Vorteilssicherungsabsicht

18. Januar 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Taxifahrer T holt die Diebe A und B vom Tatort ab. A und B bringen so ihre Beute in Sicherheit. T, der von dem Diebstahl weiß, erhält für die Fahrt den üblichen Taxifahrlohn.

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Einordnung des Falls

Vorteilssicherungsabsicht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat A und B bei der Sicherung der Vorteile aus der Vortat Hilfe geleistet, indem er sie im Taxi fuhr (§ 257 Abs. 1 StGB).

Ja!

Hilfeleisten meint jede Handlung, die objektiv geeignet ist, die Vorteile dagegen zu sichern, dass sie dem Vortäter zu Gunsten des Verletzten entzogen werden.T hat A und B vom Tatort weggefahren. Sie konnten so ihre Beute gegen Zugriff in Sicherheit bringen. T hat A und B Hilfe geleistet.
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2. T müsste für eine Strafbarkeit nach § 257 Abs. 1 StGB vorsätzlich und mit Vorteilssicherungsabsicht gehandelt haben.

Genau, so ist das!

Der Täter der Begünstigung muss wie stets vorsätzlich, also zumindest mit Eventualvorsatz, hinsichtlich des objektiven Tatbestands handeln (§ 15 StGB). Darüber hinaus muss der Täter mit Absicht (=dolus directus 1. Grades) hinsichtlich der Sicherung der Beute gehandelt haben. Eine solche Vorteilssicherungsabsicht liegt vor, wenn es dem Täter als End- oder Zwischenziel darauf ankommt, im Interesse des Vortäters die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes zu verhindern oder zu erschweren. Eine solche Absicht kann aber auch gegeben sein, wenn der Täter den Erfolg nicht um seiner selbst Willen herbeiführt. Eigennützige Motive und Vorteilssicherungsabsicht schließen sich damit nicht aus.

3. Handelte T vorliegend absichtlich bezüglich der Vorteilssicherung?

Ja, in der Tat!

T bot die Taxifahrt an, um den üblichen Fahrlohn zu erhalten. Es kommt jedoch nicht auf diesen unmittelbaren Beweggrund an. T hat - um den Fahrlohn zu erhalten - den bestimmten Willen betätigt, A und B die Vorteile der Tat zu sichern. Nur durch die Vorteilssicherung konnte T den Lohn erhalten. Sie war für ihn damit ein notwendiges Zwischenziel. T handelte mit Vorteilssicherungsabsicht. Hinsichtlich der Vortat und seiner Tathandlung handelte er zudem vorsätzlich.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Skywalker

Skywalker

5.3.2024, 21:17:51

Da T die A und B hier vom Tatort abholt und die Beute noch nicht gesichert ist (nicht beendete Vortat!) müsste zunächst einmal eine Abgrenzung zwischen sukzessiver Beihilfe und Begünstigung diskutiert werden. Im Stadium zwischen vollendeter und beendeter Tat hält die h.M. eine

sukzessive Beihilfe

grundsätzlich für möglich und nimmt eine Abgrenzung zur Begünstigung durch Betrachtung des subjektiven Willens des Täter vor. Es stellt sich also die Frage, ob es dem Täter vorrangig um die Förderung der Tat (Beihilfe) oder um die Vorteilssicherung (Begünstigung) geht. Im vorliegenden Fall scheint mir eine Abgrenzung sehr schwierig, allerdings liegt das Zwischenziel der Tatförderung mir dann noch näher als das Zwischenziel der Vorteilssicherung. Deshalb ist es m.M.n. durchaus vertretbar hier ein "

Hilfeleisten

" i.S.v. §257 I bereits im objektiven

Tatbestand

abzulehnen.

L.G

L.Goldstyn

5.8.2024, 17:56:53

Danke für den Hinweis, Skywalker! Noch ein ergänzender Hinweis: Wenn eine Abgrenzung nach der inneren Willensrichtung des Täters in dieser Konstellation derart schwierig ist, ist das ein guter Anhaltspunkt dafür, dass der Klausursteller ein Freund der Literaturauffassung ist, wonach eine Abgrenzung zwischen Beihilfe und Begünstigung nicht notwendig sei, aber die Beihilfe auf Konkurrenzebene der Begünstigung vorgehe, die lediglich mitbestrafte Nachtat ist. Denn gerade dadurch möchte der Klausursteller aufzeigen, dass eine verlässliche Abgrenzung nach der inneren Willensrichtung, wie die Rspr. sie vornimmt, nicht möglich ist (= das Hauptargument der Literatur).

LOU

louisaamaria

1.1.2025, 14:54:32

Im Ergebnis hätte der Taxifahrer die Fahrt also ablehnen müssen, um einer strafrechtlichen Verantwortung zu entgehen, oder? Ich bin mit den genauen Regelungen des PBefG nicht vertraut, aber soweit ich mich erinnere, besteht für Taxiunternehmen gemäß § 22 PBefG eine Beförderungspflicht sowie ein

Kontrahierungszwang

. Insofern würde sich die Frage stellen, ob der Taxifahrer nicht in einem echten Dilemma steckt: Entweder er verweigert den Abschluss des Beförderungsvertrags und riskiert Schadensersatzansprüche oder möglicherweise eine Ordnungswidrigkeit, oder er führt die Fahrt aus und begeht möglicherweise eine Straftat. Das ist eher eine zivilrechtliche Frage und dürfte hier nicht ganz passend sein, aber wäre der Taxifahrer im Fall einer Ablehnung zivilrechtlich gerechtfertigt? Oder könnte die Schädigung – wenn man sie auf

§ 826 BGB

stützt – als nicht sittenwidrig angesehen werden? Umgekehrt: Würden diese zivilrechtlichen Überlegungen in der strafrechtlichen Bewertung überhaupt Berücksichtigung finden?

JAK

Jakob Köhler

7.1.2025, 16:28:00

Ich würde hier eine Ausnahme zu dem besagten § 22 PBefG und der Beförderungspflicht sehen wollen. Dieser Vertrag könnte von vornherein nach § 138 Abs. 1 BGB wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten (also der Handlung gegen die Rechtsordnung durch Verwirklichung des § 257 StGB) nichtig sein. Bei der Relevanz für die strafrechtliche Fallbearbeitung wäre ich mir aber auch unsicher.


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