Prozessrecht & Klausurtypen

Die ZVR-Klausur

„Verlängerte Drittwiderspruchsklage“

Vertiefung: Analoge Anwendung § 1247 S. 2 BGB bei öffentlicher Versteigerung der Pfandsache

Vertiefung: Analoge Anwendung § 1247 S. 2 BGB bei öffentlicher Versteigerung der Pfandsache

4. Juli 2025

2 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Ein Dritter, der im Rahmen einer Zwangsversteigerung sein ursprüngliches Eigentum an der Pfandsache an den Ersteigerer verloren hat, wird nach § 1247 S. 2 BGB analog zunächst Eigentümer des Erlöses. Schauen wir uns diese Vorschrift noch einmal genauer an!

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Einordnung des Falls

Vertiefung: Analoge Anwendung § 1247 S. 2 BGB bei öffentlicher Versteigerung der Pfandsache

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. § 1247 S. 2 BGB ist nur auf das vertragliche Pfandrecht direkt anwendbar.

Genau, so ist das!

Die §§ 1204ff. BGB regeln das vertragliche Pfandrecht (= Faustpfandrecht). Dementsprechend betrifft auch § 1247 BGB das vertragliche Pfandrecht. § 1247 BGB enthält zwei Regelungen: § 1247 S. 1 BGB legt fest, wem der Erlös für eine Pfandsache schuldrechtlich gebührt: Dem Pfandgläubiger. § 1247 S. 1 BGB setzt voraus, dass der Ersteher der Pfandsache dem Pfandgläubiger das Eigentum am Pfanderlös nach § 929 BGB überträgt.§ 1247 S. 2 BGB regelt den Fall, dass dem Pfandgläubiger der Erlös an der Pfandsache nicht (vollständig) zusteht. In diesem Fall erwirbt der Eigentümer der Pfandsache Eigentum am Erlös. § 1247 S. 2 BGB ist lex specialis zu § 929 BGB.
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2. § 1247 S. 2 BGB regelt den Eigentumserwerb am Erlös, soweit der Pfandgläubiger keinen Anspruch auf den Erlös hat.

Ja, in der Tat!

§ 1247 BGB regelt die Eigentumslage am Erlös nach Pfandverkauf: „Soweit der Erlös aus dem Pfande dem Pfandgläubiger zu seiner Befriedigung gebührt, gilt die Forderung als von dem Eigentümer berichtigt. Im Übrigen tritt der Erlös an die Stelle des Pfandes.“ Der Ersteigerer zahlt den Erlös an den Versteigerer, der als Vertreter des Pfandgläubigers fungiert. Nach § 1247 S. 1 BGB erwirbt der Pfandgläubiger hierdurch das Eigentum am Erlös (§§ 929ff. BGB), sofern er ihm zusteht („gebührt“), das heißt, sofern er ein Pfandrecht hat und der Erlös die gesicherte Forderung nicht übersteigt. Sofern er ihm nicht zusteht, wird nach § 1247 S. 2 BGB der ursprüngliche Eigentümer der Pfandsache per dinglicher Surrogation der Eigentümer des Erlöses. In der Zwangsvollstreckung erwirbt der Vollstreckungsgläubiger dagegen erst mit der Erlösauskehr hoheitlich das Eigentum am Erlös (§ 815 Abs. 1 ZPO).

3. Die ZPO enthält keine mit § 1247 S. 2 BGB vergleichbare Regelung, die das Dritteigentum an der versteigerten Sache schützt. Könnte darin eine planwidrige Regelungslücke bestehen?

Ja!

Nach § 1247 S. 2 BGB wird der ursprüngliche Eigentümer der Pfandsache per dinglicher Surrogation der Eigentümer des Erlöses, sofern dieser dem Pfandgläubiger nicht zusteht. Die Norm dient damit dem Schutz des ursprünglichen Eigentümers der Pfandsache. Eine vergleichbare Regelung gibt es beim Pfändungspfandrecht nicht. Vielmehr erwirbt der Vollstreckungsgläubiger nach § 815 Abs. 1 ZPO hoheitlich das Eigentum am Erlös, unabhängig davon, wer der Eigentümer der gepfändeten Sache war bzw. ob ein Pfändungspfandrecht bestanden hat. Die sich daraus ergebende Schutzlosigkeit des ursprünglichen Eigentümers ist eine Regelungslücke dar, die wohl vom Gesetzgeber so nicht beabsichtigt war und damit planwidrig ist.

4. Eine Analogie setzt ferner eine vergleichbare Interessenlage voraus. Liegt eine solche vor?

Genau, so ist das!

§ 1247 S. 2 BGB dient dem Schutz des ursprünglichen Eigentümers der Pfandsache. Die Norm greift unter anderem dann ein, wenn der ursprüngliche Eigentümer sein Eigentum durch unbefugte Verpfändung und Versteigerung verloren hat. Die Interessenlage ist hierbei ähnlich wie nach der Pfändung und Versteigerung einer schuldnerfremden Sache in der Zwangsvollstreckung. In beiden Fällen verliert jemand in einer öffentlichen Versteigerung sein Eigentum an einer Sache aufgrund eines vermeintlichen Pfandrechts zur Begleichung einer fremden Forderung. Du musst diese analoge Anwendung in der Klausur nicht so umfangreich darlegen, es reicht, wenn Du sie kennst. Diese Aufgabe soll Dir vor allem dabei helfen, den Sinn der Analogie zu verstehen, damit Du sie dir besser einprägen kannst. Wichtig ist, dass Du Dir merkst: Bei der öffentlichen Versteigerung einer Sache, die im Eigentum eines Dritten steht, erwirbt der Dritte nach § 1247 S. 2 BGB analog zunächst einmal Eigentum an dem Erlös, bevor dieser an den Gläubiger ausgekehrt wird (§ 815 Abs. 1 ZPO).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SPA

sparfüchsin

10.6.2025, 22:08:51

Mir ist es noch nicht so ganz klar. § 1247 S.2 sagt doch eigentlich nur, dass der Teil des Erlöses dem

Schuld

ner zusteht, der nicht für das Zufall-Bringen/die Erfüllung der Forderung des Gläubigers gebraucht wird. Klar, der Gläubiger soll nicht mehr kriegen aus der Versteigerung als ihm wegen seiner Forderung zusteht. Aber inwiefern ist denn dieser Gedanke auf das gestzliche

Pfandrecht

übertragbar? Ich verstehe schon, dadurch dass der Gläubiger die Sache nicht selbst verwertet, sondern das Vollstreckungsorgan dazwischen geschaltet, besteht der Unterschied zum vertraglichen

Pfandrecht

. Oder muss man vielmehr annehmen, dass 1247 auch den Fall regelt, dass dem Gläubiger der (gesamte) Erlös nicht zusteht, wenn eine

schuld

nerfremde Sache versteigert wurde? Dann soll der

Schuld

ner den Erlös bekommen? (Und der Dritte muss sich das dann irgendwie vom

Schuld

ner zurückholen?) Mir leuchtet nur nicht ein, was da der praktische Fall sein soll, denn wenn der

Schuld

ner und der Gläubiger ein Faust

pfandrecht

vereinbaren, warum sollte der

Schuld

ner eine

schuld

nerfremde Sache verpfänden, wenn dadurch nach 1247 s.2 ja der Erlös wieder an den

Schuld

ner geht? Damit erlischt ja dann die Forderung des Gläubigers nicht.

SPA

sparfüchsin

10.6.2025, 22:31:45

Ah, ich glaube es ist so: 1. Fall: vertragliches

Pfandrecht

a) Erlös ist höher als die gesicherte Forderung -> Gläubiger erwirbt nach 1247 S.1 Eigentum am Erlös in „benötigter“ Höhe / in Höhe der Forderung. Nach 1247 S.2 geht der Rest an denjenigen, der Eigentümer der Pfandsache war. b) wenn hier eine

schuld

nerfremde Sache durch den Gläubiger verwertet wurde, dann steht ihm der Erlös nicht zu (Wertung des Gesetzes). Deswegen bekommt der Dritte Eigentum am Erlös nach 1247 S.2. 2. Fall:

Pfändungspfandrecht

a) Erlös nach Versteigerung ist höher als die titulierte Forderung -> Gläubiger bekommt nach 815 (obwohl ganz anderer Wortlaut) Eigentum am Erlös in benötigter Höhe.

Was m

it dem Rest passiert? Unklar mangels gesetzlicher Regelung. b) wenn eine

schuld

nerfremde Sache versteigert wurde, steht der Erlös nicht dem Gläubiger zu, weil er dadurch in den Rechtskreis des Dritten eingreift (Dritter hätte aufgrund Eigentum vor Ende der ZV DWK mit Erfolg geltend machen können.) Was dann mit dem Erlös passiert ist ebenso unklar, da 815 eben nur sagt, dass in jedem Fall der Erlös an den Gläubiger geht, auch wenn er ihm eigentlich nicht zusteht (bzw. eigentlich sagt das Gesetz dazu eher gar nichts, weil ja schon 815 nur für gepfändetes

Geld

gilt, aber Gesetz hat eben keine Regelung für Pfändung einer Sache+Erlös daraus nach Verateigerung hat und man deswegen 815 nimmt.) Und um hier den Dritten zu schützen, damit der irgendwie an den Erlös kommt, nimmt 1247 S.2 analog.


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