Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Anfechtung der Willenserklärung
Grundfall: § 122 Abs. 1 BGB (Aufwendungen bei Vertragserfüllung)
Grundfall: § 122 Abs. 1 BGB (Aufwendungen bei Vertragserfüllung)
2. April 2025
21 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft von V einen Sessel für €800 in der Erwartung, er sei antik. V verpflichtet sich, den Sessel unentgeltlich an K zu übersenden. Als K dort merkt, dass es sich um einen neuen Sessel handelt, erklärt er gegenüber V den „Rücktritt“. V fordert Schadensersatz.
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Einordnung des Falls
Grundfall: § 122 Abs. 1 BGB (Aufwendungen bei Vertragserfüllung)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K und V haben einen Kaufvertrag über den neuen Sessel geschlossen (§ 433 BGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Steht K ein Anfechtungsrecht zu (§§ 119 ff. BGB)?
Ja!
3. K hat die Anfechtung gegenüber dem richtigen Anfechtungsgegner und innerhalb der Frist erklärt (§§ 143, 121 BGB).
Genau, so ist das!
4. War V sich bewusst, dass K einen antiken Sessel kaufen wollte (§ 122 Abs. 2 BGB)?
Nein, das trifft nicht zu!
5. Bei den aufgewendeten Versandkosten handelt es sich um einen Vertrauensschaden (§ 122 Abs. 1 BGB)?
Ja!
6. V hätte durch den Verkauf an K €300 verdient. Liegt diesbezüglich ein Vertrauensschaden vor (§ 122 Abs. 1 BGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
7. Die Versandkosten i.H.V. €30 übersteigen nicht Vs Erfüllungsinteresse und können von V deshalb nach § 122 Abs. 1 BGB geltend gemacht werden.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Daniel
29.3.2024, 11:47:19
Die kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften sind nicht vorrangig, da sie mangels Vorliegens eines Sachmangels gar
nicht einschlägigsind, richtig? Wäre das Thema dann in der Klausur einfach zu übergehen oder sollte dazu knapp was geschrieben werden? Wenn letzteres der Fall ist, dann wäre es cool, wenn es auch in dem Fall Berücksichtigung finden würde.

Gruttmann
29.3.2024, 12:43:51
Ich verstehe deinen Punkt. In der zweiten Frage (glaube ich) wird in der Vertiefung erwähnt, dass es kein "Sachmangel" ist. Ich denke, dass man in einer Klausur dazu kurz etwas schreiben sollte. Zum Beispiel eine kurze Begründung, warum man § 119 || BGB überhaupt anwenden kann. Jedoch denke ich, dass in einer BGB AT Klausur so etwas noch nicht erwartet wird. Trotzdem könnte es Bonuspunkte dafür geben, weshalb das Hinzufügen einer Fallfrage hier tatsächlich sinnvoll wäre :)

Lukas_Mengestu
30.3.2024, 13:03:09
Hallo Daniel, genau so ist es. Das Anfechtungsrecht nach § 119 Abs. 2 BGB besteht nur insoweit, wie dadurch nicht die vorrangigen Kaufmängelgewährleistungsrechte umgangen werden. Eine Anfechtung des Kaufvertrags wegen eines "Irrtums über die Mangelfreiheit" der Kaufsache, ist also nicht möglich. Eine solche Umgehung liegt im vorliegenden Fall nicht vor, da - wie Du zutreffend ausführst - hier kein Sachmangel besteht. Ob und in welchem Umfang Ausführungen dazu erwartet werden, lässt sich pauschal nur schwer beantworten. Auf der sicheren Seite bist Du jedenfalls, wenn Du dies kurz erwähnst. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Stella2244
3.11.2024, 18:47:46
Warum liegt hier kein Sachmangel vor? Wie würde man das begründen?
hannabuma
22.11.2024, 19:29:07
@[Stella2244](227540) Kurz: Der Käufer erwartet lediglich, dass der Sessel antik ist. Weder kommuniziert er diese Erwartung irgendwie mit dem Verkäufer (subjektiv), noch kann er nach den objektiven Umständen einen antiken Sessel erwarten. Im Gegenteil steht vor dem Sessel ja sogar ein Schild, das auf die Neuwertigkeit hinweist.

nullumcrimen
2.6.2024, 16:01:04
Würde hier ein Sachmangel bestehen, wenn der Verkäufer den Sessel als “antik” verkauft hätte? Und was wäre, wenn zB die Versandkosten den eigentlichen Gewinn (hier 300€) überschreiten würden?
Leo Lee
3.6.2024, 10:52:12
Hallo nullumcrimen, vielen Dank für die sehr gute Frage! Du hast völlig recht: Wenn der Verkäufer die Sache explizit als „antik“ verkauft hätte und sich die Parteien hierauf geeinigt hätten, wäre die „antike“ Natur eine
Beschaffenheit, die vereinbart würde, weshalb diesbzgl. ein Mangel vorliegen würde. Bzgl. deiner zweiten Frage: Wenn die Versandkosten höher wären als die eig. 300 Euro, würde 122 I a.E. greifen, weshalb hier die Obergrenze. Von 300 Euro gelten würde! Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Armbrüster § 119 Rn. 19 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Johannes Nebe
22.6.2024, 14:55:16
Ich weiß nicht, ob es hilfreich ist, darauf hinzuweisen. Der eigentliche Gewinn muss der Gewinn nach Abzug der Versandkosten (oder anderer Transaktionskosten) sein. Andernfalls wären Konstellationen schwer denkbar, bei denen die Versandkosten den eigentlichen Gewinn überschreiten.
Dogu
4.6.2024, 18:59:35
Muss der Anfechtungsgrund genannt werden?
Timurso
5.6.2024, 12:06:48
Nein, es reicht aus, wenn aus der Erklärung hervorgeht (im Zweifel durch Auslegung), dass der Vertrag angefochten werden soll. Dafür spricht u.a., dass der Laie diesen nur schwer richtig begründen kann, sondern sich ja oft bereits über die Wahl des richtigen
Rechtsgeschäfts irren. Natürlich geht damit ein Risiko für den Erklärungsempfänger einher, der u.U. nicht einschätzen kann, ob das
Rechtsgeschäftwirksam ist oder nicht.
Dogu
5.6.2024, 12:11:45
Danke

Johanna K
3.7.2024, 14:28:38
Was wäre, wenn K entsprechend die Versandkosten übernommen hätte? Dann wäre folglich der Anspruch aus §
122 BGBnicht durchgegangen oder?
Stella2244
3.11.2024, 18:49:40
Antonia
6.9.2024, 11:17:32
Ist der vorliegende Fall ein Fall des
Identitätsirrtums (error vel objecto) mit der Folge, dass sowohl ein Inhalts- wie auch
Eigenschaftsirrtumvorliegt?
Stella2244
24.1.2025, 19:08:42
Ich verstehe den Ausschluss der Anfechtung nach § 119 II BGB bei Mängelgewährleistung nicht ganz. In diesem Fall ist das Mängelgewährleistungsrecht nicht anwendbar, da kein Sachmangel vorliegt. Folglich kann K also einfach nach § 119 II anfechten. Wird der Verkäufer so nicht schlechter gestellt, als wenn ein Mangel vorliegen würde? Denn dann wäre das Mängelgewährleistungsrecht anwendbar und eine Anfechtung nicht möglich. Ist das nicht paradox? Der Verkäufer sollte doch schlechter gestellt werden, wenn ein Mangel vorliegt und nicht andersherum. @leolee