Öffentliches Recht

Staatsorganisations-Recht

Die Bundesregierung

(Vorzeitige) Beendigung einer Regierung – Rücktritt des Bundeskanzlers

(Vorzeitige) Beendigung einer Regierung – Rücktritt des Bundeskanzlers

2. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bundeskanzler K ist in einen Skandal verwickelt, der das Vertrauen in ihn stark beeinträchtigt. Auf das Drängen seiner Parteihin entscheidet er sich, vom Amt des Bundeskanzlers zurückzutreten. Sein Assistent A soll den Rücktritt vorbereiten.

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Einordnung des Falls

(Vorzeitige) Beendigung einer Regierung – Rücktritt des Bundeskanzlers

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A ist verwirrt, weil er im Grundgesetz nichts zum Rücktritt des Bundeskanzlers findet. Ist dieser ausdrücklich in Art. 63 GG geregelt?

Nein!

Der Rücktritt des Bundeskanzlers ist im Grundgesetz nicht explizit normiert, da der Parlamentarische Rat dies als selbstverständlichen Vorgang betrachtete, der keiner detaillierten Regelung bedarf. In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sind bislang drei Bundeskanzler von ihrem Amt zurückgetreten: Konrad Adenauer im Jahr 1963, Ludwig Erhard 1966 und Willy Brandt 1974.
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2. Der Bundespräsident ernennt den Bundeskanzler sowie die Bundesminister und entlässt die Bundesminister (Art. 63 Abs. 1, Art. 64 Abs. 1 GG).

Genau, so ist das!

Die Ernennung des Bundeskanzlers und der Bundesminister ist im Grundgesetz ausdrücklich geregelt (Art. Art. 63 Abs. 1, Art. 64 Abs. 1 GG) – im Gegensatz zum Rücktritt. Es ist allerdings anerkannt, dass der Bundeskanzler den Bundesminister um seine Entlassung bitten muss, wenn er zurücktreten möchte. Der Bundespräsident ist in diesem Fall allerdings verpflichtet, dem Rücktrittsgesuch stattzugeben und den Kanzler zu entlassen. Dies entspricht dem verfassungsrechtlichen Prinzip der freien Amtsübernahme. Mit anderen Worten: Niemand soll ein Amt ausüben, welches er nicht möchte. Diese Regelungen gelten gleichermaßen für den Fall, dass ein Bundesminister freiwillig zurücktritt.

3. Die Möglichkeit des Rücktritts ist im Grundgesetz nicht ausdrücklich normiert. Gibt es dagegen eine Norm, die die Form der Rücktrittserklärung festlegt?

Nein, das trifft nicht zu!

Das Grundgesetz enthält keinerlei Regeln zu einem Rücktritt eines Regierungsmitglieds. In der Praxis erfolgt der Rücktritt i.d.R. durch ein formelles Schreiben des Bundeskanzlers an den Bundespräsidenten, in dem er seinen Rücktritt erklärt. Zudem ist es üblich, dass der Bundeskanzler sein Rücktrittsgesuch auch persönlich dem Bundespräsidenten überreicht und mit ihm bespricht. Der Rücktritt wird erst mit der Entlassung durch den Bundespräsidenten wirksam - bis dahin muss der Bundeskanzler die Amtsgeschäfte weiterführen. Eine bestimmte Form oder Frist für die Entlassung durch den Bundespräsidenten ist ebenfalls nicht vorgeschrieben, sie erfolgt aber in der Regel zeitnah durch Aushändigung der Entlassungsurkunde.

4. Aus Art. 64 Abs. 1 GG ergibt sich, dass der Bundespräsident den Bundeskanzler auch gegen dessen Willen aus dem Amt entlassen darf.

Nein!

Der Bundespräsident kann zwar den Bundeskanzler entlassen, sofern der Bundeskanzler ihn darum ersucht (= Rücktritt). Er kann den Kanzler aber nicht eigenständig „absetzen“. Auch einen Bundesminister kann der Bundespräsident nur entlassen, wenn der Bundeskanzler ihn darum bittet (Art. 64 Abs. 1 GG). Der Reichspräsident (= Bundespräsident) hatte in der Weimarer Republik weitreichende Befugnisse. So konnte er z.B. den Reichskanzler (= Bundeskanzler) ernennen und entlassen, ohne dass er dazu die Zustimmung des Parlaments brauchte. Zudem konnte er den Reichstag (= Bundestag) auflösen und Notverordnungen (Art. 58 WRV) erlassen. Diese Machtfülle führte in der Endphase der Weimarer Republik unter Hindenburg zu einer Präsidialdiktatur und erleichterte letztlich die Machtergreifung der Nationalsozialisten. Aus diesem Grund hat (insbesondere) der Bundespräsident nach dem GG eingeschränktere Befugnisse.
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