Öffentliches Recht

VwGO

Widerspruchsverfahren

Grundfall 2: Statthaftigkeit des Verpflichtungswiderspruchs

Grundfall 2: Statthaftigkeit des Verpflichtungswiderspruchs

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Franky (F) hat für ihre Tanzbar eine Gaststättenerlaubnis beantragt. Die zuständige Behörde B lehnt die Erteilung schriftlich ab. F hat keine Lust, sich nochmal an B zu wenden. F beginnt daher sofort, die Klageschrift gegen den Bescheid zu verfassen.

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Einordnung des Falls

Grundfall 2: Statthaftigkeit des Verpflichtungswiderspruchs

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (vgl. § 88 VwGO). Möchte F lediglich die Aufhebung eines Verwaltungsakts erreichen?

Nein, das trifft nicht zu!

Richtet sich das Klagebegehren auf die Aufhebung eines Verwaltungsakts (§ 35 S. 1 VwVfG), ist die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft. Begehrt die klagende Person (darüberhinaus) den Erlass eines Verwaltungsakts, so ist die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) statthaft. Zwar ist die Ablehnung der Gaststättenerlaubnis ebenfalls ein Verwaltungsakt. F will aber nicht nur gegen die Ablehnung vorgehen, sondern letztlich den Erlass der begehrten Erlaubnis (= Verwaltungsakt) erreichen. Statthaft ist die Verpflichtungsklage.
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2. Das Widerspruchsverfahren ist in der Regel nur vor Erhebung der Anfechtungsklage statthaft.

Nein!

Nach § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO ist die erfolglose Durchführung eines behördlichen Widerspruchsverfahrens nach Maßgabe der §§ 69ff. VwGO grundsätzlich eine Zulässigkeitsvoraussetzung im Rahmen der Anfechtungsklage. Ausnahmen hiervon bestehen nach § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO. Nach § 68 Abs. 2 VwVfG ist ein Vorverfahren auch Zulässigkeitsvoraussetzung der Verpflichtungsklage. Der Widerspruch richtet sich dann gegen den Ablehnungsbescheid (= Verwaltungsakt). F muss auch im Rahmen der Verpflichtungsklage zunächst Widerspruch gegen die Ablehnung der beantragten Gaststättenerlaubnis (= Verwaltungsakt) einlegen.

3. Erhebt F Klage, ohne zuvor einen Widerspruch bei B eingelegt zu haben, ist die Klage in jedem Fall unzulässig.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach dem Wortlaut des § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO ist ein Widerspruchsverfahren zwar „vor“ Erhebung der Klage durchzuführen. Nach der h.M. reicht es allerdings aus, dass es als Sachurteilsvoraussetzung im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abgeschlossen ist. Widerspruch und Vorverfahren können deshalb während des gerichtlichen Verfahrens, auch noch in höheren Instanzen, nachgeholt werden. Allerdings muss die Widerspruchsfrist aus § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO in jedem Fall gewahrt sein. F kann auch schon Klage erheben, bevor F den Widerspruch eingelegt hat. Wegen der laufenden Widerspruchsfrist sollte F aber auch zeitnah den Widerspruch erheben. Das Gericht ist berechtigt und verpflichtet, das Klageverfahren auszusetzen (analog § 75 S. 3 VwGO oder § 94 VwGO) und dem Kläger Gelegenheit zu geben, das Vorverfahren nachzuholen.
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