Öffentliches Recht

VwGO

Verpflichtungsklage

Drittschutz im Bauordnungsrecht

Drittschutz im Bauordnungsrecht

9. April 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bauherrin B hat es sehr eilig mit dem Bau ihres neuen Hauses. Sie holt keine Baugenehmigung ein und missachtet einige bauordnungsrechtliche Vorschriften. Nachbarin N ist empört und will dagegen gerichtlich vorgehen.

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Einordnung des Falls

Drittschutz im Bauordnungsrecht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Statthaft ist die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO). Ist N klagebefugt, wenn sie einen möglichen Anspruch auf Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde hat?

Ja!

Die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) verlangt im Fall der Verpflichtungsklage, dass der Kläger möglicherweise einen Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt hat. Wenn der Kläger den Erlass eines Verwaltungsakts gegenüber einem Dritten begehrt, kann sich dieser Anspruch nur darauf stützen, dass eine drittschützende Norm verletzt wurde. Es reicht nicht aus, dass allein gegen die objektive Rechtsordnung verstoßen wurde. Der Kläger muss zudem im konkreten Fall zu dem geschützten Adressatenkreis der Norm gehören. Da B ohne Baugenehmigung und im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften baut, hat N möglicherweise einen Anspruch auf Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde (z.B. Art. 74 ff. BayBO, §§ 80 ff. BauO NRW, § 79 Abs. 1 NBauO). Die Vorschriften, die B verletzt hat, müssten (in Bezug auf Ns konkreten Fall) drittschützend sein.
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2. Die Vorschriften des Bauordnungsrechts dienen allein nachbarlichen Interessen und sind deshalb generell drittschützend.

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Bauordnungsrecht bestimmt detailliert, in welchem Umfang bzw. wie intensiv ein Grundstück bebaut werden darf. Bauordnungsrechtliche Vorschriften dienen zum überwiegenden Teil allein öffentlichen Interessen, insbesondere der Gefahrenabwehr, dem Interesse an einer geordneten Bebauung sowie der Einhaltung umweltrechtlicher oder sozialer Standards. Sie entfalten daher grundsätzlich keine drittschützende Wirkung. Eine Ausnahme gilt nur, wenn neben öffentlichen Interessen gezielt nachbarliche Interessen geschützt werden sollen. Für Deine Prüfung der Klagebefugnis bietet es sich an, dass Du zunächst feststellst, dass möglicherweise eine drittschützende Norm verletzt sein muss. Im nächsten Schritt solltest Du die Normen, die nach dem Sachverhalt in verletzt sein könnten, nennen und darlegen ob und inwieweit diese drittschützend sind.

3. B missachtet beim Bau die Vorgaben zum Brandschutz. Wirken diese drittschützend, soweit sie darauf gerichtet sind, Nachbargrundstücke vor Bränden zu schützen?

Ja, in der Tat!

Die Vorschriften des Bauordnungsrechts sind drittschützend, wenn sie neben öffentlichen Interessen gezielt nachbarliche Interessen schützen. Regelungen zum Brandschutz (z.B. Art. 12 BayBO, § 12 BauO NRW, § 14 NBauO) entfalten drittschützende Wirkung, soweit sie darauf zielen, das Übergreifen von Bränden auf Nachbargrundstücke zu verhindern und damit dem Schutz des Nachbarn dienen. Soweit Vorgaben zum Brandschutz dagegen darauf zielen, nur den Bewohner bzw. Benutzer des Grundstücks zu schützen, vermitteln sie keinen Drittschutz. Merke: Es kommt auf den konkreten Inhalt der Regelung an. Falsch wäre es, wenn Du ohne weitere Begründung nur darauf abstellst, dass eine Norm dem Brandschutz zuzuordnen ist.

4. B baut zudem zu nah an das Grundstück der N. Bleiben dadurch nachbarschaftliche Belange völlig unberührt?

Nein!

Bauordnungsrechtliche Vorschriften sind drittschützend, wenn sie neben öffentlichen Interessen gezielt nachbarliche Interessen schützen. Die Vorschriften über Abstandsflächen (z.B. Art. 6 BayBO, § 6 BauO NRW, § 5 NBauO) regeln die Lage eines Gebäudes auf einem Grundstück und den Abstand zum nächstliegenden Gebäude. Sie dienen der Erhaltung des sozialen Wohnfriedens und berühren deshalb in besonderem Maße nachbarliche Belange. Der Nachbar kann sich deshalb auf einen Verstoß gegen Regelungen über Abstandsflächen berufen. Zudem dienen die Vorschriften über Abstandsflächen der Sicherung ausreichender Belichtung, Besonnung und Belüftung der einzelnen baulichen Anlagen.

5. N ist klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO).

Genau, so ist das!

N ist klagebefugt, wenn sie möglicherweise einen Anspruch auf Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde (oder zumindest auf ermessensfehlerfreie Entscheidung) hat. Dies ist der Fall, wenn sie geltend machen kann, dass Bs Vorhaben drittschützende Normen verletzt hat und N zum geschützten Adressatenkreis gehört. B hat die Vorgaben zum Brandschutz sowie die Regelungen über die Abstandsflächen missachtet. Diese Regelungen sind drittschützend. N gehört als Bs direkte Nachbarin zum geschützten Adressatenkreis.. Weitere Beispiele im Bauordnungsrecht: Anforderungen für Stellplätze (z.B. Art. 47 BayBO, § 47 NBauO, § 48 BauO NRW) sind nicht drittschützend, da sie dem Schutz des fließenden Verkehrs dienen, nicht dem individuellen Anspruch auf einen Stellplatz. Vorschriften über die Baugestaltung (z.B. Art. 8 BayBO, § 10 NBauO, § 9 BauO NRW) wirken ebenfalls nicht drittschützend.
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