Systematik der Mängelrechte
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft von V einen Gebrauchtwagen. Beide gehen davon aus, dass der Wagen unfallfrei ist. Tatsächlich hatte der Wagen bereits einen Unfallschaden.
Diesen Fall lösen 71,5 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Systematik der Mängelrechte
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ein Käufer kann grundsätzlich frei wählen, ob er gegen den Verkäufer einen Anspruch auf Nacherfüllung, auf Rückgewähr des Kaufpreises infolge Rücktritt, auf Zahlung des mangelbedingten Minderwertes, auf Schadenersatz statt der Leistung oder ggf. Aufwendungsersatz geltend macht.
Nein, das ist nicht der Fall!
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2. Ist die Fristsetzung zur Nacherfüllung ausnahmsweise gem. § 323 Abs. 2 BGB bzw. § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich, entfällt auch der Vorrang der Nacherfüllung. K kann in diesem Fall seine Rechte aus § 437 Nr. 2 BGB (Rücktritt bzw. Minderung) bzw. § 437 Nr. 3 BGB (Schadensersatz bzw. Aufwendungsersatz) ohne Weiteres geltend machen.
Ja, in der Tat!
3. Kein Vorrang der Nacherfüllung besteht bei Schadenersatzansprüchen neben der Leistung (§ 280 Abs. 1 BGB) oder deren Verzögerung (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB) sowie bei anfänglich (§ 311a BGB) oder nachträglich (§§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB) unmöglicher Leistung (§§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 5 BGB).
Ja!
4. Der Nacherfüllungsvorrang gilt auch bei anderen bestehenden Leistungsverweigerungsrechten, etwa aus § 275 Abs. 2, 3 BGB.
Genau, so ist das!
5. Nach Fristablauf kann K in jedem Fall zwischen Rücktritt, Minderung, Schadensersatz statt der Leistung und Aufwendungsersatz wählen.
Ja, in der Tat!
6. K kann, sofern er dem Vorrang der Nacherfüllung genüge getan hat, Rücktritt parallel zu Schadensersatzansprüchen geltend machen.
Ja!
7. Sofern K die nachrangigen Gewährleistungsrechtsbehelfe geltend macht, erlischt sein Nacherfüllungsanspruch.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
simon175
1.9.2022, 22:42:53
Bezüglich der vorletzten Frage finde ich die Antwort inakkurat. § 325 BGB gewährt einen Rücktritt neben einem Schadensersatz, von einer Minderung ist dort nicht die Rede. Wird in diesem Kontext die Norm extensiv ausgelegt?
Lukas_Mengestu
28.10.2022, 12:24:32
Sehr guter Hinweis, Simon! Wir haben die Aufgabe an dieser Stelle präzisiert. Die Minderung ist in der Tat nicht ohne weiteres neben dem Schadensersatz anwendbar. § 325 BGB gilt weder direkt noch analog. Vielmehr muss man hier differenzieren: Die Erklärung der Minderung ist nach der Rechtsprechung bindend und schließt deshalb den „großen Schadensersatz“ (u.a. Rückgabe der Kaufsache + Erstattung des Kaufpreises sowie darüber hinausgehender Schäden) aus. Der Käufer kann sich also nicht mehr gänzlich vom Kaufvertrag lösen. Der „kleine Schadensersatz“ soll dagegen zulässig, soweit dem Käufer über den Minderungsbetrag hinaus noch Schäden entstanden sind (zB entgangener Gewinn). Dies ergebe sich daraus, dass die
Mängelrechtenach § 437 Nr. 2 BGB und § 437 Nr. 3 BGB mit der Konjunktion "und" verbunden seien (vgl. BGH NJW 2018, 2863 RdNr. 33). Ich hoffe, es wird jetzt klarer :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Ferigan030
8.7.2024, 18:19:56
Es soll die Behauptung bewertet haben, dass der Käufer "in jedem Falle" nach dem Ablauf einer Frist zur Nacherfüllung zwischen Schadensersatz, Rücktritt und Minderung wählen könne. Vorgesehen ist, diese Antwort "richtig" zu bewerten, sie ist jedoch tatsächlich nicht. Der Ablauf einer ggf. erforderlichen Nachfrist ist nur eine der Voraussetzungen für die nachrangigen Gewährleistunsgsrechte. Notwendig wären für einen Schadensersatz das Vertreten müssen, für einen Rücktritt die Erheblichkeit des Mangels. "In jedem Falle" kann der Käufer also nichts frei wählen.
as.mzkw
14.8.2024, 13:53:55
Dem schließe ich mich an, vielleicht sollte der Satz ergänzt werden um den Hinweis, dass etwaige Rechte dem Käufer zustehen, soweit auch die übrigen Anspruchs-Voraussetzungen vorliegen.