Zivilrechtliche Nebengebiete

Internationales Privatrecht

Internationale Zuständigkeit (EuGVVO)

Verbrauchergerichtsstandort, wenn teils privater, teils geschäftlicher Verwendungszweck

Verbrauchergerichtsstandort, wenn teils privater, teils geschäftlicher Verwendungszweck

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B betreibt einen Bauernhof in Dorf X in Österreich, nahe der deutschen Grenze. Auf dem Hof steht ein Haus, welches B zu 60 % privat nutzt. Unternehmen U betreibt in Deutschland einen Baumarkt, welcher auch Werbeflyer in X verteilt. B kauft von U Ziegel, um das Hausdach neu zu decken. Die Ziegel sind mangelhaft.

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Einordnung des Falls

Verbrauchergerichtsstandort, wenn teils privater, teils geschäftlicher Verwendungszweck

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Um das zuständige Gericht zu bestimmen, muss man zuallererst auf den allgemeinen und auf besondere Gerichtsstände achten.

Nein!

Prüft man die Zuständigkeit nach der EuGVVO, ist ein bestimmtes Prüfungsschema einzuhalten. Nach der Eröffnung des Anwendungsbereichs, folgen zunächst ausschließliche Zuständigkeiten (Art. 24 EuGVVO) und eine eventuelle Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 25 EuGVVO). Danach kommt eine Zuständigkeit aufgrund spezieller Regelungen (Art. 10ff. EuGVVO) in Betracht. Diese verdrängen als vorrangige Spezialgesetze (lex specialis) den allgemeinen und den besonderen Gerichtsstand. Zweck ist der Schutz von „schwächeren“ Gruppen und ein Ausschluss einer Umgehung dieser Schutzvorschriften. Aufgrund dieser Regelungssystematik solltest Du diese Gerichtsstände in der Klausur vorrangig prüfen.
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2. Damit der persönliche Anwendungsbereich des Verbrauchergerichtsstands eröffnet ist, müsste B Verbraucher sein (Art. 17 Abs. 1 EuGVVO).

Genau, so ist das!

In Art. 17 Abs. 1 EuGVVO findet sich eine Legaldefinition für den Begriff des Verbrauchers nach der EuGVVO. Danach ist ein Verbraucher eine Person, die einen Vertrag zu einem Zweck schließt, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann. Die Stellung einer Person ist jeweils nach dem konkret streitgegenständlichen Vertrag zu bestimmen.

3. Obwohl B doppelfunktional handelt, also teils geschäftlich für seinen Hof und teils privat handelt, ist er Verbraucher.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Verbraucher ist eine Person, die einen Vertrag zu einem Zweck schließt, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann. EuGH: Ein Verbrauchervertrag i.S.d. Art. 17 Abs. 1 EuGVVO liegt nur vor, wenn „der beruflich-gewerbliche Zweck derart nebensächlich ist, dass er im Gesamtzusammenhang des Geschäfts nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt“. B nutzt das Haus „nur“ zu 60 % privat. Der berufliche Zweck spielt damit keine nur ganz untergeordnete Rolle. B ist nach verordnungsautonomer Auslegung kein Verbraucher.

4. Der Ausschluss der Verbrauchereigenschaft bei doppelfunktionalen Verträgen beruht auf dem Gesetzeszweck des Schutzgerichtstandes für Verbraucher.

Ja!

Die Schutzgerichtsstände nach Art. 10ff. EuGVVO verfolgen den Zweck, die „schwächere“ Partei eines Vertrags dadurch zu schützen, dass die Partei nicht noch den Aufwand und die Unwägbarkeiten einer Klage in einem anderen Land auf sich nehmen muss. Der Entschluss der Partei zur gerichtlichen Wahrnehmung seiner Rechte soll nicht erschwert werden. Handelt der angeblich schutzwürdige Teil aber auch beruflich, ist er eben nicht die schwächere und schutzwürdige Partei. Er bedarf deshalb nicht des Schutzes des  Verbrauchergerichtsstands.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

baluli

baluli

1.7.2024, 11:18:43

Reicht es für den Ausschluss des Verbrauchergerichtsstands schon aus, dass B das Haus zu 1% in gewerblicher Tätigkeit nutzt? :)

Johannes Nebe

Johannes Nebe

25.8.2024, 20:22:22

Wenn schon 60 % Privatnutzung Art. 17 I EuGVVO unanwendbar machen, wird es bei 99 % erst recht so sein. Du meintest es aber vielleicht andersrum. Ich denke, es geht um den Gesamtzusammenhang, da wird es keine festen Prozentgrenzen geben.

baluli

baluli

25.8.2024, 20:32:03

Ich meinte es andersherum. Und frage mich dabei, wann eine gewerbliche Tätigkeit ‚nur ganz nebensächlich‘ bzw. ‚untergeordnet‘ ist 🤔


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