Konkurrenz zu § 241 StGB

12. Juli 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Handballerin U ist mit Schiedsrichterin S unzufrieden. In der Halbzeitpause raunt U der S zu, sie werde S auf dem Heimweg „blind prügeln“, sollte S nicht freundlicher für Us Team pfeifen. Die souveräne S lässt sich nicht einschüchtern und pfeift normal weiter.

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Einordnung des Falls

Konkurrenz zu § 241 StGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. U hat sich wegen Nötigung strafbar gemacht, indem sie S sagte, sie werde sie „blind prügeln“, sollte S nicht zu Gunsten von Us Team entscheiden (§ 240 Abs. 1 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Objektive Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 240 Abs. 1 sind: (1) Nötigungshandlung: Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel (2) Nötigungserfolg: Handeln, Dulden oder Unterlassen (3) Nötigungsspezifischer Zusammenhang U müsste zudem vorsätzlich gehandelt haben. Sie müsste die Tat auch in rechtswidriger Weise (insbesondere verwerflich) und schuldhaft begangen haben.S hat U gesagt, sie werde sie bis zur Blindheit verprügeln, sollte S nicht regelwidrige Entscheidungen zu Gunsten von Us Team treffen. Sie hat ihr damit ein empfindliches Übel in Aussicht gestellt und ihr so gedroht. S ist davon jedoch unbeeindruckt geblieben. Ihr Verhalten wurde durch die Drohung nicht beeinflusst. Mithin ist kein Nötigungserfolg eingetreten. Der objektive Tatbestand ist im Ergebnis nicht erfüllt.
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2. U hat sich wegen versuchter Nötigung strafbar gemacht, indem sie S sagte, sie werde sie verprügeln, sollte S nicht Entscheidungen zu Gunsten von Us Team treffen (§§ 240 Abs. 1, Abs. 3, 22 StGB).

Ja, in der Tat!

Scheitert eine Strafbarkeit wegen vollendeter Nötigung solltest Du immer an die versuchte Nötigung (§ 240 Abs. 3 StGB) denken.Eine Strafbarkeit wegen versuchter Nötigung setzt voraus: (1) Vorprüfung: Nichtvollendung und Strafbarkeit des Versuchs (§ 240 Abs. 3 StGB) (2) Tatentschluss (3) Unmittelbares Ansetzen (4) Rechtswidrigkeit (5) Schuld (6) Kein RücktrittU wollte, dass S aufgrund der Drohung andere Entscheidungen trifft. Sie war zur Tat entschlossen. Zudem hat sie dir Drohung bereits ausgesprochen. Mit dem Einsatz des Nötigungsmittels liegt ein unmittelbares Ansetzen vor. U handelte auch rechtswidrig und schuldhaft und ist nicht vom Versuch zurückgetreten.

3. U könnte sich zudem wegen Bedrohung strafbar gemacht haben, indem sie S sagte, sie werde sie „blind” prügeln (§ 241 Abs. 2 StGB).

Ja!

Lies dir § 241 StGB einmal genau durch und achte besonders auf die unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen der Absätze 1 und 2.Dafür müsste U der S die Begehung eines gegen sie gerichteten Verbrechens angedroht haben. U müsste dabei vorsätzlich gehandelt haben. Die Tat müsste zudem rechtswidrig und schuldhaft begangen worden sein.U hat der S in Aussicht gestellt, sie werde sie bis zur Blindheit verprügeln. Darin liegt die Bedrohung mit einem gegen S gerichteten Verbrechen (§§ 223 Abs. 1, 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Auf den Eintritt dieses Übels (die Prügel) hat U auch Einfluss. U handelte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.

4. Abschließend prüfst Du die Konkurrenzen. Hat U durch dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzt?

Genau, so ist das!

Du musst die Konkurrenzen prüfen, wenn der Täter gegen mehrere Strafgesetze oder gegen dasselbe Strafgesetz mehrfach verstoßen hat. In diesem Rahmen musst Du dann erörtern, welche Gesetzesverletzungen bei der Festsetzung der Strafe zu berücksichtigen sind. Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze, liegt eine sog. Handlungseinheit vor. Diese führt in der Regel zu Tateinheit (§ 52 StGB). Ausnahmsweise führt die Handlungseinheit jedoch nicht zur Tateinheit, wenn Gesetzeskonkurrenz vorliegt. Das ist der Fall, wenn sich aus dem Verhältnis der Vorschriften zueinander ergibt, dass in Wirklichkeit nur eine von ihnen anwendbar ist. Die Fälle der Gesetzeskonkurrenz bei der Tateinheit sind: Spezialität, Subsidiarität und Konsumtion. U hat sich wegen einer versuchten Nötigung (§ 240 Abs. 1, Abs. 3 StGB) sowie einer Bedrohung (§ 241 BGB) strafbar gemacht. Beides erfolgte durch ein und dieselbe Handlung, indem U der S in Aussicht stellte, sie würde S verprügeln, wenn sie nicht freundlicher für Us Team pfeifen würde. Die verwirklichten Delikte könnten in Tateinheit zueinander stehen, sofern keine Gesetzeskonkurrenz besteht.

5. § 241 StGB könnte im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter § 240 Abs. 1, Abs. 3 StGB zurücktreten. Könnte dies der Fall sein, wenn das Unrecht der Bedrohung vollständig im Unrecht der versuchten Nötigung enthalten wäre?

Ja, in der Tat!

Die bisherige Rspr. hatte angenommen, dass die Bedrohung hinter der versuchten Nötigung im Wege der Konsumtion zurücktritt. Sie argumentierte damit, dass die Bedrohung neben der versuchten Nötigung kein selbstständiges Unrecht normiere. Aber Achtung: Der § 241 StGB wurde im Jahr 2021 reformiert. § 241 Abs. 2 StGB hat nun eine höhere Höchststrafe von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe. Es gibt allerdings noch keine gefestigte Rspr. des BGH zu der Frage, wie sich das auf die Konkurrenzen auswirkt. Für das Vorliegen einer Gesetzeskonkurrenz zwischen Bedrohung und Nötigung führte die bisherige Rspr. weiterhin aus, dass die Nötigung ein Erfolgsdelikt sei. Der verwirklichte Unrechtsgehalt verdränge die Bedrohung als abstraktes Gefährdungsdelikt auch dann, wenn nur ein Versuch vorläge.

6. Die Bedrohung und die Nötigung schützen nach (neuerer) Rspr. des BGH verschiedene Rechtsgüter. Spricht das dafür, dass die Bedrohung im Wege der Konsumtion hinter der versuchten Nötigung zurücktreten soll?

Nein!

Konsumtion liegt nur vor, wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen der anzuwendenden Straftatbestände bereits erschöpfend erfasst wird.Der 4. und 5. Strafsenat des BGH neigen in neueren Entscheidungen dazu, Konsumtion abzulehnen: Die Nötigung schütze die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung. § 241 StGB schütze den subjektiven Rechtsfrieden des Einzelnen. Die unterschiedlichen Rechtsgüter sprächen dagegen, dass der Unrechtsgehalt der Bedrohung von der versuchten Nötigung umfasst werde. Auch wegen des verschärften Strafrahmens des § 241 Abs. 2 StGB läge Tateinheit nahe. Dieser spricht dafür, dass der Gesetzgeber das Unrecht der versuchten Nötigung nicht mehr als deutlich schwerer als das Unrecht der Bedrohung mit einem Verbrechen gewichtet.Der BGH musste die Frage bisher nicht abschließend klären. Wenn Du das Problem in der Klausur erkennst und dich begründet entscheidest, ist das schon super!
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