+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

E ist Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses, welches sie sanieren möchte. Hierzu plant sie sowohl den Austausch des Daches einschließlich Dachkonstruktion, als auch der Erdgeschossdecke. Nachdem beides entfernt worden ist, meint Baubehörde B, dass E für die Arbeiten eine Baugenehmigung benötigt.

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Einordnung des Falls

Verfahrensfreie Vorhaben 4

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Sanierung des Hauses ist eine Baumaßnahme (§ 2 Abs. 13 NBauO), sodass sie grundsätzlich einer Genehmigung bedarf, sofern sich aus der NBauO nichts anderes ergibt.

Ja!

Gemäß § 59 Abs. 1 NBauO bedürfen Baumaßnahmen der Baugenehmigung, soweit sich aus der NBauO nichts anderes ergibt. Eine Baumaßnahme ist gemäß § 2 Abs. 13 NBauO die Errichtung, die Änderung, der Abbruch, die Beseitigung, die Nutzungsänderung oder die Instandhaltung einer baulichen Anlage oder eines Teils einer baulichen Anlage.Der Austausch des Daches einschließlich Dachkonstruktion, sowie der Erdgeschossdecke ist die Instandhaltung und Änderung einer baulichen Anlage und damit eine Baumaßnahme gemäß § 2 Abs. 13 NBauO. Diese steht grundsätzlich unter dem Genehmigungsvorbehalt des § 59 Abs. 1 NBauO, sofern sich aus der NBauO nicht etwas anderes ergibt.
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2. Dachkonstruktionen, Dächer und Decken können verfahrensfreie Baumaßnahmen im Sinne der NBauO sein.

Genau, so ist das!

Gemäß § 60 Abs. 1 S. 1 NBauO dürfen die im Anhang genannten (Anhang NBauO) baulichen Anlagen ohne Baugenehmigung errichtet werden. Decken und Dachkonstruktionen in fertiggestellten Wohngebäuden unterfallen dem Verfahrensfreistellungstatbestand 12.1 des Anhangs der NBauO. Dächer von vorhandenen Wohngebäuden unterliegen der Verfahrensfreiheit nach 13.6 des Anhangs der NBauO.

3. Verfahrensfreie Baumaßnahmen können nicht miteinander kombiniert werden.

Nein, das trifft nicht zu!

Grundsätzlich können verschiedene Verfahrensfreistellungstatbestände des Anhangs zu § 60 Abs. 1 NBauO miteinander kombiniert werden. Etwas anderes gilt dann, wenn mehrere in einem engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführte Maßnahmen in der Gesamtschau eine über die Einzelmaßnahmen hinausgehende Zweckbestimmung verfolgen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Eingriff in den baulichen Bestand nach Qualität oder Quantität so stark ist, dass die ursprüngliche bauliche Anlage nicht mehr als „Hauptsache“ erscheint.Die Abgrenzung zwischen verfahrensfreien Instandhaltungsarbeiten und genehmigungspflichtigen Substanzerneuerungen ist mitunter sehr kompliziert. Die Grenze der verfahrensfreien Instandhaltung ist dort erreicht, wo die Eingriffe in die Substanz über das hinausgehen, was zum Ausgleich normaler Abnutzung oder Alterung erforderlich ist.

4. Die von E geplanten Sanierungsarbeiten sind genehmigungspflichtig.

Nein!

Instandhaltungsmaßnahmen sind dann genehmigungspflichtig, wenn mehrere in einem engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführte Maßnahmen in der Gesamtschau eine über die Einzelmaßnahmen hinausgehende Zweckbestimmung verfolgen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Eingriff in den baulichen Bestand nach Qualität oder Quantität so stark ist, dass die ursprüngliche bauliche Anlage nicht mehr als „Hauptsache“ erscheint.Die hier maßgeblichen Maßnahmen sind noch nicht als Wiederaufbau eines insgesamt baufälligen Gebäudes anzusehen. Mit den Außen- und tragenden Innenwänden des Gebäudes einschließlich der Bodenplatte, der Innentreppe, sowie der Türen und Fenster ist noch ein hinreichender Anteil der Bausubstanz vorhanden, um die Identität des genehmigten vorhandenen Gebäude zu wahren.

5. E kann ohne Baugenehmigung mit den Sanierungsarbeiten fortfahren.

Genau, so ist das!

Da die einzelnen Maßnahmen (Austausch des Daches einschließlich Konstruktion, Austausch der Erdgeschossdecke) unter die verfahrensfreien Baumaßnahmen fallen und im vorliegenden Fall kombiniert werden können, darf E ohne Baugenehmigung mit den Sanierungsarbeiten fortfahren.Das VG Oldenburg war noch der Auffassung, dass die Sanierung im Hinblick auf ihr Ausmaß einem Baugenehmigungsverfahren zu unterwerfen sei. Außerdem seien die Verfahrensfreistellungstatbestände (12.1 und 13.6) nicht erfüllt, da das Vorhaben nach der Entfernung der auszutauschenden Elemente kein “fertiggestelltes” Wohngebäude mehr im Sinne NBauO gewesen sei. Dem hat das OVG eine klare Absage erteilt, da der Wortlaut “fertiggestellt” und “vorhanden” lediglich der Klarstellung diene, dass die genannten Maßnahmen in der Phase der Errichtung nicht unter den Anwendungsbereich fallen.
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