Öffentliches Recht
VwGO
Widerspruchsverfahren
Grundfall: Vorverfahren als Voraussetzung der Anfechtungsklage
Grundfall: Vorverfahren als Voraussetzung der Anfechtungsklage
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Hundehalterin H geht mit ihrem Mops in Berlin immer ohne Leine spazieren. Behörde B schickt H ein Schreiben, mit dem B die H verpflichtet, ihren Mops an der Leine zu führen, weil dieser gefährlich sei. H ist empört und will sofort Klage erheben, um ihrem Mops wieder freien Lauf zu lassen.
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Einordnung des Falls
Grundfall: Vorverfahren als Voraussetzung der Anfechtungsklage
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. H begehrt die Aufhebung eines Verwaltungsakts (§ 35 S. 1 VwVfG). Kann H allein mit der Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) erfolgreich gegen die Anordnung vorgehen?
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. H kann sich aussuchen, ob sie Widerspruch gegen den Bescheid einlegt oder nur die Anfechtungsklage erhebt.
Nein!
3. H erhebt Anfechtungsklage. Widerspruch hat sie noch nicht erhoben. Ist die Anfechtungsklage deshalb unzulässig?
Nein, das ist nicht der Fall!
4. H erhebt nun auch noch fristgemäß Widerspruch gegen die Anordnung des Leinenzwangs. Über den Widerspruch hat die Behörde noch nicht entschieden. Ist die Anfechtungsklage unzulässig?
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Sassun
17.7.2024, 14:10:15
Mir ist bewusst, dass Begriffe wie "h.M." in den Aufgabenstellungen nie ganz präzise sein können, trotzdem hätte ich mir zumindest Argumente gewünscht, um den Verzicht auf den Widerspruch zu rechtfertigen. Für die Gegenansicht, also dass der Widerspruch nicht durch
rügelose Einlassungdes Beklagten wegfallen darf, spräche immerhin, dass: 1. das Vorverfahren förmlich ausgestaltet und nach Gesetzeswortlaut zwingend angeordnet ist. §§ 68, 70 VwGO stehen damit nicht zur Disposition der Parteien. Hier gehört wohl auch das angesprochene Wortlautargument. 2. die Zwecke des Vorverfahrens nicht in gleicher Weise erfüllt werden, wenn Klage und Klageerwiderung das Widerspruchsverfahren ersetzen (Selbstkontrolle / Entlastung Gerichte / Rechtsschutz). Außerdem ggf.
Behördenverschiedenheit § 78 I / § 73. 3. je nach Bundesland, noch die
Behördenverschiedenheit zu beachten ist (§§ 78 I / 73 I VwGO) Hierzu: Schoch/Schneider/Porsch, 45. EL Januar 2024, VwGO § 68 Rn. 28-29. Für die hier vertretene Ansicht sprächen m.E. praxisnahe / pragmatische Überlegungen.
Sassun
17.7.2024, 17:35:30
Korrektur zu meinem eigenen Kommentar: Mit der Fragestellung war gar nicht das von mir angedachte Problem, sondern nur die Frage nach dem Zeitpunkt des Vorverfahrens gemeint. Das Vorverfahren kann auch noch in höheren Instanzen nachgeholt werden. Meint Kommentar bezieht sich auf eine Ausnahme des Widerspruchserfordernisses.