Erfolgsort nach Art. 4 Rom-II-VO

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A übt in Straßburg an der Grenze zu Deutschland das Schießen. Aufgrund des Windes verirrt sich eine Kugel und trifft B, die sich auf der deutschen Seite am Rhein sonnt. Bei dem Transport ins Straßburger Krankenhaus gerät der Krankenwagen in einen Unfall, wodurch sich B zusätzlich das Bein bricht.

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Einordnung des Falls

Erfolgsort nach Art. 4 Rom-II-VO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist der Anwendungsbereich der Rom II-VO eröffnet, wenn B den A in Deutschland verklagen will?

Ja!

Der sachliche Anwendungsbereich der VO erfasst gesetzliche Schuldverhältnisse auf dem Gebiet des Zivil- und Handelsrechts (Art. 1 Abs. 1 Rom II-VO). Das Ereignis, das das Schuldverhältnis begründet, muss am oder nach dem 11.01.2009 geschehen sein (Art. 32 Rom II-VO). Die VO gilt für alle EU-Mitgliedsstaaten für Sachverhalte mit internationalem Bezug. Es liegt eine unerlaubte Handlung (Körperverletzung an B) vor (sachlicher Anwendungsbereich). Es ist ein deutsches Zivilgericht zuständig. Es liegt ein Sachverhalt mit internationalem Bezug vor. Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich ist eröffnet. Mangels entgegenstehenden Angaben ist davon auszugehen, dass auch der zeitliche Anwendungsbereich eröffnet ist.
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2. Sind besondere Kollisionsnormen im Deliktsrecht (Art. 5 – 9 Rom II-VO) anwendbar?

Nein, das ist nicht der Fall!

Bei der unerlaubten Handlung gibt es spezielle, vorrangige Kollisionsnormen in Artt. 5 – 9 Rom II-VO. Diese sind vor dem allgemeineren Art. 4 Rom II-VO zu prüfen. Keine der spezialgesetzlichen Regelungen (leges speciales) ist einschlägig. Daher ist an die allgemeine Kollisionsnorm (Art. 4 Rom II-VO) anzuknüpfen. Noch vor der sog. objektiven Anknüpfung nach Art. 4- 9 Rom II-VO ist eine subjektive Anknüpfung, also eine Rechtswahl (Art. 14 Rom II-VO) zu prüfen. Eine solche liegt hier aber offensichtlich nicht vor.

3. Nach der allgemeinen Kollisionsnorm ist an das Recht des Staates, in der die unerlaubte Handlung begangen wurde, anzuknüpfen (Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO).

Nein, das trifft nicht zu!

Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO bestimmt, dass der Erfolgsort maßgeblich ist und nicht der Handlungsort. Andere Bezeichnungen sind der Ort der primären, unmittelbaren und direkten Rechtsgutsverletzung. Hier sind zwei Verletzungserfolge eingetreten. Zunächst hat sich B durch den Schuss der A in Deutschland verletzt und auch noch einmal auf dem Weg ins Krankenhaus auf französischer Seite.

4. Kann B auf beide Verletzungen abstellen und somit wählen, ob sie deutsches oder französisches Recht anwenden will (vgl. Art. 4 Abs. 1 a.E. Rom II-VO)?

Nein!

Der Erfolgsort bestimmt, welches Recht anzuwenden ist (Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO). Erfasst ist nur der Ort der ersten Rechtsgutsverletzung, also wo der Verletzungserfolg eintritt. Indirekte Schadensfolgen, die in Folge der ersten Rechtsgutsverletzung eintreten, sind dagegen irrelevant für die Bestimmung des anwendbaren Rechts. Der erste eingetretene Schaden war die auf deutscher Seite eingetretene Schussverletzung der B. Nur diese ist insofern maßgeblich für die Bestimmung des anwendbaren Rechts. Es wird also auf deutsches Recht verwiesen. Da die Rom II-VO eine Sachnormverweisung vorsieht (Art. 24 Rom II-VO), ist direkt deutsches materielles Recht anzuwenden (z.B. § 823 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Johannes Nebe

Johannes Nebe

25.8.2024, 12:11:24

Sorry, irgendwas hat mich an der ansonsten schönen Zeichnung irritiert. Es ist die falsche Flussrichtung (nach unten rechts im Bild). Frankreich ist nämlich immer links- und Deutschland immer rechtsrheinisch.


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