Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2023
Verhinderter Kraneinsatz wegen Schlechtwetters – Anspruch auf Mietzahlung? (NJW-RR 2023, 332, beck-online)
Verhinderter Kraneinsatz wegen Schlechtwetters – Anspruch auf Mietzahlung? (NJW-RR 2023, 332, beck-online)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M bucht bei Kran-Karla (K) eine Krangestellung (Kran samt Kranführerin) zum Einsatz am Montag, 29.01.2020 im Zeitraum von 6-16 Uhr zum Preis von 8.000 Euro. Am 29.01. lässt K die Kräne bei M aufbauen. Wegen Sturmböen lässt K den Kran jedoch ohne Einsatz am Mittag wieder abbauen.
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Einordnung des Falls
Verhinderter Kraneinsatz wegen Schlechtwetters – Anspruch auf Mietzahlung? (NJW-RR 2023, 332, beck-online)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. M und K haben einen Mietvertrag über die Krangestellung geschlossen. Könnte K gegen M einen Anspruch auf Mietzinszahlung aus § 535 Abs. 2 BGB haben.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Anspruch nach § 535 Abs. 2 BGB setzt weiterhin voraus, dass der Vermieter dem Mieter die Sache vertragsgemäß zugänglich macht. Hat K der M den Kran i.S.v. § 535 Abs. 1 S. 1 BGB gemacht?
Nein, das ist nicht der Fall!
3. M könnte nach § 537 Abs. 1 S. 1 BGB dennoch zahlungspflichtig sein.
Ja, in der Tat!
4. Waren es die Kräne selbst, die nicht einsatzfähig waren?
Nein!
5. Die Anwendung des § 537 Abs. 1 S. 1 BGB scheitert bei fehlender Erfüllungsbereitschaft und -fähigkeit. War K erfüllungsbereit und -fähig?
Genau, so ist das!
6. Der Zahlungsanspruch könnte aber wegen Unmöglichkeit nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB entfallen.
Ja, in der Tat!
7. Vorliegend könnte die Unmöglichkeit zunächst im Hinblick auf den Inhalt des Vertrags (Vertragszweck) eingetreten sein.
Ja!
8. Die Unmöglichkeit könnte sich aber daraus ergeben, dass es sich um ein Fixgeschäft gehandelt hat. War die Leistungszeit nach dem Vertragsinhalt derart wichtig, dass die Krangestellung nur am 29.1.2020 erbracht werden konnte ?
Nein, das ist nicht der Fall!
9. Unterstellt, ein Kraneinsatz war wegen einschlägiger Unfallverhütungsvorschriften verboten. Wäre M dann gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 BGB von ihrer Zahlungspflicht frei geworden?
Nein, das trifft nicht zu!
10. K hat gegen M einen Anspruch auf Mietpreiszahlung in voller Höhe aus § 535 Abs. 2 BGB.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Rick-energie🦦
9.8.2024, 22:07:27
Die "Anmietung" eines Krans inkl. Kranführer ist m.E. nicht klassisch Miete, sondern einerseits Nutzungsermöglichung der Kranleistung zur Verbringung von Lasten und andererseits zur Verfügungstellung eines tauglichen Kranführers. Dass ohne größere Argumente rein Mietrecht angewendet wird, obwohl der Mieter den Kran ohne zugehöriges Personal nicht bedienen wird können (und wohl auch nicht darf?) und es dem Mieter mehr um die Leistung, nämlich das Verbringen der Lasten =Erfolg, gehen dürfte, und gar nicht um die Überlassung des Besitzes am Kran, fällt hier irw hintenüber. Nach Schwerpunkt- und Kombinationstheorie ist m.E. WerkR mindestens genau so sinnig anwendbar. What is ur idea on that?
Pp2
10.8.2024, 17:09:31
Mietvertrag kombiniert mit einem Dienstverschaffungsvertrag -> bzgl. des Kranführers daher schon gar kein Werkvertrag. Ohne in die Entscheidung geschaut zu haben, wird wahrscheinlich die Arbeitsanweisung von dem Mieter kommen etc., so dass dieser erst dann anweist welches "Werk" wenn man so will erbracht werden soll. Daher überwiegt vorliegend das Mietelement mit der Dienstverschaffung.
Tobias Krapp
12.8.2024, 10:08:20
Hallo Rick-energie, danke für die sehr berechtigte Nachfrage! Ein Vertrag über die Überlassung einer Maschine mit Stellung von Bedienungspersonal kann je nach Ausgestaltung des Vertrags als Mietvertrag verbunden mit einem Dienstverschaffungsvertrag, als Mietvertrag verbunden mit einem Dienst- oder Werkvertrag oder in vollem Umfang als Mietvertrag, Dienstvertrag oder Werkvertrag anzusehen sein. Maßgeblich ist, welche der Leistungen dem Vertrag das Gepräge geben. Ein Werkvertrag liegt vor, wenn der Überlassende auch für den Erfolg der von dem Bedienungspersonal zu verrichtenden Tätigkeit einzustehen hat. Dies ist typischerweise dann der Fall, wenn der Überlassende die notwendigen Handlungen selbst organisiert und das Weisungsrecht über das eingesetzte Personal besitzt. Dagegen liegt ein kombinierter Miet- und Dienstverschaffungsvertrag vor, wenn der Vorgang der Überlassung nur über einen gewissen Zeitraum andauern soll und das vom Vermieter gestellte Bedienungspersonal den Weisungen des Bestellers unterworfen ist. Da in einem solchen Fall die Durchführung der Arbeiten ausschließlich bei dem Besteller liegt, liegt kein Werkvertrag vor (vgl. zum ganzen BGH Urteil vom 28.01.2016 - I ZR 60/14). Laut Aufgabe sollte die Überlassung nur einen festgelegten Tag dauern und das Personal den Weisungen des M unterliegen. Damit liegt die Verantwortlichkeit und Organisation der Arbeiten beim M. K schuldet dagegen keinen bestimmten Arbeitserfolg, also gerade nicht das Verbringen der Lasten, sondern nur das "Zu-Verfügung-Stellen". Damit liegt kein Werkvertrag vor. Dennoch kann man das OLG Urteil, dem unser Fall hier nachgebildet ist, durchaus kritisieren: Das OLG spricht ohne nähere Begründung nur von einem „Mietvertrag“. Die Vorinstanz hatte noch einen kombinierten Miet- und Dienstverschaffungsvertrag angenommen. Das würde, wie Pp2 schon richtig geschrieben hat, auch eher dem dargestellten Maßstab entsprechen. Dann müsste man für den Weg zum Mietrecht noch die Hürde überwinden, welches Vertragsrecht auf den typengemischten Vertrag anwendbar ist (Stichwort Kombinationstheorie, Absorptionstheorie, Theorie der analogen Rechtsanwendung, Schwerpunkttheorie). Der Dienstverschaffungsvertrag ist nicht im BGB geregelt, womit die Anwendbarkeit von Mietrecht, ggf. modifiziert, auf den ganzen Vertrag bereits naheliegt.Die hM folgt außerdem grundsätzlich der Schwerpunkttheorie und zieht nur dort, wo die Eigenart des Vertrags es erfordert, Bestimmungen des Vertragsrechts des anderen Teils heran, vgl. BGH, Urteil vom 02.10.2019 – XII ZR 8/19. Bei einem gemischten Miet- und Dienstverschaffungsvertrags ist nicht primär Sinn und Zweck, dem Dritten Personal zu stellen, das er nach seinem Belieben einsetzen kann, sondern dem Dritten durch die Personalüberlassung überhaupt erst den Einsatz der Geräte oder Maschinen zu ermöglichen, die ihm zum Gebrauch überlassen werden, womit der Schwerpunkt in der Gebrauchsüberlassung liegt, vgl. BAG NZA 1993, 1125. Damit kann grundsätzlich einheitlich Mietrecht angewendet werden. Und dann ist man im Ergebnis auch wieder auf der Linie der OLG Lösung, bloß dogmatisch mE sauberer. Viele Grüße – für das Jurafuchsteam - Tobias
CR7
14.8.2024, 08:39:14
Danke für diesen sehr guten Fall. Ich wäre auf
§ 537 BGBehrlich gesagt nicht gekommen und hätte sofort auf § 275 BGB abgestellt. Daher gut, dass man das nochmal gelesen hat! :) Es fiel mir folgender Obersatz auf: "Der Zahlungsanspruch könnte aber wegen Unmöglichkeit nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB entfallen." Das ist meines Erachtens ungenau. Denn die Rechtsfolge des § 326 I S. 1 BGB ist nicht die Unmöglichkeit der Leistung, sondern die Befreiung von Gegenleistung beim Ausschluss der
Leistungspflichtaufgrund von Unmöglichkeit. Demnach müsste es heißen: "M könnte jedoch von der Gegen
leistungspflichtbefreit sein, wenn K gem. § 275 BGB nicht zu leisten braucht."
MenschlicherBriefkasten
17.8.2024, 12:00:51
Wäre hier nicht noch an eine
Störung der Geschäftsgrundlagezu denken/ diese zumindest anzuprüfen und im Ergebnis zu verneinen, da das schlechte Wetter in den Risikobereich der Mieterin fällt?
Vanilla Latte
18.8.2024, 01:29:56
Hätte ich auch gedacht, vor allem wenn man von einem Verbot bei solchem Wetter ausgeht. Erinnert mich an die Coronafälle.
einkatzenkoenig
21.9.2024, 14:21:33
Ich hätte Probleme damit, das in den Risikobereich der Mieterin einzuordnen. Mich erinnert das viel mehr an die Karnevalsumzüge (die ausfallen). Das normative Element dürfte hier erfüllt sein. Wäre der Rücktritt erklärt worden, wäre das mE sogar durchgegangen. Im Gegenzug hätte der Vermieter allerdings Wertersatz für das Aufstellen und Abbauen gekriegt (was mangels Einsatzes des Kranführers wohl weniger als die vereinbarte Miete gewesen wäre). Eine ordentliche Prüfung dessen wäre gut gewesen.
jenny24
17.8.2024, 13:18:22
Ich kann nach der bearbeitung nicht sagen, welche norm nun Anwendung fand? 537 oder 275??
Amelie
12.9.2024, 17:31:55
Ich fand diesen Fall auch sehr verwirrend. Der Vertiefungsvermerk lässt z.B. andeuten, dass man 326 vor 537 zu prüfen hat. Dies wird aber nicht getan. Ich bin auch beim Aufbau total verwirrt was denn jetzt wann zu prüfen ist. Könnte man den Fall nochmal aufarbeiten? Oder hat jemand vielleicht eine Idee wie eine Lösungsskizze zu diesem Fall aussehen würde? Danke im Voraus!
Amelie
12.9.2024, 17:37:40
Zu meinem Einwand ergänzend: Ich verstehe auch nicht ob/wie man zu dem Prüfungspunkt "Anspruch erloschen" kommen würde. Die Fragen lassen andeuten, dass der Anspruch noch nicht mal entstanden ist. Es wird gesagt, dass eine Voraussetzung die "Besitzverschaffung an der
Mietsache" ist. Dies wird dann aber verneint, weil die gebuchte Kranführerin nicht mit ihrer Arbeit begonnen hat und die Sache somit nicht zum "vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand" überlassen wurde.
Amelie
12.9.2024, 17:59:23
Im Internet (Jura Individuell) habe ich gesehen, dass sie in einer Falllösung den 537 als "Anspruchserhaltende Gegennorm" prüfen. Ich schaffe es aber nicht das Schema mit den Frage/Antworten hier richtig auszufüllen. Wie @[jenny24](201955) verstehe ich noch immer nicht welche Normen jetzt Anwendung finden. I. Anspruch entstanden 1. MietV geschlossen (+) 2. P: nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand II. Anspruch erloschen 1. Nicht wegen Erfüllung § 362 erloschen (+) 2. Könnte wegen § 326 erloschen sein a.
Synallagmatischer Vertrag (+) b.Befreiung von Haupt
leistungspflichtwegen § 275 aa. Unmöglichkeit im Hinblick auf den Inhalt des Vertrags (Vertragszweck) (-) bb. Unmöglichkeit wegen
Fixgeschäftcharakters (-) c. Keine Anspruchserhaltende Gegennorm § 537 III. Anspruch durchsetzbar
Law_yal_life
18.9.2024, 12:23:34
Ich verstehe diesen Fall überhaupt nicht… total verwirrt…
Medicus_2024
15.10.2024, 13:13:00
Liebe Amelie, Ich würde den Fall folgendermaßen aufbauen: I. Anspruch entstanden, 535 II 1. Mietvertrag (+) 2. Gebrauchsüberlassung (-), da Kranführerin nicht tätig werden möchte 3. Ausnahme nach 537 (anspruchserhaltende Norm insofern, dass K die Miete erhält, obwohl die Sache nicht an den Mieter überlassen wird) Vss: ein in der Person des M liegender Verhinderungsgrund: hierzu zählen nicht nur persönliche Gründe, wie zB Krankheit oder Tod des Mieters, sondern allgemein Umstände, die in den Risikobereich des Mieters fallen. Das Risiko, aus Witterungsgründen keinen Gebrauch von der
Mietsachemachen zu können, trägt wohl der Mieter (OLG mit Verweisen auf die Kommentarliteratur). 4. Zwischenergebnis: Anspruch entstanden (+) wegen 537 II. Anspruch erloschen nach 326 I 1 1. Unmöglichkeit der Leistung nach 275 I-III a. Wegfall des Vertragszwecks (-) b. Unmöglichkeit wegen Zeitablaufs,
absolutes Fixgeschäft(-), die Leistung (=Gebrauchsüberlassung) kann nachgeholt werden c. Unmöglichkeit wegen Unfallverhütungsvorschriften: wird wohl nur hypothetisch geprüft, in jedem Fall aber 326 II 1 Alt. 1, gilt für a.-c.: sollte Unmöglichkeit nach 275 vorliegen, bleibt der Anspruch auf die Miete dennoch nach 326 II 1 Alt. 1 (analog) erhalten, weil M das Risiko des Leistungshindernisses zu tragen hat. Hier findet sich die Wertung aus 537 wieder. 2. Zwischenergebnis: Anspruch nicht nach 326 I 1 erloschen III. Anpassung oder Rücktritt nach 313 (-), das Witterungsrisiko hat M zu tragen, auch hier wieder die Wertung des 537 IV. Ergebnis: Anspruch aus 535 II iVm 537 (+) So wird denke ich ein Schuh draus :)