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Die Bundesregierung

Misstrauensvotum – Können Mitglieder des Bundestags einen Bundesminister „stürzen“?

Misstrauensvotum – Können Mitglieder des Bundestags einen Bundesminister „stürzen“?

2. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bundeskanzler O hat nach seiner Wahl die Bundesminister und Bundesministerinnen der neuen Regierung bestimmt. Nachdem Minister C ständig Gesetzesvorhaben des Parlaments blockiert, fragt sich Abgeordnete A, wie man C „loswerden“ könnte.

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Einordnung des Falls

Misstrauensvotum – Können Mitglieder des Bundestags einen Bundesminister „stürzen“?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Bundesminister werden durch die Abgeordneten des Bundestags bestimmt und können daher auch durch diese „abgewählt“ werden (vgl. Art. 64 Abs. 1 GG).

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach Art. 64 Abs. 1 GG bestimmt der Bundeskanzler die Bundesminister. Daraufhin ernennt der Bundespräsident die Bundesminister. Der Bundestag wählt nur den Bundeskanzler. Die Abgeordneten des Bundestags haben also auf die Bestimmung der Bundesminister nur mittelbaren Einfluss. Zudem sieht das Grundgesetz auch keine Möglichkeit vor, dass der Bundestag einzelne Bundesminister direkt „abwählt“.
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2. Bundesminister C könnte sein Amt dadurch verlieren, dass der Bundespräsident den C auf Os Veranlassung entlässt (Art. 64 Abs. 1 GG).

Ja, in der Tat!

Der Bundespräsident ernennt und entlässt die Bundesminister auf Vorschlag des Bundeskanzlers (Art. 64 Abs. 1 GG). Danach können einzelne Bundesminister nur auf Initiative des Bundeskanzlers entlassen werden. Darüberhinaus endet die Amtszeit aller Bundesminister, wenn die Amtszeit des Bundeskanzlers endet (Art. 69 Abs. 2 GG). Die Bundesminister sind insofern abhängig vom Bundeskanzler.Bundeskanzler und Bundesminister bilden zusammen die Bundesregierung (Art. 62 GG). Der Bundeskanzler ist die zentrale Figur der Bundesregierung. Dies wird vor allem durch die in Art. 65 S. 1 GG normierte Richtlinienkompetenz des Kanzlers deutlich.

3. Abgeordnete A fragt sich, ob es einen mittelbaren Weg gibt, C zu „stürzen“, und erinnert sich an die Möglichkeit eines Misstrauensvotums. Regelt Art. 67 GG das sog. „konstruktive Misstrauensvotum“?

Ja!

Nach Art. 67 GG kann das Parlament (= der Bundestag) dem Bundeskanzler sein „Misstrauen aussprechen“. Dadurch verliert der Bundeskanzler sein Amt und mit ihm auch alle Bundesminister (Art. 69 Abs. 2 GG). Die Bundesminister verlieren nach Art. 69 Abs. 2 GG auch ihr Amt, wenn der Bundeskanzler sich vom Bundespräsidenten entlassen lässt (= Beendigung der Amtszeit durch Rücktritt). Eine Möglichkeit, dass das Parlament einzelne Bundesminister über das Misstrauensvotum (direkt) „abwählt“, gibt es hingegen nicht. Der Bundestag, dessen Mitglied A ist, kann nicht direkt erreichen, dass C aus seinem Amt entlassen wird. Dies wäre nur möglich, wenn der Bundestag über Art. 67 Abs. 1 GG einen neuen Bundeskanzler bestimmt. Dann würde aber nicht nur C sein Amt verlieren, sondern alle Bundesminister und Bundesministerinnen. Das Misstrauensvotum nach Art. 67 Abs. 1 GG ist „erfolgreich“, wenn die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages für einen neuen Bundeskanzler stimmt und der Bundespräsident auf das Ersuchen des Parlaments den alten Bundeskanzler entlässt. Dazu später mehr!

4. A will nicht die gesamte Regierung „stürzen“ (vgl. Art. 67 GG). Regelt das Grundgesetz die Möglichkeit eines Misstrauensvotums gegen einen einzelnen Minister?

Nein!

Das Grundgesetz enthält keine ausdrückliche Möglichkeit, wonach das Parlament sein Misstrauen gegenüber einzelner Bundesminister ausdrücken kann. In der Praxis gibt es allerdings das sog. „schlichte“ Misstrauensvotum. Dieses bezeichnet aber lediglich einen einfachen Antrag aus den Reihen des Bundestages, durch den dieser einem Minister sein Misstrauen ausspricht. Darauf folgt aber keine Rechtspflicht zum Rücktritt des Ministers oder zur Veranlassung der Entlassung durch den Bundeskanzler. Es handelt sich also nur um ein politisches Instrument. Der Bundeskanzler kann aus einem solchen Antrag natürlich seine Schlüsse ziehen und die Entlassung des Bundesminister in die Wege leiten (Art. 64 Abs. 1 GG ). Es ist zwar umstritten, ob solche in der Verfassung nicht vorgesehenen Anträge überhaupt zulässig sind. Sie wurden aber tatsächlich bereits wiederholt zur Abstimmung des Bundestages gestellt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

Jojo23

11.11.2024, 19:53:25

Aber ein Misstrauensvotum ohne Abgangspflicht bzw. ein Missbiligungsvotum gegen einen Minister ist möglich?

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

13.11.2024, 10:47:44

Hey @[Jojo23](188118), danke für deine Frage. In der Tat gibt es das sog. „schlichte“ Misstrauensvotum. Dieses ist aber nicht im Grundgesetz vorgesehen, sondern bezeichnet lediglich einen einfachen Antrag aus den Reihen des Bundestages, durch den dieser einem Minister sein Misstrauen ausspricht. Darauf folgt aber keine Rechtspflicht zum Rücktritt durch den Minister selbst oder zur Veranlassung der Entlassung durch den Bundeskanzler. Es ist zwar umstritten, ob solche in der Verfassung nicht vorgesehenen Anträge überhaupt zulässig sind. Sie wurden jedoch wiederholt zur Abstimmung des Bundestages gestellt. Eine Übersicht über die gestellten Anträge (und ihre Gründe) findest du hier: https://www.bundestag.de/resource/blob/196266/eacefd4c9c33d19089a494f3daea8425/Kapitel_06_15_Missbilligungs-_und_Entlassungsantr__ge.pdf Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

PAUL1

paul1ne

11.11.2024, 21:00:15

Irgendwie kommen mir die Figuren vage bekannt vor…😉 Großes Lob!😊

JI

Jimmy105

12.11.2024, 12:39:27

Das i-Tüpfelchen wäre gewesen, wenn C ein "klein-kariertes" Hemd tragen würde... 😄

fuchs_

fuchs_

12.11.2024, 13:54:48

Ich finde die Zeichnung auch sehr gelungen!

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

13.11.2024, 07:36:13

Hallo paul1ne, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Christian Leupold-Wendling, für das Jurafuchs-Team

FTE

Findet Nemo Tenetur

17.11.2024, 21:30:38

Ich habe leider nicht ganz verstanden, wie/von wem das Misstrauensvotum in die Wege geleitet wird. Bei Art. 68 I 1 GG ist es bzgl. der

Vertrauensfrage

ja explizit benannt, Art. 67 I GG kann ich das aber irgendwie nicht direkt entnehmen.

LEO12

Leo123!

18.11.2024, 20:10:39

Eigentlich lässt sich deine Frage mit dem Wortlaut von Art. 67 I 1 GG (=

konstruktives Misstrauensvotum

)beantworten. D.h. der Bundestag kann dem Bundeskanzler das Misstrauen nur dadurch aussprechen, dass er (=Bundestag) mit der Mehrheit (vgl. hierzu Art. 121 GG) seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt ( also einen neuen Bundeskanzler). Hierfür ist ebenfalls das Ersuchen des Bundespräsidenten erforderlich, welcher dem Ersuchen der Mehrheit des Bundestages entsprechen und den amtierenden Bundeskanzler entlassen muss. Hoffe, dass ich helfen konnte :)

FTE

Findet Nemo Tenetur

18.11.2024, 20:20:46

Danke @[Leo123!](264218) Wenn ich dich richtig verstehe, zielt deine Erklärung auf den Ablauf des Misstrauensvotums selbst ab, der sich in der Tat dem Art. 67 I 1 GG entnehmen lässt. Meine Frage ging in eine andere Richtung: Wie sieht der Weg dahin aus, also etwa: wer kann den Antrag für ein Misstrauensvotum stellen etc. Habe nun aber Antwort im Kommentar gefunden: "Das Verfahren, das im GG nicht weiter geregelt ist, wird geschäftsordnungsrechtlich in § 97 GO-BT ausgestaltet. Mindestens ein Viertel der Mitglieder des Bundestages (bzw. einer Fraktion in dieser Stärke) – ein dem Quorum für die Kanzlerwahl entsprechende Anzahl (§ 4 GO-BT) – muss danach zunächst zur Verfahrenseinleitung einen Antrag stellen.” (BeckOK GG/Pieper, 59. Ed. 15.9.2024, GG Art. 67 Rn. 5.1, beck-online)


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