Leihe, „Rechtsfolgenirrtum“

3. Dezember 2024

4,7(17.987 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

F möchte sich von seinem Bekannten B dessen "Bulli" für einen Wochenendtrip ausleihen. B willigt ein, weil er denkt, er würde bei einer Leihe Geld bekommen.

Diesen Fall lösen 78,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Leihe, „Rechtsfolgenirrtum“

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. F und B haben einen Leihvertrag über den "Bulli" geschlossen (§ 598 BGB).

Ja, in der Tat!

Die Leihe kennzeichnet sich durch die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung auf Zeit (§ 598 BGB) und ist damit abzugrenzen von der Miete, der entgeltlichen Gebrauchsüberlassung auf Zeit (§ 535 BGB). Objektiv hat F unzweideutig ein Angebot gerichtet auf Abschluss eines Leihvertrages abgegeben, welches B auch annahm (§§ 145, 147 BGB). Dass B subjektiv (§ 133 BGB) davon ausging, Leihe bezeichne die entgeltliche Gebrauchsüberlassung, führt aus Verkehrsschutzgründen nicht zur Unwirksamkeit der Erklärung.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. B kann seine Willenserklärung wegen eines Inhaltsirrtums anfechten (§ 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB).

Ja!

B kann wegen Inhaltsirrtums anfechten, wenn Wille und Erklärung auseinander fallen. B nahm objektiv das Angebot des F (gerichtet auf Abschluss eines Leihvertrages) an, obwohl er dachte, einen Mietvertrag zu schließen. Es handelt sich um einen klassischen Verlautbarungsirrtum. B hat einen juristischen Fachausdruck ("Leihe") gebraucht, den er nicht beherrscht. Der Verlautbarungsirrtum wird auch als Rechtsfolgenirrtum bezeichnet, weil der Erklärende hinsichtlich der Rechtsfolgen seiner Erklärung irrt. Er berechtigt zur Anfechtung, wenn die Rechtsfolge unmittelbar mit erklärt wird und nicht bloß mittelbare gesetzliche Folge der Erklärung ist. Hier ist die Folge (Unentgeltlichkeit) mit erklärt.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SO

Sony

26.5.2020, 11:04:17

So wie der Text formuliert ist, kann man aber nicht von einem

Inhaltsirrtum

ausgehen. Es ist nicht von Miete die Rede. Wenn B von

Leihe

ausgeht, kann man auch von einem juristischen Laien erwarten, dass er unter

Leihe

ein unentgeltliches Geschäft versteht, oder?

GEL

gelöscht

26.5.2020, 12:06:51

Eingangs wird doch recht deutlich klar gemacht, dass eine entgeltliche Erwartung im Raum steht 💁‍♂️ Wo siehst du da ein Problem? 🤔

87BE

87 BetrVG

20.10.2020, 15:53:56

Fur den juristischen Laien ist die "

Leihe

" nach seiner alltäglichen Erfahrung in der Regel mit einer Zahlung verbunden. Beim Skiverleih, Autoverleih, früher Videoverleih werden idR Zahlungen fällig. insofern würde ich nicht davon ausgehen, dass ein Laie den Unterschied zwischen Mieten und

Leihe

n kennt.

QUIG

QuiGonTim

16.2.2022, 16:54:37

Bei der Anfechtung kommt es eben nicht darauf an, welches Verständnis ein

objektiver Dritter

erwarten durfte. Das wurde ja schon beim Vertragsschluss/Auslegung der WE behandelt. Es geht bei der Anfechtung darum, wie es der Erklärende subjektiv verstanden hat bzw. was er tatsächlich wollte.

KI

Kilian

22.7.2022, 23:12:29

Der Rechtsgrund der Überlassung ist dann ja weggefallen. Kann B von F aus den 812ff Ersatz für die Abnutzung verlangen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

3.8.2022, 15:35:27

Hallo Klilian, in der Tat kann B bei erfolgreicher Anfechtung

bereicherungsrecht

liche Ansprüche geltend machen (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Dabei ist nicht auf die Abnutzung/Verschlechterung des Bulli abzustellen (=Schaden), sondern vielmehr auf die erlangte Nutzungsmöglichkeit für die Wertersatz zu leisten ist (§818 I, II BGB). Ggfs. ist F hier allerdings

entreichert

, wenn es sich bei der Nutzung des Bullis um

Luxusaufwendungen

gehandelt hat, die er ohne die

Leihe

nicht getätigt hätte (

§ 818 Abs. 3 BGB

). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

AN

Antonia

29.8.2024, 16:31:17

Was sind die verschiedenen Fallgruppen des

Inhaltsirrtum

s? Ich habe gelesen, dass es drei verschiedene gibt: 1.

Verlautbarungsirrtum

2.

Rechtsfolgenirrtum

und 3.

Kalkulationsirrtum

. Es überrascht mich also, dass der

Rechtsfolgenirrtum

hier als nur eine andere Bezeichnung des

Verlautbarungsirrtum

dargestellt wird.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

6.9.2024, 11:08:56

Hallo Antonia, manche bezeichnen den

Verlautbarungsirrtum

tatsächlich (auch) als

Rechtsfolgenirrtum

, (viele) andere behandeln beides getrennt und wieder andere nutzen den Begriff des

Verlautbarungsirrtum

s kaum oder gar nicht. Das mag verwirrend sein, weil das etwas anderes ist, als Du gelesen hast. Aber lass Dich davon nicht irritieren, die Handhabung und Terminologie ist da einfach nicht einheitlich. Diese ganzen Fallgruppen stammen ja letztlich von der Literatur und Rspr, die versuchen, ein gewisses System in die Irrtumsfragen des §

119 BGB

zu bekommen - denn im Gesetz steht von diesen ganzen Begriffen ja kaum etwas. Und da schon die Abgrenzung zwischen Inhalts- und Erklärungsirrtum in § 119 I BGB nicht immer ganz einfach ist, ist es die Abgrenzung zwischen verschiedenen Fallgruppen erst recht nicht. Wichtiger als die Kategorien einfach auswendig zu lernen, ist es deswegen, die Prinzipien dahinter zu verstehen und beispielsweise ein Gespür dafür zu entwickeln, warum ein bestimmer Fall ein beachtlicher oder eher ein unbeachtlicher Irrtum sein und warum man ihn eher als Fall von § 119 I, 1. Var oder 2. Var BGB ansehen könnte. Wenn Dir die Fallgruppen dabei helfen, dann umso besser, aber lass Dich von diesen Abgrenzungsfragen der Fallgruppen nicht zu sehr nervös machen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

AN

Antonia

7.9.2024, 11:21:34

Hallo Sebastian, danke für deine ausführliche Erklärung! Sie hat mir weitergeholfen und die Verwirrung genommen. Viele Grüße, Antonia


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen