Öffentliches Recht
Grundrechte
Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 GG)
Kopftuch 4: Erzieherin mit Kopftuch
Kopftuch 4: Erzieherin mit Kopftuch
1. Juli 2025
9 Kommentare
4,7 ★ (23.591 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Erzieherin E ist muslimischen Glaubens und trägt während ihrer Arbeit in einer kommunalen Kindertagesstätte aus religiösen Gründen ein Kopftuch. Chef C mahnt E mit Verweis auf § 7 des Kindertagesbetreuungsgesetzes ab, welches ein Neutralitätsgebot für Kindertagesstätten postuliert. E klagt erfolglos auf Entfernung der Abmahnung aus ihrer Akte und zieht sodann vor das BVerfG.
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Einordnung des Falls
Kopftuch 4: Erzieherin mit Kopftuch
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Das BVerfG überprüft als letzte Instanz die ordnungsgemäße Anwendung des einfachen Rechts durch die Fachgerichte.
Nein, das trifft nicht zu!
2. Die Abmahnung gegenüber E stellt einen Eingriff in den Schutzbereich ihrer Glaubensfreiheit dar.
Ja!
3. Die Untersagung des Tragens eines Kopftuchs im Dienst stellt laut BVerfG einen schwerwiegenden Eingriff in Es Glaubensfreiheit dar.
Genau, so ist das!
4. § 7 des Kindertagesbetreuungsgesetzes, welches ein Neutralitätsgebot für Kindertagesstätten postuliert, stellt eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für den Eingriff in Es Glaubensfreiheit dar.
Ja, in der Tat!
5. Das BVerfG muss im Rahmen der Rechtfertigung Es Glaubensfreiheit mit der negativen Glaubensfreiheit der betreuten Kinder, dem staatlichen Neutralitätsgebot und dem elterlichen Erziehungsrecht in Einklang bringen.
Ja!
6. Der Eingriff in Es Glaubensfreiheit wiegt so schwer, dass eine Abwägung im Einzelfall nicht notwendig ist.
Nein, das ist nicht der Fall!
7. Die negative Glaubensfreiheit der Kinder ist durch das Kopftuchtragen der E betroffen, da sie vor Konfrontation mit anderen Religionen schützt.
Nein, das trifft nicht zu!
8. Der Grundsatz staatlicher Neutralität verbietet die Zurschaustellung jedweder Religionen im staatlichen Bereich, wie etwa einer kommunalen Kindertagesstätte.
Nein!
9. Die Abmahnung der E ist im Ergebnis verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
Nein, das ist nicht der Fall!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
TomBombadil
6.6.2024, 20:34:28
Wie würde es sich mit hier dem Argument verhalten, dass sich Personen der Berührung mit der Religion nicht entziehen können? Ich meine, dass dies in einem Kopftuchfall (dann allerdings im Rahmen der Rechtsprechung) von Bedeutung war ...
Dogu
15.6.2024, 18:25:40
Ein Kita-Besuch ist ja kein Zwang im Gegensatz zur Schulpflicht.
Tom98
2.7.2024, 18:13:15
Naja die Kinder können sich dem kaum entziehen, wenn die Eltern das nicht zulassen.
okalinkk
12.3.2025, 20:41:38
@[Dogu](137074) beim Schulfall wurde das mit dem Konfrontationsschutz bei Jura Fuchs überhaupt nicht angesprochen leider
Dogu
13.3.2025, 12:01:30
@[Tom98](228224) Zwang durch die Eltern ist kein staatlicher Zwang.

dolo agitation
20.6.2025, 08:56:56
Im Schulfall wird die Unausweichlichkeit m.W.n. abgelehnt, weil die Schule ein Raum des offenen Diskurses ist und deshalb niemand irgendeinem religiösen Symbol unenetziehbar ausgesetzt ist. Es kann schließlich in der Debatte jede RKopftuchverbot für Refrendarinnen, welches verfassungskonform ist). Diese Linie der Rechtsprechung dürfte dann auch erklären wieso die Rspr. ein Kopftuchverbot für nicht neutrale (radikal Islamistische) Lehrer für gerechtfertigt hält. Mit diesen ist regelmäßig sicherlich kein Diskurs und Infragestellen der reiligösen Symbole möglich. Für Kindergärten müsste all das dann auch noch abgestuft gelten, da wie @[Dogu](137074) schon sagt keine staatliche KITA-Pflicht besteht. Eine rein faktische (private) Pflicht für das Kind in die KITA zu gehen ist wieder ein großes Minus zur allgemeinen Schulpflicht und dem Staat schwerlich zurechenbar.

Charles "Chuck" McGill
19.2.2025, 23:31:02
... jedenfalls was verbeamtete Lehrer angeht. Ja ich weiß, dass ist nicht genau der Fall. Aber ich denke, man das ist ein interessanter Ergänzungshinweiß, da es jedenfalls bei den bisherigen Aufgaben immer hieß, es müsse eine
konkrete Gefahrvorliegen. Das ist die Ansicht des 1. Senats des BVerfG, der über Angestellte entscheidet, die keine Beamten sind. Der 2. Senat, der über Beamte entscheidet, sieht das etwas anders: "Das Verbot des § 38 Abs. 2 S. 1 SchG knüpft an einen abstrakten Gefährdungstatbestand an. Nicht erst Bekundungen, welche die Neutralität des Landes oder den Schulfrieden konkret gefährden oder gar stören, fallen unter das Verbot, Es will vielmehr schon abstrakten
Gefahren vorbeugen, um
konkrete Gefahren für die Neutralität der Schule oder den Schulfrieden gar nicht erst eintreten zu lassen ...) Eine solche
abstrakte Gefahrgeht vom Tragen eines islamischen Kopftuches aus. In der Schule treffen unterschiedliche religiöse Auffassungen aufeinander. Die Entwicklung zu einer religiösen Vielfalt in der Gesellschaft hat daher zwangsläufig ein vermehrtes Potential möglicher K onflikte in der Schule mit sich gebracht. In dieser Lage können leichter
Gefahrdungen für den religiösen Schulfrie- den aufkommen. Sie können sich vor allem aus der Besorgnis insbesondere der Eltern vor einer un- gewollten religiösen Beeinflussung ihrer Kinder entwickeln. Einbußen an Neutralität im Erscheinungsbild können zu solcher Besorgnis beitragen und lassen sich insoweit als eine
abstrakte Gefahrbezeichnen. Ihr will der Landesgesetzgeber zulässigerweise durch eine auch in der Kleidung sichtbar bleibende Neutralität der Lehrer begegnen" Und man mache sich hier nich vor, die Differenzierung zwischen Beamten und Nicht-Beamten hätte einen sachlichen Grund. Die beiden Senate sehen die Sache einfach anders und gehen sich durch ihre verschiedenen Zuständigkeiten aus dem Weg.
okalinkk
12.3.2025, 20:39:59
@[Charles "Chuck" McGill](291345) Danke für den Ergänzungshinweis. Es wäre schön, wenn es hierzu auch eine Aufgabe von Jura Fuchs geben würde 🙏🏻

dolo agitation
20.6.2025, 08:51:11
Reminder; Ich fände es wichtig, dass die vorherigen Aufgaben mit diesem Urteil ergänzt würden um ein vollständiges Bild der Rechtsprechung zu vermitteln.