Referendariat

Die ZVR-Klausur

„Verlängerte Drittwiderspruchsklage“

Anspruch auf Herausgabe der gepfändeten Sache gegen den Ersteigerer? (§ 985 BGB, §§ 812ff. BGB)

Anspruch auf Herausgabe der gepfändeten Sache gegen den Ersteigerer? (§ 985 BGB, §§ 812ff. BGB)

15. Januar 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

D hat seinen Dudelsack nach der Bandprobe bei Bandkollegin B gelassen. Bei der Zwangsvollstreckung des G gegen B wird er gepfändet und versteigert. Der Zuschlag geht an den Meistbietenden M. M erhält den Dudelsack nach der Versteigerung gegen Bezahlung der gebotenen Summe. ‌

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Einordnung des Falls

Anspruch auf Herausgabe der gepfändeten Sache gegen den Ersteigerer? (§ 985 BGB, §§ 812ff. BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. D möchte am liebsten seinen Dudelsack zurück bekommen. Scheidet ein Anspruch des D gemäß § 985 BGB aus, wenn M Eigentümer des Dudelsacks ist?

Ja!

Es stellt sich zunächst die Frage, ob M wirksam Eigentum an dem Dudelsack erlangt hat. In der Versteigerung wird dem Meistbietenden, der den Zuschlag erhalten hat (§ 817 Abs. 1 ZPO), die ersteigerte Pfandsache gegen Bezahlung der gebotenen Summe übergeben (§ 817 Abs. 2 ZPO). Nach der gemischten Theorie (h.M. + BGH) erwirbt er hierdurch das Eigentum an der Pfandsache, sofern diese verstrickt ist. Nach der öffentlich-rechtlichen Theorie kommt es zum Eigentumserwerb, wenn ein Pfändungspfandrecht an der Pfandsache besteht. Nach dieser Theorie entsteht ein Pfändungspfandrecht mit jeder Verstrickung. Die Frage, ob der Meistbietende Eigentum an der versteigerten Sache erhalten hat, setzt also voraus, dass die Sache verstrickt (bzw. ein Pfändungspfandrecht) an ihr entstanden ist. § 817 Abs. 2 ZPO regelt einen Eigentumserwerb kraft Hoheitsakt.
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2. Eine wirksame Pfändung führt zur Verstrickung. Scheitert die Verstrickung am Dudelsack daran, dass dieser bei der Pfändung in Ds Eigentum stand?

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine wirksame Pfändung führt zur Verstrickung des gepfändeten Gegenstands. Auch eine fehlerhafte Pfändung ist grundsätzlich wirksam, wenn auch anfechtbar. Eine Pfändung ist nur dann unwirksam/nichtig, wenn sie an einem besonders schweren Verfahrensfehler leidet. Nach § 808 Abs. 1 ZPO muss der Gerichtsvollzieher bei der Pfändung einer Sache nur darauf achten, dass diese im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners ist. Er muss grundsätzlich nicht prüfen, ob der Vollstreckungsschuldner deren Eigentümer ist. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn die Sache offensichtlich einem anderen gehört (sog. evidentes Dritteigentum). Auch dann ist die Pfändung aber nicht unwirksam, sondern nur anfechtbar. Selbst wenn offensichtlich war, dass der Dudelsack nicht B gehörte, ist Verstrickung eingetreten. Verstrickung tritt also unabhängig davon ein, ob die gepfändete Sache dem Vollstreckungsschuldner gehört.

3. Der verstrickte Dudelsack wurde an M versteigert und gegen Zahlung der gebotenen Summe übergeben (§ 817 Abs. 2 ZPO). Ist D noch der Eigentümer des Dudelsacks?

Nein, das trifft nicht zu!

Nach der gemischten Theorie (h.M. + BGH) ist die Verstrickung die Grundlage für die Versteigerung des gepfändeten Gegenstands und den dort stattfindenden Eigentumserwerb. Nach der öffentlich-rechtlichen Theorie kommt es dagegen auf das Pfändungspfandrecht an. Nach der öffentlich-rechtlichen Theorie sind Verstrickung und Pfändungspfandrecht allerdings untrennbar miteinander verbunden. Hiernach entsteht ein Pfändungspfandrecht ohnehin mit jeder Verstrickung. Im Ergebnis kommt es also nach beiden Theorien auf die Verstrickung an. Da Verstrickung eingetreten ist, hat M nach beiden Theorien das Eigentum erworben (§ 817 Abs. 2 ZPO). D hat – mangels Eigentümerstellung – keinen Anspruch gegen M auf Herausgabe des Dudelsacks aus § 985 BGB. Der Ersteigerer wird selbst dann Eigentümer, wenn er bösgläubig in Bezug auf das fehlende Eigentum des Vollstreckungsschuldners ist. Denn § 932 BGB findet bei einem Eigentumserwerb durch Hoheitsakt (§ 817 Abs. 2 ZPO) keine Anwendung.

4. D fragt sich, ob er nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB die Rückübertragung von Eigentum und Besitz durch M verlangen kann. Setzt dies voraus, dass M beides rechtsgrundlos erworben hat?

Ja!

Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet (§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB). Bei einer öffentlichen Versteigerung wird dem Meistbietenden der Zuschlag erteilt (§ 817 Abs. 1 S. 1 ZPO), wodurch ein öffentlich-rechtlicher, kaufähnlicher Vertrag entsteht (§§ 817 Abs. 1 S. 3 ZPO, 156 BGB). Anschließend wird ihm die ersteigerte Sache gegen Bezahlung der gebotenen Summe übergeben (§ 817 Abs. 2 ZPO). Hierdurch erlangt er Besitz und, sofern Verstrickung eingetreten ist, auch Eigentum an der Sache. M hat durch Hoheitsakt Eigentum und Besitz am Dudelsack erlangt. Er hat somit in sonstiger Weise auf Kosten des D etwas erlangt. Der durch den Zuschlag zustande gekommene Vertrag (§§ 817 Abs. 1 S. 3 ZPO, 156 BGB) bildet jedoch einen Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung. Es besteht daher kein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB.
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