Aufstiftung 1

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Der stadtbekannte Ganove T will den O verprügeln, da dieser seine Schulden nicht beglichen hat. T bespricht seinen Plan mit seiner guten Freundin A. Diese empfiehlt dem T einen Schlagring zu verwenden. Daraufhin verprügelt T den O unter Verwendung des Schlagrings. O erleidet schwere Knochenbrüche.

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Einordnung des Falls

Aufstiftung 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat sich wegen einer gefährlichen Körperverletzung ( §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 StGB) strafbar gemacht, indem er mit einem Schlagring auf den O einprügelte.

Genau, so ist das!

Eine Körperverletzung (§ 223 StGB) setzt entweder eine (1) körperliche Misshandlung oder eine (2) Gesundheitsschädigung voraus. Die Qualifikation der Waffe (§ 224 Abs.1 Nr. 2 Alt. 1 StGB) erfasst Waffen im technischen Sinn in Anlehnung an den umfangreichen Katalog des WaffG, d.h. Werkzeuge, die ihrer Natur nach dazu bestimmt sind, auf mechanischem oder chemischem Weg Verletzungen beizubringen. Indem T den O mit dem Schlagring verprügelt hat, hat er ihn übel und unangemessen behandelt und mit den Knochenbrüchen auch einen pathologischen Zustand hervorgerufen. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.2 WaffG gibt an, dass Schlagringe zu den verbotenen Waffen gehören.
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2. A hat den zur Begehung des Grunddelikts fest entschlossenen T dazu gebracht, eine Qualifikation zu erfüllen. Die rechtliche Behandlung einer solchen Aufstiftung ist umstritten.

Ja, in der Tat!

Nach der von der Rspr. und einem Teil der Literatur vertretenen Unwertsteigerungstheorie ist eine Anstiftung zur gesamten Tat möglich, wenn schon innerhalb eines Tatbestands der Unrechtsgehalt wesentlich erhöht wird. Dies bemisst sich nach normativen Kriterien (z.B. gefährliche Ausführungshandlung). Nach der Theorie von dem sog. analytischen Trennungsprinzip ist eine Anstiftung zur ganzen Tat nur möglich, wenn das „Mehr“, zu dem der Haupttäter bestimmt worden ist, einen selbständigen Tatbestand (aliud) erfüllt. Ansonsten kommt lediglich eine Strafbarkeit wegen psychischer Beihilfe (§ 27 StGB) in Betracht.

3. Nach der Theorie vom sog. analytischen Trennungsprinzip hat sich A wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung strafbar gemacht (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, 26 StGB).

Nein!

Diese Ansicht geht von der Überlegung aus, dass der Täter bezüglich des Grunddeliktes bereits fest entschlossen (omnimodo facturus) und eine Anstiftung zu einem „Mehr“ nur dann möglich ist, wenn dieser Teil auch eigenständig strafbar ist (ein aliud darstellt). Ist dies nicht der Fall, kann sich aber eine Strafbarkeit wegen psychischer Beihilfe (§ 27 StGB) ergeben.A hat T nicht zu einem eigenständigen Tatbestand angestiftet. Sie hätte sich hiernach aber wegen psychischer Beihilfe (§ 27 StGB) strafbar gemacht.Sofern das aliud keinen selbständigen Tatbestand darstellt, führt diese Ansicht zu Strafbarkeitslücken.

4. Nach der Unwertsteigerungstheorie hat sich A wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung strafbar gemacht (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, 26 StGB).

Genau, so ist das!

Nach der Unwertsteigerungstheorie könne die Qualifikation von dem Grunddelikt nicht isoliert werden und nehme dessen Unrecht mit auf. Die Steigerung zur Qualifikation verändere das Unrecht qualitativ und führe zu einer wesentlichen Unrechtssteigerung.Indem A den T zum Einsatz des Schlagrings gebracht hat, hat sie ihn zu einer gefährlicheren Ausführungsart bestimmt und so das Unrecht der Tat wesentlich erhöht. Das Kriterium der wesentlichen Unrechtserhöhung ist kein scharfes Abgrenzungskriterium und kann so zu Rechtsunsicherheit führen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CH1RON

CH1RON

10.5.2022, 08:55:39

Ahh, gegenüber den Aufgaben zur mittelbaren Täterschaft ist der Antworttext hier mittels Textboxen gegliedert - da sieht man erstmal, wie sehr man es vermisst hat! :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

10.5.2022, 09:15:51

Hallo CH1RON, wir sind bereits dabei auch die älteren Aufgaben mit Textboxen zu formatieren. Aber es freut uns, dass Dir diese gefallen :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

YO

yolojura

30.12.2022, 19:37:06

Wieso hat A hier nicht zu einen selbständigen Straftatbestand angestiftet? Liegt das an dem Qualifikationscharakter des 224?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

2.1.2023, 11:46:26

Hallo yolojura, danke für deine Frage. Es kommt ganz auf die Theorie an, der man folgt. Die Einordung einer sogenannten "

Aufstiftung

" also Begehung einer Qualifikation statt nur des Grunddelikts ist umstritten. Nach der analytischen Trennungstheorie liegt in der

Aufstiftung

kein eigenständiges Delikt, sodass lediglich die

psychische Beihilfe

in Betracht kommt. Nach anderer Ansicht erfüllt die

Aufstiftung

die Anstiftung zur Qualifikation. Dies wird in den letzten beiden Fragen dargestellt. :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Maximilian

Maximilian

2.1.2023, 16:01:07

Ich habe mich das auch gefragt und mir hat nochmal eine andere Erklärung aus dem Müko geholfen: Nach dem sogenannten „analytischen

Trennungsprinzip

“ will ein Teil der Literatur den Teilnehmer hingegen als Anstifter nur hinsichtlich solcher Tatbestandsteile beurteilen, zu deren Verwirklichung der Täter noch nicht entschlossen war. Wer bewirke, dass nicht nur ein Diebstahl, sondern ein Raub begangen wird, leiste Beihilfe zum Raub und stifte an zur Nötigung bzw. Körperverletzung. Wer bewirke, dass der zum Raub Entschlossene eine Schusswaffe bei sich führe, begehe eine Beihilfe zum schweren Raub (§ 250 Abs. 1 Nr. 1a) und gegebenenfalls eine Anstiftung zu einem Verstoß gegen das Waffengesetz. Sei das vom Teilnehmer bewirkte „Mehr“ nicht in einem selbstständigen Tatbestand erfassbar, liege lediglich eine Beihilfe vor.

Vincent

Vincent

30.6.2023, 13:39:05

Ist das analytische

Trennungsprinzip

oder die Unwertsteigerungstheorie vorzugswürdig ?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

1.7.2023, 12:43:21

Hallo Vincent, es sind beide Ansichten vertretbar. Die Rechtsprechung folgt der Unwertsteigerungstheorie. Da Klausuren oft auf Urteilen aufbauen, könnte es strategisch sinnvoll sein, dieser zu folgen. Es ist aber nicht zwingend, wenn du die andere überzeugender findest. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

FTE

Findet Nemo Tenetur

31.10.2024, 12:57:48

Wieso geht das analytische

Trennungsprinzip

mit einer Strafbarkeitslücke einher, wenn ihmgemäß jedenfalls aus § 27 bestraft wird?

LELEE

Leo Lee

3.11.2024, 05:37:57

Hallo Karolin, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Das mit der Strafbarkeitslücke ist dahingehend gemeint, dass aufgrund 27 nicht "vollständig" bestraft wird. Denn sobald man in die Beihilfe reinkommt, wird nicht mehr (anders 26) dem Täter gleich bestraft, sondern es wird obligatorisch gem. 27 II 2 gemildert. Hierdurch entsteht dann die "Lücke", weil nicht mehr "vollständig" bestraft wird :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

G0D0FM

G0d0fMischief

7.11.2024, 15:27:16

Hallo, würde das analytische

Trennungsprinzip

bei einer

Aufstiftung

zu einer Erfolgsqualifikation dann aber zum selben Ergebnis kommen wie die Unwertsteigerungstheorie? Oder macht es keinen Unterschied, ob die Qualifikation eine Erfolgsqualifikation darstellt?


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