§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB – für eine Vielzahl von Verträgen


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Der Hauseigentümer H vermietet sein einziges Haus an den Mieter M und verwendet dabei ein Mietvertragsformular aus einem Vermieterhandbuch, in das lediglich die Parteien, der Mietzins und die Vertragsdauer eingesetzt werden müssen. Die Schönheitsreparaturen werden in dem Formular auf den Mieter abgewälzt.

Einordnung des Falls

§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB – für eine Vielzahl von Verträgen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Klausel ist eine „Vertragsbedingung“ (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Eine Vertragsbedingung ist eine Regelung, die nach dem objektiven Empfängerhorizont den Vertragsinhalt festlegen will. Abzugrenzen sind Vertragsbedingungen von unverbindlichen Hinweisen, Bitten, oder Empfehlungen, die mangels Regelungsgehalt nicht auf den Vertragsinhalt einwirken. Die Klausel erlegt die Pflicht zu Schönheitsreparaturen dem Mieter auf und wirkt daher als Vertragsbedingung auf den Vertragsinhalt ein.

2. Die Klausel ist „vorformuliert“ (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Eine Vertragsbedingung ist vorformuliert, wenn sie vor Abschluss des Vertrags oder der Vornahme des Rechtsgeschäfts entworfen wurde. Entscheidend ist ein gewisser zeitlicher Abstand zum Vertragsschluss, der eine vorausschauende Vertragsgestaltung nahelegt. Die Klausel war deutliche Zeit vor dem Mietvertragsschluss mit M im Vermieterhandbuch vorformuliert.

3. Die Klausel ist „für eine Vielzahl von Verträgen“ aufgestellt (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB).

Ja!

Eine Klausel ist für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt, wenn der Verfasser die Klausel in dem Bewusstsein erstellt hat, dass diese mehrfach verwendet wird. Laut der Rechtsprechung reicht die Verwendungsabsicht in mindestens drei Fällen aus. Belanglos ist, ob die Klausel später tatsächlich für eine Vielzahl von Verträgen verwendet wird, sodass bereits bei der ersten Verwendung solcher Klauseln das Merkmal vorliegen kann. Die Klausel wurde vom Autor des Vermieterhandbuchs in dem Bewusstsein erstellt, dass sie für eine Vielzahl an Verträgen genutzt werden wird. Damit lag eine Mehrfachverwendungsabsicht vor und es ist unerheblich, dass H selbst die Vertragsklausel nur einmal verwenden will.

4. Die Klausel ist „von einer Vertragspartei (Verwender) gestellt“ (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Eine Klausel ist von einer Vertragspartei gestellt, wenn die Partei die Einbeziehung der Klausel in den Vertrag einseitig veranlasst hat und so der anderen Partei den Vertrag zu diesen Bedingungen anbietet. Die Klausel wird einseitig von H gestellt, da sie der M den Mietvertrag unter der Bedingung der Abdingung der Schönheitsreparaturen anbietet.

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IUS

iustus

28.5.2021, 18:23:05

Kann man bei der Verwendungsabsicht nicht auch auf den Vermieter abstellen, statt auf denjenigen, der den Vordruck erstellt hat? Denn man kann ja schon drauf abstellen, dass die mehrmalige Verwendungsabsicht beim konkreten Verwender vorliegen muss, und nicht beim Ersteller.

JURA

Juranus

23.7.2021, 10:24:00

Das habe ich zunächst auch gedacht, würde diese Sichtweise aber ablehnen. Ein wesentlicher Gedanke des AGB-Rechtes ist es ja, den Verbraucher (bzw. die schwächere Partei) vor „übergestülpten“ Verträgen zu schützen, die nicht individuell vereinbart wurden und gegen die sich der Verbraucher nur schwer wehren kann. Wer diese Formularverträge verfasst hat, macht für den Verbraucher keinen Unterschied. Deshalb scheint es mMn im Sinne eines konsequenten Verbraucherschutzes korrekt, auch vorliegend das AGB-Recht zur Anwendung kommen zu lassen.

IUS

iustus

23.7.2021, 10:28:27

Ja, das ergibt Sinn. Danke :)

paul

paul

20.6.2022, 12:52:22

Also mit dem Argument des Verbraucherschutzes kann nicht argumentiert werden, da 310 Abs. 2 Nr.2 bei verbrauchern ohnehin das einmalige Verwenden ausreichen lässt. Aber ansonsten korrekt.

jhelmi

jhelmi

27.9.2022, 20:42:48

Der Verfasser des Falles ist offensichtlich Mieter („abgewälzt“)

Marco

Marco

29.10.2023, 14:23:20

Dieses vermieterfeindliche Wording ist ganz klar eine „Nebenwirkung“ der fortwährenden Prekärisierung der Juristerei. Schlimm, wenn dies schon bis in die Kommentarliteratur selbst vorgedrungen zu sein scheint!

Kind als Schaden

Kind als Schaden

12.4.2024, 16:06:36

Schönheitsreparaturen sind oft ein Streitthema nach Auszug des Mieters. Niemand zwingt den Vermieter dazu, dass er diese dem Mieter auferlegt. Er könnte diese Reparaturen auch selbst übernehmen und im Gegenzug die Miete etwas erhöhen o.Ä. Aber stattdessen werden in der Praxis die Reparaturen dann doch auf den Mieter "abgewälzt" und sich hinterher von Seite des Vermieters häufig beschwert, dass es nicht zuufriedenstellend erledigt worden sei. Daher kommt dieses "wording", was mithin nicht völlig aus der Luft gegriffen ist.


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