Standardfall der isolierten Anfechtungsklage
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Sportsfreundin S beantragt eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Fitnessstudios. Die zuständige Behörde erteilt die Genehmigung unter der Maßgabe, dass S zwanzig Stellplätze für Fahrzeuge vor dem Studio baut. S lehnt die Fortbewegung mit dem Auto aus Fitnessgründen ab.
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Einordnung des Falls
Standardfall der isolierten Anfechtungsklage
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagt S. Statthaft ist die Anfechtungsklage, wenn S den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Verwaltungsakte können mit sog. Nebenbestimmungen erlassen werden. Diese müssen von Inhaltsbestimmungen abgegrenzt werden.
Ja, in der Tat!
3. Die Regelung über den Parkplatzbau ist eine Inhaltsbestimmung.
Nein!
4. Die Frage, ob eine Nebenbestimmung unabhängig vom Hauptverwaltungsakt angefochten werden kann (= isolierte Anfechtbarkeit), ist umstritten.
Genau, so ist das!
5. Für die Ansicht des BVerwG und der hL spricht der Wortlaut des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO ("soweit").
Ja, in der Tat!
6. Nach Ansicht des BVerwG ist die isolierte Anfechtungsklage bei Nebenbestimmungen ausnahmslos statthaft.
Nein!
7. S kann die Bestimmung zum Parkplatzbau isoliert anfechten.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Lena
11.1.2024, 11:01:36
Ist das noch aktuell? Ich meine, dass es Ende 2022 eine Entscheidung vom BVerwG gab und die Möglichkeit der isolierten Anfechtbarkeit seitdem eben nicht mehr von der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit des übrigen Verwaltungsaktes abhängig ist.
YU
13.1.2024, 14:08:22
Hier wird ja der Grundfall behandelt (Statthaftigkeit der AK (-), wenn VA rechtswidrig wird aufgrund Wegfall der
Nebenbestimmung) und daran ändert mE der BVerwG-Beschluss (Beschl. v. 12.10.2022 -BVerwG 8 AV 1.22) nichts. Der Streit zwischen dem 4. und dem 8. Senat ging über die Frage, ob dieser Grundfall auch gilt, wenn der verbleibende VA (offensichtlich) rechtswidrig ist, auch wenn die Rechtswidrigkeit nicht durch den Wegfall der
Nebenbestimmungausgelöst ist. MaW sind sich beide Senate einig gewesen, dass der VA nicht rechtswidrig sein darf, damit die
Nebenbestimmungangefochten werden kann. Sie waren sich aber nicht einig darüber, ob der Wegfall der
Nebenbestimmungkausal für die Rechtswidrigkeit des VA sein muss oder der verbleibende Verwaltungsakt unter allen Gesichtspunkten rechtmäßig sein muss. Der 8. Senat folgte bis zum Beschluss Letzterem und lehnte die Statthaftigkeit ab, wenn der VA aus welchen Gründen auch immer schon rechtswidrig war. Diese Ansicht hat er im Beschluss aufgegeben. Auf https://www.juwiss.de/61-2022/ wurde die Argumentation des 4. Senats ganz gut zusammengefasst.
YU
13.1.2024, 14:41:32
Sorry, ich hab hier groben Unsinn geschrieben: Der Beschluss hat auf die Richtigkeit dieses Falls hier keine Auswirkung, denn es geht hier um die „prozessuale“ und nicht um die „materielle“ Teilbarkeit von
Nebenbestimmungen. Die „prozessuale“ Teilbarkeit, welche in diesem Fall hier behandelt wird, meint die Frage der isolierten Anfechtung der
Nebenbestimmungi.R.d. Statthaftigkeit. Da gilt: Isolierte Anfechtbarkeit (+), soweit die isolierte Aufhebung nicht offenkundig von vornherein ausscheidet oder ein VA mit einem ganz anderen Inhalt entstünde. Der Beschluss und die Meinungsverschiedenheiten zwischen 4. und 8 Senat behandelten die Frage der „materiellen“ Teilbarkeit i.R.d. Begründetheitsprüfung.