Strafrecht

BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.

Diebstahl (§ 242 StGB)

Enklaventheorie | schwer transportierbare Gegenstände

Enklaventheorie | schwer transportierbare Gegenstände

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

T bricht am frühen Morgen in der Gärtnerei des O ein. Er verlädt einen Steingut-Topf in den Anhänger seines außerhalb des Gärtnereigeländes stehenden, abfahrbereiten Mofas und geht dann nochmal in die Gärtnerei, um nach weiterer Beute zu suchen. In diesem Moment kommt L vorbei, der das geöffnete Tor und den Topf auf dem Mofa-Anhänger sieht und einen Diebstahl vermutet. Er informiert die Polizei.

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Einordnung des Falls

Enklaventheorie | schwer transportierbare Gegenstände

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bereits unmittelbar mit dem Ergreifen auf dem Gelände des O hat T den Gewahrsam an dem Topf gebrochen und diesen somit weggenommen (§ 242 Abs. 1 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Gewahrsam ist die tatsächliche Sachherrschaft, die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragen wird und deren Grenzen und Reichweite sich nach der Verkehrsanschauung bestimmen. Nach der Apprehensionstheorie (Ergreifungstheorie) wird bereits mit dem Ergreifen in einer fremden Gewahrsamssphäre neuer Alleingewahrsam begründet. Diese findet jedoch nur bei kleinen, handlichen Gegenständen Anwendung, da stets erforderlich ist, dass das Wegschaffen der Sache problemlos möglich ist. Bei größeren Sachen, die nicht verborgen oder eingesteckt werden können, ist nach der Verkehrsanschauung die Sache innerhalb der Gewahrsamssphäre regelmäßig weiterhin dem ursprünglichen Inhaber zuzuordnen, da dem Wegschaffen noch wesentliche (potentielle) Hindernisse entgegenstehen.Insbesondere wäre es nicht sozial auffällig wenn der Inhaber der Gewahrsamssphäre auf die Sache zugreifen würde.
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2. Durch das Fortschaffen aus der Gewahrsamssphäre des O hat T dessen Gewahrsam gebrochen.

Ja!

OLG Karlsruhe: In dem Moment, als T den Topf auf seinen Anhänger außerhalb des Grundstücks brachte, standen dem Wegschaffen der Beute keinerlei Hindernisse mehr entgegen. Bei natürlicher Betrachtung konnte T nun sein Mofa besteigen und mit der Beute den Tatort verlassen, ohne dass der bisherige Gewahrsamsinhaber die Ausübung der Sachherrschaft des T an dem Topf noch hätte hindern können. Die Verkehrsanschauung ordnete in dieser Lage den Gewahrsam an dem Topf dem Besitzer des Mofas mit Anhänger und nicht mehr dem Gärtnereibetreiber zu. Nach der natürlichen Lebensauffassung war die Wegnahme damit vollendet.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BBE

bibu knows best

1.7.2022, 18:03:08

Könnte man nicht noch von gelockerten Gewahrsam des Inhabers ausgehen? Das Mofa stand doch in Nähe zur Gärtnerei?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

8.7.2022, 12:37:21

Hallo bibu knows best,

gelockerter Gewahrsam

kann angenommen werden, wenn dem Inhaber noch ein gewisser Zugriff auf den Gegenstand verbleibt - entweder weil er zum Beispiel einen Schlüssel zum geparkten Auto hat oder weil er weiß, wo genau er die Sache vergessen und liegen gelassen hat. Dadurch dass der Topf bereits außerhalb des Geländes war, standen T keine Hindernisse mehr im Weg den Topf mitzunehmen. In der Klausur kannst du das natürlich diskutieren und es kommt - wie immer - auf die konkreten Umstände des Sachverhalts an. Im vorliegenden Fall würden wir aber sagen, dass kein

gelockerter Gewahrsam

mehr vorliegt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

BL

Blotgrim

23.4.2023, 09:12:11

Liegt denn eine vollendete Wegnahme vor ? Den

Gewahrsamsbruch

könnte ich irgendwie noch nachvollziehen, aber die Gewahrsambegründung des Täters sehe ich noch nicht, da er direkt vor dem Gartenzenter nicht ungestört auf die Sache einwirken

Cosmonaut

Cosmonaut

1.2.2024, 18:29:35

@[Blotgrim](167544) Hey, ich stoß mal zur Diskussion an: ME ist die Gewahrsamsbegründung bei T dadurch erfolgt, dass er den Topf in SEINEN Anhänger, der VOR dem Grundstück des Inhabers steht, geladen hat. Plastischer wird es, wenn Du dir eine Mercedes V-Klasse mit offenem Kofferraum vorstellst (der auch beim Losfahren offen bleiben soll): Hier würde die Verkehrsauffassung auch vermuten, dass Kollege T hier SEINEN Topf wegfährt. MaW: Es kann keinen Unterschied machen, dass es sich hier um einen Mofa-Anhänger handelt, da Mofa und Anhänger vollkommen der Kontrolle des T. unterstehen. Gruß

nullumcrimen

nullumcrimen

22.5.2024, 23:01:17

Entspricht die Ergreifungstheorie dem Gedanken der

Gewahrsamsenklave

? Oder was genau ist da der Unterschied?

Maximilian Puschmann

Maximilian Puschmann

23.5.2024, 08:31:39

Hallo nullumcrimen, das ist richtig! Grundsätzlich bleibt es jedoch dabei, dass die neue Gewahrsamsbegründung nach der Verkehrsanschauung beurteilt wird. Dass schon das Ergreifen von unhandlichen Gegenständen, die man nicht schnell in sein "Gewahrsam" bringen kann, nach der Verkehrsanschauung keinen neuen Gewahrsam begründet, kann man also auch ohne das Schlagwort "Ergreifungstheorie" subsumieren. Viele Grüße Max – für das Jurafuchs-Team


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