+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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TikToker T hat endgültig die Schnauze voll von Baugenehmigungen. Er kauft daher ein bereits (als solches) genehmigtes Wohnhaus in einem reinen Wohngebiet und nutzt es nun als Spielhalle für seine Fans. Baubehörde B untersagt die Nutzung der Spielhalle. T ist fassungslos.

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Einordnung des Falls

Grundfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Bauaufsichtsbehörde kann die Benutzung von Anlagen untersagen (§ 80 S. 2 BauO Bln). Ist dies die Ermächtigungsgrundlage für die von B angeordnete Nutzungsuntersagung?

Genau, so ist das!

Gemäß § 80 S. 2 BauO Bln kann die Bauaufsichtsbehörde die Benutzung untersagen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Ein Widerspruch zum öffentlichen Baurecht besteht dann, wenn das Vorhaben baurechtswidrig ist. Dabei wird differenziert zwischen formeller Baurechtswidrigkeit (formelle Illegalität) und materieller Baurechtswidrigkeit (materielle Illegalität).Die Bauaufsichtsbehörde B verbietet vorliegend die Nutzung des Hauses als Spielhalle, sodass § 80 S. 2 BauO Bln die einschlägige Ermächtigungsgrundlage ist.
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2. Für den Erlass einer Nutzungsuntersagung (§ 80 S. 2 BauO Bln) ist nach h.M. tatbestandlich formelle und materielle Illegalität erforderlich.

Nein, das trifft nicht zu!

Formell illegal ist ein Vorhaben, wenn die verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Zulassungsbedürftigkeit nicht beachtet worden sind. Materiell illegal ist ein Vorhaben, wenn es gegen materielle Anforderungen verstößt und deswegen nicht genehmigungsfähig ist. Für den Erlass einer Nutzungsuntersagung genügt nach h.M. die formelle Illegalität. Hintergrund dafür ist, dass die Nutzungsuntersagung nur vorübergehend ist (bis zur Entscheidung über die Genehmigungsfähigkeit) und nicht zur Vernichtung eines geschaffenen Vermögensgegenstandes führt.Teilweise wird vertreten, dass aufgrund möglicher wirtschaftlicher Folgen (Eingriffsintensität) formelle und materielle Illegalität erforderlich sei.Es empfiehlt sich in der Klausur der h.M. zu folgen. Mögliche wirtschaftliche Folgen (z.B. eines Gewerbebetreibenden) können in der Verhältnismäßigkeit und im Ermessen berücksichtigt werden.

3. Eine bloße Nutzungsänderung einer bisher genehmigten Anlage bedarf keiner neuen Baugenehmigung.

Nein!

Gemäß § 59 Abs. 1 BauO Bln bedürfen Nutzungsänderungen grundsätzlich der Genehmigung durch die Behörde. Die Zulässigkeit baulicher Anlagen bezieht sich nicht nur auf den Baukörper als solchen, sondern auch auf dessen Nutzung. Eine Nutzungsänderung liegt insbesondere vor, wenn die Variationsbreite einer genehmigten Nutzung verlassen wird und durch die Aufnahme dieser veränderten Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden, so dass sich die Genehmigungsfrage neu stellt.Im Rahmen der Nutzungsänderung ist die Genehmigungsbedürftigkeit also auch der Regelfall. Ausnahmen können sich insbesondere aus § 60 bis § 62 BauO Bln ergeben.

4. T hat keine Baugenehmigung beantragt. Ist die Nutzungsänderung damit formell illegal (Nutzung des Wohnhauses als Spielhalle)?

Genau, so ist das!

Formell illegal ist ein Vorhaben, wenn die verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Zulassungsbedürftigkeit (insbesondere die Erforderlichkeit einer Baugenehmigung) nicht beachtet worden sind.Die Nutzung des Wohnhauses als Spielhalle ist eine Nutzungsänderung, die gemäß § 59 Abs. 1 BauO Bln genehmigungsbedürftig ist. Da T keine Baugenehmigung für diese Nutzung eingeholt hat, ist die Nutzung formell baurechtswidrig (formell illegal).

5. Die Nutzung des Hauses als Spielhalle ist hier aus bauplanungsrechtlichen Gründen nicht genehmigungsfähig. Der Tatbestand der Nutzungsuntersagung (§ 80 S. 2 BauO Bln) ist erfüllt.

Ja, in der Tat!

Der Tatbestand der Nutzungsuntersagung erfordert einen Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Für den Erlass einer Nutzungsuntersagung genügt nach h.M. die formelle Illegalität.Die Nutzung des Hauses als Spielhalle ist formell und materiell illegal, es handelt sich also um eine Nutzung, die dem öffentlichen Recht widerspricht, sodass der Tatbestand der Ermächtigungsgrundlage erfüllt ist.Die Tatsache, dass hier ursprünglich eine Baugenehmigung für eine Wohnnutzung vorlag, begründet auch keinen Bestandsschutz: eine andersartige Nutzung führt zu einem Erlöschen der bestandsgeschützten Nutzung.
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