Öffentliches Recht

Staatsorganisations-Recht

Die Bundesregierung

Konstruktives Misstrauensvotum (Art. 67 GG) – Voraussetzungen

Konstruktives Misstrauensvotum (Art. 67 GG) – Voraussetzungen

2. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Weil Bundeskanzler O die andauernde Regierungskrise nicht in den Griff bekommt, sind einige Abgeordnete aus dem Bundestag der Meinung, es sei an der Zeit, dass O „abdankt“.

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Einordnung des Falls

Konstruktives Misstrauensvotum (Art. 67 GG) – Voraussetzungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Bundestag kann nach Art. 67 GG einfach beschließen, dass sich die aktuelle Regierung auflösen muss.

Nein, das trifft nicht zu!

Das Grundgesetz sieht kein „Selbstauflösungsrecht“ des Parlaments vor. Der Bundestag kann eine neue Regierungsbildung nach Art. 67 GG nur dadurch erreichen, dass er einen neuen Bundeskanzler bzw. eine neue Bundeskanzlerin wählt (Art. 67 Abs. 1 GG). Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Bundestag die aktuelle Regierung nicht einfach „auflösen“ können soll, ohne sich zugleich auf eine neue Person für das Amt des Bundeskanzlers zu einigen. Die Auflösung soll nicht im „luftleeren Raum“ stehen. Daraus erklärt sich auch die Bezeichnung als konstruktives Misstrauensvotum. Dies basiert auch auf negativen Erfahrungen mit häufigen Parlamentsauflösungen in der Weimarer Republik.
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2. Ist es für ein erfolgreiches Misstrauensvotum nach Art. 67 Abs. 1 GG ausreichend, wenn sich ein Viertel der Mitglieder des Bundestags auf einen neuen Bundeskanzler einigt?

Nein!

Der „Sturz“ eines regierenden Bundeskanzlers über das konstruktive Misstrauensvotum nach Art. 67 Abs. 1 GG (und damit auch der „Sturz“ gesamten Regierung, Art. 69 Abs. 2 GG) hat die folgenden Voraussetzungen: (1) Wahl eines neuen Bundeskanzlers durch die absolute Mehrheit der Mitglieder des Bundestages und (2) Ernennung des neuen Kanzlers durch den Bundespräsidenten. Die Wahl des neuen Bundeskanzlers wird durch einen Antrag in die Wege geleitet. Dieser muss von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Bundestags oder einer Fraktion, die mindestens ein Viertel der Mitglieder des Bundestags umfasst, unterzeichnet werden (§ 97 Abs. 1 S. 1, S. 2 GO-BT). Zwischen dem Antrag und der Wahl müssen 48 Stunden liegen (Art. 67 Abs. 2 GG). Die Wahl des neuen Bundeskanzlers ist zugleich die Kundgebung des Misstrauens. Der Antrag lautet daher, der Bundestag möge dem bisherigen Bundeskanzler das Misstrauen aussprechen und den Kandidaten X zum Bundeskanzler wählen (vgl. § 97 Abs. 1 S. 2 GO-BT).

3. Die auf einen Antrag i.S.v. Art. 67 GG folgende Wahl des neuen Bundeskanzlers erfolgt durch Handzeichen der Abgeordneten (vgl. §§ 97 Abs. 2 S. 1, 49 Abs. 1 S. 1 GO-BT).

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Geschäftsordnung des Bundestags (GO-BT) konkretisiert die Aufgaben und Befugnisse des Bundestags, die im Grundgesetz verankert sind. Sie enthält auch nähere Bestimmungen zum konstruktiven Misstrauensvotum. § 97 Abs. 1 GO-BT regelt, durch wen und auf welche Weise der Antrag nach Art. 67 Abs. 1 GG gestellt werden muss. Zudem regelt § 97 Abs. 2 S. 1 GO-BT, dass die Wahl in einem Wahlgang mit verdeckten Stimmzetteln erfolgt. Dies bedeutet, dass die Abstimmung geheim stattfindet (§ 47 Abs. 1 S. 1 GO-BT).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

Jojo23

11.11.2024, 19:21:25

Gemäss 97 GOBT kann auch eine Fraktion, die mindestens ein Viertel der Mitglieder des Bundestages umfaßt den Antrag stellen. In

Art. 67 GG

wird die Mehrheit der Mitglieder des BT verlangt. Würde 97 GOBT im Zweifel zurückstehen (da das GG höherrangiger ist) sodass man doch die Mehrheit der BT Mitglieder braucht?

FTE

Findet Nemo Tenetur

17.11.2024, 21:42:35

Ich verstehe nicht so recht, wieso die Frage, ob der Bundestag die Regierung gem.

Art. 67 GG

mit “falsch” zu beantworten ist. Denn wenn der Kanzler geht, gehen doch gem. Art. 69 II GG auch die Minister, also die Regierung. Wie könnte denn ein

konstruktives Misstrauensvotum

(bei dem das Misstrauen ausgesprochen wird) nicht zu einem “Sturz” der gesamten Regierung führen?

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

18.11.2024, 23:15:24

Hallo @[Findet Nemo Tenetur](254807), danke für Deine Nachfrage. Deine Feststellungen sind völlig richtig. Allerdings zielte die erste Frage in diesem Fall gerade darauf ab, den Unterschied zwischen einem schlichten „Selbstauflösungsrecht“ des Parlaments und dem konstruktiven Misstrauensvotum nach

Art. 67 GG

aufzuzeigen. Der Bundestag hat gerade nicht die Befugnis, einfach zu beschließen, dass sich der

Bundestag auflösen

muss. Der Bundestag kann vielmehr „indirekt“ den alten Bundeskanzler (und damit, wegen Art. 69 Abs. 2 GG auch die Bundesminister) „abwählen“, indem die Abgeordneten einen neuen Bundeskanzler wählen. Hierin unterscheidet sich die Auflösungsmöglichkeit durch das KONSTRUKTIVE Misstrauensvotum von dem des (desktruktiven) Misstrauensvotums aus der Weimarer Republik: Hier konnte sich das Parlament wirklich schlicht auflösen, was zu großer politischer Instabilität geführt hat. Auf diesen feinen, aber entscheidenden Unterschied wollten wir euch mit der Frage hinweisen. Beachte bei der Gelegenheit, dass die Auflösung nicht dazu führt, dass sich der gesamte

Bundestag auflösen

, sondern lediglich, dass sich eine neue Regierung bilden muss. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Rechtsfolge bei einer negativ beantworteten

Vertrauensfrage

: In diesem Fall kann der Bundeskanzler den Bundespräsidenten bitten, den Bundestag aufzulösen, Art. 68 Abs. 1 GG. Ich hoffe, ich konnte dir damit weiterhelfen. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs–Team

FTE

Findet Nemo Tenetur

19.11.2024, 22:52:33

Super, danke für die Erklärung!


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