Landesrecht (im Aufbau)

Bauordnungsrecht Niedersachsen

Eingriffsbefugnisse der Bauaufsichtsbehörden

Erfordernis gesetzlicher Eingriffsbefugnisse der Bauaufsichtsbehörde

Erfordernis gesetzlicher Eingriffsbefugnisse der Bauaufsichtsbehörde

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Querulantin Q hat ohne Genehmigung ein einsturzgefährdetes Gebäude errichtet. Ein Einsturz würde Nachbar N gefährden. Q feiert darin regelmäßig ungenehmigte Tanzpartys („Raves“). Die zuständige Bauaufsichtsbehörde B verpflichtet Q mittels Verwaltungsakt, das Gebäude abzureißen.

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Einordnung des Falls

Erfordernis gesetzlicher Eingriffsbefugnisse der Bauaufsichtsbehörde

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Aufgabe der Bauaufsichtsbehörden ist es, fehlende Genehmigungen von Tanzpartys zu überprüfen.

Nein, das trifft nicht zu!

Gesetzliche Aufgabe der Bauaufsichtsbehörden ist es, darüber zu wachen und darauf hinzuwirken, dass Anlagen, Grundstücke und Baumaßnahmen dem öffentlichen Baurecht entsprechen (§ 58 Abs. 1 S. 1 NBauO). Die Überprüfung von Genehmigungen von Tanzlustbarkeiten fällt in den Bereich des Gewerberechts.
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2. Der von B erlassene Verwaltungsakt wirkt für Q belastend.

Ja!

Belastend ist ein Verwaltungsakt dann, wenn er Ge- oder Verbote enthält, dem Betroffenen eine Verpflichtung auferlegt oder eine solche konkretisiert, ihm ein Recht entzieht oder einschränkt, einen Vorteil ablehnt, eine ungünstige Feststellung trifft oder sonst rechtserhebliche Nachteile begründet. Durch die Verfügung wird der Q die Verpflichtung auferlegt, das Gebäude abzureißen. Damit handelt es sich um einen belastenden Verwaltungsakt. Verfügungen, die dem Betroffenen die Pflicht auferlegen, ein Bauwerk abzureißen, nennt man Beseitigungsverfügungen oder auch Abrissverfügungen. Dass derartige Verfügungen belastend wirken, ist offensichtlich. In Deiner Klausur kannst Du das einfach feststellen.

3. Da durch Qs Bauwerk Menschen gefährdet sind, kann B ohne gesetzliche Eingriffsermächtigung Q dazu verpflichten, das Gebäude abzureißen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Jedenfalls bei belastendem Verwaltungshandeln bedarf es stets einer parlamentsgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage (Vorbehalts des Gesetzes, Art. 20 Abs. 3). Eine Verpflichtung zum Abriss des Gebäudes stellt belastendes Verwaltungshandeln dar. Dass die Behörde eine grundrechtliche Schutzpflicht zugunsten der Nachbarn trifft (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG), ändert hieran nichts. Daher bedarf es zum Erlass einer Abrissverfügung einer gesetzlichen Grundlage. Dass es für eine Verpflichtung zum Abriss eines Gebäudes einer gesetzlichen Grundlage bedarf, ist unstreitig. Du solltest Dich deshalb in der Klausur kurz fassen. Formulierungsvorschlag: „Der Vorbehalt des Gesetzes, der sich aus dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG) und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ableiten lässt, erfordert jedenfalls für belastendes Handeln der Verwaltung eine gesetzliche Grundlage. In Betracht kommt hier §…”.

4. In § 58 Abs. 1 S. 1 NBauO wird Behörde B für die Überwachung von Bauwerken für zuständig erklärt. Kann B hierauf die Abrissverfügung stützen?

Nein, das trifft nicht zu!

Gesetzliche Grundlagen, die dem Vorbehalt des Gesetzes genügen, zeichnen sich dadurch aus, dass sie einem Träger der staatlichen Gewalt die Befugnis zu einer Maßnahme einräumen (Befugnisnorm). Demgegenüber genügen Normen, die lediglich den Tätigkeits- und Zuständigkeitsbereich von Behörden umschreiben, nicht dem Vorbehalt des Gesetzes (Aufgabenzuweisungsnormen). § 58 Abs. 1 S. 1 NBauO, der die Bauaufsichtsbehörden für die Überwachung von Bauwerken für zuständig erklärt, beschreibt lediglich den Tätigkeits- und Zuständigkeitsbereich der Bauaufsichtsbehörden. Die Vorschrift ist daher eine bloße Aufgabenzuweisungsnorm. B kann hierauf somit keine konkreten Maßnahmen stützen. Du solltest dieses Problemfeld in der Klausur nur ansprechen, wenn es nicht ganz eindeutig ist, ob eine Norm eine Befugnisnorm darstellt.

5. B kann die Abrissverfügung auf die spezielle Ermächtigung für Beseitigungsverfügungen stützen (§ 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 NBauO).

Ja!

Die NBauO enthält eine Reihe spezieller bauordnungsrechtlicher Eingriffsermächtigungen. Sie dienen dazu, die Bauaufsichtsbehörden in die Lage zu versetzen, baurechtswidrige Zustände zu beseitigen bzw. baurechtsmäßige Zustände herbeizuführen. Ziel der B ist es, das Gebäude abreißen zu lassen. Die spezielle Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Abrissverfügungen bzw. Beseitigungsanordnungen (§ 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 NBauO) umfasst diese Rechtsfolge.

6. Neben der gesetzlichen Ermächtigung für Beseitigungsanordnungen kann B die Abrissverfügung auch stützen auf die bauordnungsrechtliche Generalklausel (§ 79 Abs. 1 S. 1 NBauO).

Nein, das ist nicht der Fall!

Gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 NBauO kann die Bauaufsichtsbehörde die Maßnahmen anordnen, die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlich sind, wenn bauliche Anlagen, Grundstücke, Bauprodukte oder Baumaßnahmen dem öffentlichen Baurecht widersprechen. Dieser – weit gefasste – Tatbestand ist Ermächtigungsgrundlage für sämtliche in Betracht kommenden bauaufsichtlichen Anordnungen zur Herstellung und Sicherung rechtmäßiger Zustände (bauaufsichtliche Generalermächtigung). Sie kommt nur dann zum Tragen, wenn spezielle baurechtliche Eingriffsermächtigungen nicht einschlägig sind (Spezialität). Zwar handelt es sich sowohl bei der Ermächtigung zum Erlass von Abrissverfügungen als auch bei der bauaufsichtlichen Generalklausel um Befugnisnormen. Ziel der B ist es jedoch, das Gebäude abreißen zu lassen. Die spezielle Ermächtigungsgrundlage des § 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 NBauO umfasst diese Rechtsfolge. Deren Voraussetzungen dürfen nicht unter Rückgriff auf die Generalklausel umgangen werden. Auf die baurechtliche Generalklausel kann B ihre Abrissverfügung daher nicht stützen.
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