Examensrelevante Rechtsprechung
Rechtsprechung Zivilrecht
Arbeitsrecht
Mindestlohn auch für Yogis? (BAG, Urt. v. 25.04.2023, Az. 9 AZR 253/22)
Mindestlohn auch für Yogis? (BAG, Urt. v. 25.04.2023, Az. 9 AZR 253/22)
5. Juli 2025
10 Kommentare
4,6 ★ (24.130 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Juristin J lebt im Yoga-Zentrum des Vidya-Vereins (V), der sich als spirituelle selbstverwaltende Gemeinschaft versteht und die Yogalehre verbreitet. Die Mitglieder sind vertraglich verpflichtet, nach Weisung 42h/Woche sog. Sevadienste zu leisten. Sie bekommen dafür Kost, Logis und monatlich €390 „Taschengeld“.
Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Mindestlohn auch für Yogis? (BAG, Urt. v. 25.04.2023, Az. 9 AZR 253/22)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. J könnte gegen Y einen Anspruch auf Mindestlohn gemäß § 1 Abs. 1 MiLoG i.V.m. § 22 Abs. 1 S. 1 MiLoG haben.
Ja!
2. Um einen Anspruch auf Mindestlohn zu haben, müsste J zunächst Arbeitnehmerin sein. Ergibt sich aus § 611a Abs. 1 BGB, wer Arbeitnehmer ist?
Genau, so ist das!
3. In dem Vertrag zwischen V und J steht, dass J keine Arbeitnehmerin ist. Ist allein diese Vereinbarung entscheidend dafür, ob J Arbeitnehmerin ist?
Nein, das trifft nicht zu!
4. V ist ein eingetragener Verein, in dem J Mitglied war. Kann ein Mitgliedsbeitrag i.S.v. § 58 Nr. 2 BGB in einer Tätigkeit bestehen, die fremdbestimmt, weisungsgebunden und in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird?
Ja!
5. Obwohl J tatsächlich weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit für V geleistet hat, hat V keinen arbeitsrechtlichen Schutz gewährleistet. Konnte V daher die von J zu leistenden Tätigkeiten abweichend von den Vorgaben des § 611a Abs. 1 BGB als Mitgliedsbeitrag (§ 58 Nr. 2 BGB) regeln?
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Aus dem verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht von Religionsgemeinschaften folgt die Möglichkeit, Personen zu beschäftigen, ohne dass diese Arbeitnehmer sind. Wäre J also keine Arbeitnehmerin, wenn V als Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft anzusehen ist?
Ja, in der Tat!
7. Das BAG konnte in der Ausgestaltung des V keine überwiegenden religiösen oder weltanschaulichen Elemente feststellen. Ist der V-Verein als Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft zu klassifizieren?
Nein!
8. Unterstellt, J hat eine Vereinbarung unterschrieben, nach der sie alle Ansprüche gegen V spätestens 6 Monate nach ihrer Fälligkeit geltend machen muss. Kann J nach über 6 Monaten noch Mindestlohn fordern (vgl. § 3 S. 1 MiLoG)?
Genau, so ist das!
9. J hat gegen den V-Verein einen Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn (§ 1 Abs. 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG).
Ja, in der Tat!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Ius Nix Verstaeum
3.9.2024, 00:27:17
Aus welchem Grund wurde die Verfassungsbeschwerde nicht angenommen?
malei
11.9.2024, 09:29:57
Das BVerfG hat offen gelassen, ob der Verein eine Religions- oder
Weltanschauungsgemeinschaft ist. Jedenfalls sei weder dargelegt noch ersichtlich, "dass die von der Klägerin des Ausgangsverfahrens geleisteten Dienste der Aufrechterhaltung des Beherbergungs- und Seminarbetriebs des Vereins und des Vertriebs von Yoga-Produkten, um deren arbeitsrechtliche Beurteilung es hier geht, für sich genommen religiös geprägt waren." (BVerfG, B. v. 02.07.2024 - 1 BvR 2244/23 und 1 BvR 2231/23) Das BVerfG stellt also auf die konkrete Tätigkeit ab, die für eine Berufung des Vereins auf Art. 4 GG
notwendigerweise selbst der
Weltanschauungs- und Religionsfreiheit hätte zugerechnet werden müssen.
NathalieK
8.3.2025, 12:58:51
Wenn hier in einem andern Kontext doch die Religions- oder
Weltanschauungsfreiheit betroffen wäre, hätte die J dann keinen Anspruch auf Mindestlohn? Wenn ja mit welcher Begründung ?

Lotte🌞
29.6.2025, 17:47:34
Ich habe es so verstanden, dass dann kein Anspruch auf Mindestlohn bestünde.
Vanilla Latte
8.4.2025, 07:20:09
Also ist es jetzt ein ArbeitsV oder muss nur Mindestlohn gezahlt werden, weil es vergleichbar ist?
Aleton
19.5.2025, 11:54:10
Soweit ich das verstanden habe, ist das jetzt als Arbeitsvertrag zu sehen, da der Verein nicht die Arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen in der Weise wie ein Arbeitsvertrag den gegeben hätte gewährleistet. Ich glaube, wenn der Arbeitsvertrag nicht gegolten hätte, dann hätte er weil er seine weisungsgebundenen Leistungen im Rahmen der Mitgliedschaftsbeiträge geleistet hätte kein Anspruch aus dem MiLoG.

Lotte🌞
29.6.2025, 17:49:34
Das BAG begrenzt die Satzungsautonomie des Vereins aus Art 9 GG, § 25 BGB damit, dass der Anspruch auf angemessene Vergütung aus Art 1 I 1 GG folgt. Wie kann es dann sein, dass ein Anspruch auf Mindestlohn nicht vorliegen würde, wenn dem Art 4 I GG entgegensteht?