fall meinen, so sollte der Bierdosen-Flashmob auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz stattfinden. Dahingehend wird argumentiert, dass ein Parkplatz als öffentlich zugänglicher Raum nicht einem Betriebsgrundstück gleichsteht, welches grundsätzlich nicht für die Öffentlichkeit geöffnet ist.


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