Öffentliches Recht

Grundrechte

Allgemeine Grundrechtslehren

GR-Bindung beim Vollzug europäischen Rechts

GR-Bindung beim Vollzug europäischen Rechts

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der Bundestag erlässt zwei Gesetze als Reaktion auf jüngste EU-Gesetzgebung. Gesetz A ist unionsrechtlich vollständig vorgegeben (determiniert), Gesetz B füllt den bestehenden unionsrechtlichen Umsetzungsspielraum aus. Die C-Fraktion hält beide Gesetze für grundrechtswidrig und klagt vor dem BVerfG.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

GR-Bindung beim Vollzug europäischen Rechts

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Deutsches Recht steht über dem EU-Recht und ist daher alleiniger Maßstab für die Rechtmäßigkeit von deutschen Gesetzen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Im Verhältnis zwischen Europäischen Recht, also etwa der EU-Grundrechtscharta, und deutschem Recht gilt grundsätzlich ein Anwendungsvorrang des Unionsrechts. Das bedeutet, dass EU-Recht deutsches Recht im Kollisionsfall nicht ungültig werden lässt, es jedoch in seiner Anwendung sperrt. Dies gilt auch im Verhältnis zwischen den deutschen Grundrechten und der EU-Grundrechtscharta: letztere hat Anwendungsvorrang. Deutsches Recht ist daher nicht alleiniger Maßstab für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit deutscher Gesetze.
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2. Die EU-Grundrechtscharta genießt immer Anwendungsvorrang.

Nein, das trifft nicht zu!

Der unionsrechtliche Anwendungsvorrang gilt, wenn der Schutz der Grundrechtscharta weiter reicht als der der Grundrechte und auch, wenn der Schutz deckungsgleich ist. Wenn jedoch die Grundrechte weiter greifen als der Schutz der EU-Grundrechtscharta greift die sog. Meistbegünstigungsklausel (Art. 53 EU-Grundrechtscharta). Das heißt, es gilt der höhere Schutz der Grundrechte.

3. Gesetze A und B müssen aufgrund des Anwendungsvorrangs des Europarechts vom BVerfG beide ausschließlich am Maßstab der EU-Grundrechtscharta gemessen werden.

Nein!

Greift der unionsrechtliche Anwendungsvorrang, sind unionsrechtlich vollständig determinierte Akte, also Gesetze, die Unionsrecht umsetzen oder anwenden, konsequenterweise auch am Maßstab der Unionsgrundrechte zu messen. Handelt es sich um unionsrechtlich nicht voll determiniertes Recht und besteht ein Umsetzungsspielraum für die EU-Mitgliedsstaaten, misst das BVerfG den Rechtsakt hingegen am Maßstab der Grundrechte. Für das unionsrechtlich voll determinierte Gesetz A gilt also alleinig die EU-Grundrechtscharta als Maßstab. Das Gesetz B, welches unionsrechtlichen Umsetzungsspielraum ausfüllt, wird am Maßstab der Grundrechte gemessen. Die Grundrechte sind ausnahmsweise jedoch auch dann bei unionsrechtlich voll determinierten Akten als Maßstab heranzuziehen, wenn durch den Akt die deutsche Verfassungsidentität verletzt wird (Art. 79 Abs. 3 GG). Eine Anwendbarkeit der Grundrechte gilt auch für den Fall, dass der erlassene Rechtsakt der Union nach Auffassung des BVerfG nicht von Unionskompetenzen gedeckt ist. Zu diesen Ausnahmen mehr im Kurs Europarecht!
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