Strafrecht
BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.
Aussetzung, § 221 StGB
Versetzen in hilflose Lage 4
Versetzen in hilflose Lage 4
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T schaut tatenlos zu, wie ihr zwei Jahre altes Kind O auf die an das Grundstück angrenzende Hauptverkehrsstraße krabbelt.
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Einordnung des Falls
Versetzen in hilflose Lage 4
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat O durch aktives Tun "in eine hilflose Lage versetzt" (§ 221 Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hat O durch Unterlassen "in eine hilflose Lage versetzt" (§§ 221 Abs. 1 Nr. 1, 13 Abs. 1 StGB).
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
ehemalige:r Nutzer:in
30.7.2022, 17:38:04
Ist dadurch dann nicht auch zeitgleich §221 I Nr. 2 verwirklicht? Und wie sähe es aus, wenn A (der keine
Garantenstellungfür B hat) den B in eine hilfslose Lage versetzt und ihn dort im Stich lässt? Wäre dann ebenfalls §221 I Nr. 2 verwirklicht (Ingerenz)?
Nora Mommsen
3.8.2022, 14:18:57
Hallo Spyce, in der Tat ist es so, dass innerhalb des § 221 mit einer Aussetzung nach Abs. 1 Nr. 1 fast immer eine solche nach Abs. 1 Nr. 2 einher, weil die Tat, das Opfer in eine hilflose Lage zu versetzen, immer beistandspflichtig macht; Nr. 2 wird dann von Nr. 1 konsumiert. Bei Ingerenz oder anderer Beistandspflicht z.B. der eines Krankenpflegers ist bei der
Tathandlungdes Imstichlassens dann auch Nr. 2 verwirklicht. Viele Gürße, Nora - für das Jurafuchs-Team
YI
23.11.2024, 15:04:52
Ich bin etwas von der Formulierung des Maßstabs verwirrt. Dieser sagt ja dass eine
Garantenstellungdes Täters für das Unterlassen nach §13 I StGB erforderlich ist. Jedoch brauch ich diese
GarantenstellungiSd. §13 I StGB doch schon für den §221 StGB. Somit stellt diese keine spezielle Erforderlichkeit der
Garantenstellungbeim Unterlassen. Würde mich freuen wenn mir dass jemand erklären könnte :)
Lorenz
23.11.2024, 16:15:34
Da verwechselst du etwas. § 13 I StGB "macht" ein Delikt zu einem unechten Unterlassungsdelikt. Z.B. §§ 212, 13 ist
Totschlag durch Unterlassen.
Garantenstellungerforderlich. Daneben gibt es auch echte Unterlassungsdelikte wie § 323 c. Aber auch § 221 I Nr. 2 StGB. Bei diesen ist keine
Garantenstellungerforderlich.
Leo Lee
24.11.2024, 10:30:11
Hallo YI, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Wie Lorenz bereits zutreffend angemerkt hat, muss man bei 221 I zw. Nr. 1 und 2 unterscheiden. Bei Nr. 1 begeht man aktiv eine Versetzung in eine hilflose Lage; hier wird allerdings keine Garantestellung/Obhutspflicht oder sonst. Stellung wie bei Nr. 2 erfordert. Deshalb kann man diese Versetzung i.S.d Nr. 1 AUCH durch eine "normale" Unterlassung gem. 13 StGB begehen. Nr. 2 hingegen fordert von vornherein, dass den Täter eine bestimmte Pflicht (was auch, aber nicht nur, eine
Garantenstellungi.S.d. 13 StGB sein kann) trifft. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 4. Auflage, Hardtung § 221 Rn. 14 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
YI
24.11.2024, 13:26:25
Jetzt hab ich es verstanden! Vielen Dank für die schnelle Antwort!