Öffentliches Recht
Grundrechte
Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 GG)
Kopftuch 3: Lehrerin mit Kopftuch
Kopftuch 3: Lehrerin mit Kopftuch
20. Mai 2025
22 Kommentare
4,7 ★ (21.383 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Bundesland B erlässt ein Gesetz, das es im Einzelfall ermöglicht, Lehrerinnen im Dienst das Kopftuch zu verbieten. Kopftuch-Trägerin A verbreitet im Unterricht gefährliche islamistische Propaganda. Lehrerin C, ebenfalls mit Kopftuch, verhält sich neutral und stets vorbildlich. Die öffentliche Schule S verbietet A das Kopftuch, C nicht.
Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Kopftuch 3: Lehrerin mit Kopftuch
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Fällt das Tragen des Kopftuchs am Arbeitsplatz mit schutzwürdigen Minderjährigen in den Schutzbereich der Glaubensfreiheit?
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Das Kopftuch-Verbot für A stellt einen Eingriff in den Schutzbereich ihrer Glaubensfreiheit dar.
Genau, so ist das!
3. Mit dem neuen Gesetz des Bundesland B besteht eine taugliche Ermächtigungsgrundlage für den Eingriff.
Ja, in der Tat!
4. Das Tragen eines Kopftuchs durch die Lehrerinnen steht im Widerstreit mit anderen kollidierenden Verfassungsgütern.
Ja!
5. Die Glaubensfreiheit genießt als Ergebnis einer Abwägung der widerstreitenden Verfassungsgütern Pauschalvorrang.
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Ist der Eingriff in die Glaubensfreiheit der A verfassungsrechtlich gerechtfertigt?
Ja, in der Tat!
7. Wäre ein Kopftuch-Verbot für Lehrerin C ebenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt?
Nein!
8. Eine gesetzliche Regelung, die pauschal das Tragen des Kopftuchs als Lehrerin verbietet, ist mit der Glaubensfreiheit vereinbar.
Nein, das ist nicht der Fall!
9. Laut BVerfG steht dem Gesetzgeber beim Erlass von Normen zur Regelung des Kopftuch-Tragens im öffentlichen Dienst ein Einschätzungsspielraum zu.
Ja, in der Tat!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Sassun
19.9.2024, 11:01:28
Da es leider bisher nur sehr begrenzt Aufgaben zur Rechtfertigung in der Lerneinhe
it Grundrechte gab würde ich zumindest vorschlagen ein Schema für die Rechtfertigungen der einzelnen GR aufzunehmen. Ein kleiner Vorschlag mit Bitte um Verbesserung, sollte etwas nicht stimmen: I. Schutzbereich 1. Persönlich [+] 2. Sachlich [a) Glaube aa) Forum externum (1)
Bekenntnisfreiheit/ (2) Betätigungsfreiheit (3) ggf. Plausibilitätskontrolle bb) Forum internum / b)
WeltanschauungII. Eingriff 1. Klassisch [+] 2. Modern III. Rechtfertigung 1. Schranke ( = Einschränkungsmöglichkeiten von Art. 4 I, II GG) Grds. nur kollidierendes Verfassungsrecht. Aufgrund
Vorbehalt des Gesetzesaber formelles Gesetz als EMGL a) Formelles Gesetz als EMGL b) Verfassungsimmanente Schranken aa) insb. Grundrechte
Dritterbb) andere Verfassungswerte zB Neutralitätsgebot 2. Schranke-Schranke (= Begrenzung der Schranke) a) Verfassungsmäßigkeit des eingreifenden formellen Gesetzes [...] b) Verhältnismäßigkeit des
Einzelaktes idR Schwerpunkt: Abwägung der GR und praktische Konkordanz

pio1sn
13.12.2024, 15:36:17
Danke, das ist wirklich hilfreich für die eigene Sortierung der ganzen Prüfungspunkte 👍
Amelie7
19.10.2024, 11:27:47
Wo genau ist hier der Unterschied zur Kruzifix Entscheidung?

DeliktusMaximus
11.11.2024, 14:23:55
Wenn ich das richtig verstanden habe, ist ein Kopftuchverbot der islamistischen Lehrerin gerechtfertigt, da ihr Kopftuch in diesem Fall ein Ausdruck ihrer islamistischen Grundhaltung ist, während es bei der muslimischen Lehrerin diskriminierend wirkt. Das religiöse Symbol wird also direkt auf die Person übertragen, während es in der Kruzifix Entscheidung um ein Kruzifix an der Wand ging, welches sich nicht mit den konkreten Aussagen eines Lehrers verbinden lässt.
pulinho
17.12.2024, 14:09:15
Gibt es keine andere Möglichkeit als ein Kopftuchverbot? Das Verbreiten solcher Aussagen als Lehrerin sind natürlich unangebracht und müssen verboten werden. Allerdings ist es doch ebenfalls wichtig zu zeigen, dass es innerhalb des Islams verschiedene Vorstellungen gibt. Das Kopftuchverbot verfehlt mM ihre Wirkung, da eine große Zahl muslimischer Frauen Kopftuch tragen und nicht nur Menschen mit extremeren Ansichten. Dass die Lehrerin wegen des Kopftuchverbots in Zukunft solche Aussagen unterlässt erschließt sich mir nicht und halte ich nicht für sinnvoll.
jurafuchsles
6.3.2025, 12:07:14
Man kann sie daher sicher daneben auch entlassen, es besteht ja eben auch kein pauschales kopftuchverbot, da das nicht verfassungsgemäß wäre, daher darf die andere Lehrerin ihrKopftuch ja auch tragen.
zuso
8.5.2025, 11:49:29
Ich stimme Pulinho hier zu. Ich hab mich nämlich gefragt, was die Konsequenz für A wäre. Wenn sie das Kopftuch nun tatsächlich ablegen und weiterhin lehren würde, hätte sie immer noch die Möglichkeit ihre Ansichten im Unterricht zu verbreiten. So gesehen finde ich ein Kopftuchverbot in diesem Fall auch nicht wirklich effektiv.
okalinkk
12.3.2025, 20:29:33
was ist mit dem Konfrontationsschutz. Es gibt zwar keinen allgemeinen Konfrontationsschutz, aber in einer anderen Aufgabe habt ihr eine Ausnahme genannt: und zwar in einer vom Staat geschaffenen Zwangslage, wenn ein Ausweichen unmöglich ist. so ist es ja hier wegen der schulpflicht. kann mir einer sagen, wieso das hier keine Erwähnung findet?
ÖA
8.5.2025, 16:40:16
schätze zum einen grundsätzlich "geringer" Eingriff, sofern die Lehrerin jetzt nicht die einzige ist, die die Kinder unterrichtet und zum anderen ja Schul und Klassenwechsel als alternativen in Betracht kommen. Oder ganz extrem homeschooling. Aber ne Erwähnung könnte es evtl. finden.
Juri
23.4.2025, 18:47:43
Vorliegend steht doch nicht das Tragen des Kopftuchs, sondern das Verbreiten der islamistischen Propaganda im Konflikt mit Verfassungsrecht. Natürlich ist das Kopftuch Ausdruck des Glaubens, aber das Tragen des Kopftuchs per se und das Verbreiten religiöser Propaganda sind doch zwei separate Handlungen, die voneinander zu trennen sind. Anderenfalls würde eben keine praktische Konkordanz hergestellt, sondern die Glaubensfreiheit (innerhalb der Schule) pauschal in all ihren Ausprägungen, die mit dem Glauben der A verbunden sind (auch weitere Kleidung oder andere äußere Merkmale, die auf die Religionszugehörigkeit schließen lassen) pauschal verboten werden, da diese auch Ausdruck des propagierten Glaubens sind. Sollte nicht eher allein gegen die Propaganda vorgegangen werden?
ÖA
8.5.2025, 16:42:47
das liegt damit zusammen, dass damit die Neutralitätspflicht des Staates "automatisch" beeinträchtigt wird. Ein Kopftuch ist grundsätzlich eigentlich nur ein Kleidungsstück. Erst mit islamistischer Propaganda wird dem Kopftuch einen "religiösen Charakter" verliehen. So würde ich das zumindest begründen. So kann ja auch C das Kopftuch weiterhin tragen.
Leo Lee
14.5.2025, 19:15:39
Hallo Juri, vielen Dank für deinen Beitrag! Zunächst können wir deine Ansicht nachvollziehen, dass das Tragen von religiösen Symbolen nicht pauschal gleichzusetzen ist mit der Verbreitung der Religion selbst. Wie ÖA jedoch hier zutreffend anmerkt, geht es hier erstmal "schlechthin" um die Beeinträchtigung der Neutralität des Staates. Deshalb ist es hier in der Tat von Bedeutung, was nach außen hin in Erscheinung tritt und welchen Eindruck das Bild auf den Empfänger hat. Und wenn ein Vertreter des Staates (etwa Lehrer) im religiösen Symbol offen auftritt, vermittelt es zunächst erstmal den Eindruck einer fehlenden Neutralität. Ob dies wirklich dann der Fall ist, ist dann anhand der Gesamtumstände i.R.e. Gesamtabwägung (dann auch i.V.m. mit der Frage, ob aktiv missioniert wird oder nicht) zu betrachten. Allerdings ist das Tragen des Kopftuchs grds. geeignet, die (nach außen hin vermittelte) Neutralität bzw. das Bild derer zu beeinträchtigen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo