+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die schwedische Klimaaktivistin und Schülerin G (14 Jahre) ist vor kurzem von Schweden nach Deutschland gezogen und möchte während des Unterrichts eine Klima-Demo an ihrer staatlichen Schule durchführen. Direktor D untersagt die Demo auf Grundlage des entsprechenden Gesetzes.

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Einordnung des Falls

Schüler

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) gilt nach ihrem Wortlaut zunächst nur für Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit.

Ja, in der Tat!

Bei der Versammlungsfreiheit handelt es sich um ein sogenanntes „Deutschen-Grundrecht“, das nach seinem Wortlaut Deutschen im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG zusteht. Die „Deutschen-Grundrechte“ des GG sind nach einer Ansicht jedoch – über den Wortlaut hinaus – ebenfalls auf Bürger anderer EU-Mitgliedstaaten anwendbar, und zwar zur Durchsetzung der effektiven Wirkung des Unionsrechts (effet utile) sowie zur Gewährleistung des unionsrechtlichen Diskriminierungsverbot (Art. 18 Abs. 1 AEUV). Schwedin G kann sich daher als Staatsangehörige eines europäischen Mitgliedsstaats auf das „Deutschen-Grundrecht“ aus Art. 8 Abs. 1 GG berufen. Eine andere Ansicht wendet „Deutschen-Grundrechte“ aufgrund des klaren Wortlauts nicht auf EU-Bürger an. Stattdessen wird die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) herangezogen. Im Rahmen der Rechtfertigung wird jedoch das höhere Schutzniveau des jeweiligen „Deutschen-Grundrechts“ als Maßstab genommen und so für EU-Bürger ein de facto gleiches Schutzniveau erreicht.
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2. G ist minderjährig. Scheidet damit ein Schutz durch die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) aus?

Nein!

Träger der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) sind alle natürlichen Personen, auch Kinder. Diese sind ab ihrer Geburt grundrechtsfähig. Das bedeutet, sie selbst sind Träger ihrer Grundrechte. Dabei sind insbesondere Schüler unabhängig von einer spezifischen Altersgrenze grundrechtsfähig und grundrechtsmündig, d.h. in der Lage, ihr Grundrecht auch wahrzunehmen. Schülerin G kann sich somit auch als Minderjährige auf die Versammlungsfreiheit berufen (Art. 8 Abs. 1 GG).

3. G steht als Schülerin in einem Sonderstatusverhältnis zur Schule. Ist deshalb eine Anwendung der Grundrechte in diesem Verhältnis ausgeschlossen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Lehre vom Sonderstatusverhältnis vertritt die Annahme, dass eine besondere Beziehung zwischen Bürger und Staat in verschiedenen Sonderbereichen der Verwaltung besteht, die durch eine besondere Nähe geprägt ist. Daher finden die Grundrechte dort keine Anwendung und belastende Maßnahmen stehen nicht unter dem Vorbehalt des Gesetzes . Gemeinhin wird diese Lehre vom Sonderstatusverhältnis jedoch mittlerweile abgelehnt. G ist zwar als Schülerin Teil des staatlichen Schulbetriebs und steht daher in einem besonderen Näheverhältnis zum Staat. Da die Lehre vom Sonderstatusverhältnis jedoch mittlerweile abgelehnt wird, gelten die Grundrechte (hier die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG) trotzdem.
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