+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird wegen versuchter Körperverletzung (§§ 223 Abs. 1, 22, 23 StGB) verurteilt. Das Gericht legt im Urteil „den gemilderten Strafrahmen (§§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB)“ zugrunde und verurteilt A zu einer Geldstrafe von vier Tagessätzen à 20 Euro. Nur A geht in Revision.

Diesen Fall lösen 82,5 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

§ 49 StGB bei Geldstrafe

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Geldstrafe wird in Tagessätzen bemessen. Kennt das Gesetz für diese ein Mindest- und Höchstmaß? (§ 40 StGB)

Ja!

Sowohl die Anzahl, als auch die Höhe der Tagessätze sind gesetzlich begrenzt. Das Gericht verhängt mindestens fünf und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens 360 volle Tagessätze (§ 40 Abs. 1 S. 2 StGB). Die Tagessatzhöhe kann zwischen einem und 30.000 Euro betragen (§ 40 Abs. 2 S. 4 StGB). In seltenen Fällen ist das Höchstmaß der Geldstrafe im gesetzlichen Tatbestand reduziert (vgl. § 160 StGB).
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Eine Strafrahmenverschiebung (§ 49 Abs. 1 StGB) gibt es auch bei der Geldstrafe.

Genau, so ist das!

Das Höchstmaß der Geldstrafe wird bei einer Milderung auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes abgesenkt (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 StGB), also regelmäßig von 360 auf 270 Tagessätze. Das Mindestmaß von fünf Tagessätzen bleibt dagegen unberührt, da § 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB keine Regelung für die Geldstrafe enthält.

3. Das Urteil des Tatgerichts ist rechtsfehlerhaft (§ 337 Abs. 1 StPO).

Ja, in der Tat!

Das Tatgericht hat mit einer Geldstrafe von vier Tagessätzen eine Strafe verhängt, die außerhalb des gesetzlichen Strafrahmens liegt. Das Mindestmaß der Geldstrafe (fünf Tagessätze) wird auch bei einer Strafrahmenverschiebung nicht abgesenkt (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB).

4. Damit As Revision Erfolg hat, muss er durch den Rechtsfehler auch beschwert sein.

Ja!

A kann seine Revision nur auf solche Fehler stützen, die zu seinen Lasten begangen wurden. Sonst wird die Revision als unbegründet verworfen. Dass vorliegend eine Strafe verhängt wird, die sich unterhalb des gesetzlichen Mindestmaßes bewegt (§ 40 Abs. 1 S. 2 StGB), ist für A vorteilhaft.

5. Da aber eine Strafe außerhalb des gesetzlichen Strafrahmens nicht bestehen kann, muss das Revisionsgericht das Urteil aufheben und die Tagessatzzahl auf das Mindestmaß heraufsetzen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Strafzumessung war zwar rechtsfehlerhaft. Jedoch gilt das Verbot der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 S. 1 StPO), weil allein A, nicht jedoch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt hat. Die Entscheidung darf also in Art und Höhe der Rechtsfolge nicht zulasten des A abgeändert werden. Das Schlechterstellungsverbot hat hier Vorrang vor der Regelung zur Mindestzahl der Tagessätze (§ 40 Abs. 2 S. 4 StGB). Der Angeklagte soll nicht durch die Befürchtung einer höheren Strafe davon abgehalten werden, Rechtsmittel einzulegen. Das Schlechterstellungsverbot sichert dem Angeklagten auch Vorteile, die ihm materiellrechtlich eigentlich nicht zustehen.

6. Stattdessen muss das Revisionsgericht das Urteil aufheben und von Strafe absehen (§ 60 StGB analog), um die Regelung des § 40 Abs. 1 StGB zu wahren.

Nein, das trifft nicht zu!

Das Schlechterstellungsverbot sichert den A nur davor, durch die Revision schlechter gestellt zu werden und gewährt auch Vorteile, die ihm nach dem materiellen Recht eigentlich nicht zustehen. So auch eine Strafe unterhalb des Strafrahmens nach § 40 Abs. 1 StGB. Durch ein Absehen von Strafe bekäme der Angeklagte dagegen einen zusätzlichen Vorteil, der ihm auch nach dem Schlechterstellungsverbot nicht zusteht. Er soll aufgrund dieses Grundsatzes keine noch weitergehende Besserstellung beanspruchen können. Die Geldstrafe von vier Tagessätzen ist also aufrechtzuerhalten. Ein Vorgehen des A gegen das Urteil hätte keine Aussicht auf Erfolg, da er durch den Fehler nicht beschwert ist.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

Jurafuchs kostenlos testen


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

KO

Kon

13.4.2024, 13:03:13

Gemäß § 49 I Nr. 2 S. 2 StGB wird das Höchstmaß der

Geld

strafe auf 3/4 abgesenkt, nicht auf 2/3.

LELEE

Leo Lee

14.4.2024, 10:07:31

Hallo Kon, vielen Dank für den sehr wichtigen Hinweis! In der Tat hatte sich hier der Fehlerteufel eingeschlichen, weshalb wir den Text entsprechend korrigiert haben! Wir möchten uns bei dir vielmals dafür bedanken, dass du uns dabei hilfst, die App zu perfektionieren und freuen uns auf weitere Feedbacks von dir :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


© Jurafuchs 2024