Öffentliches Recht
Grundrechte
Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG)
weiterer klarer Fall der Schmähkritik: Missachtung der Menschenwürde des Betroffenen
weiterer klarer Fall der Schmähkritik: Missachtung der Menschenwürde des Betroffenen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Nazi N hält eine öffentliche Rede, in der er über den körperlich behinderten Politiker P spricht. An einer Stelle sagt er: „Bei P handelt es sich um lebensunwertes Leben, das keinerlei Existenzberechtigung hat - man muss es vernichten!“. P erstattet Anzeige.
Diesen Fall lösen 77,9 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
weiterer klarer Fall der Schmähkritik: Missachtung der Menschenwürde des Betroffenen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Missachtung der Menschenwürde des Betroffenen setzt der Meinungsfreiheit Grenzen.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ist der sachliche Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) für Ns Äußerung - nach hier vertretener Ansicht - eröffnet?
Ja!
3. Die Äußerung des N beeinträchtigt Ps Menschenwürde. Tritt Ns Meinungsfreiheit in der Abwägung mit der Menschenwürde zurück?
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
CR7
20.7.2023, 16:52:53
Auch wenn es in den meisten BL kein Prüfungsstoff ist, wird hier eine Strafbarkeit nach § 130 I Nr. 1, Nr. 2 StGB zu bejahen sein, da Behinderte nach der Rspr. einen Teil der Bevölkerung darstellen und hier zu Gewaltmaßnahmen aufgefordert wird. Ggf. ergibt sich zusätzlich eine Strafbarkeit nach § 111 StGB.
Annika Sp
29.8.2024, 09:29:53
Also bei
Ehrverletzungen ist der Schutzbereich nicht eröffnet aber bei Missachtung der Menschenwürde schon? Ergibt für mich keinen Sinn. Dort müsste doch erst recht der Schutzbereich nicht eröffnet sein?
Wendelin Neubert
30.8.2024, 11:35:48
Danke für Deinen Hinweis @[Annika Sp](259951)! Nach der von uns vertretenen Auffassung ist der Schutzbereich der Meinungsfreiheit auch bei
Ehrverletzungen und bei möglicher Missachtung der Menschenwürde grundrechtsdogmatisch erst einmal eröffnet, aber die Meinungsäußerung muss in der Abwägung mit der Menschenwürde und dem Recht der persönlichen
Ehrezurücktreten. Wir folgen damit einer in Teilen der Literatur vertretenen Ansicht, die den Schutz der von einer Meinungsäußerung betroffenen
Rechtsgütern Dritter immer auf Ebene der Rechtfertigung behandelt, statt schon den Schutzbereich der Meinungsfreiheit hier nicht zu eröffnen. Deshalb sind
Ehrverletzungen und mögliche Missachtung der Menschenwürde gleich zu behandeln. Deine Frage deutet aber daraufhin, dass Du bei uns irgendwo gelesen hast, dass der Schutzbereich der Meinungsfreiheit bei
Ehrverletzungen gar nicht erst eröffnet ist. Das sollte - wegen der von uns vertretenen grundrechtsdogmatischen Ansicht – nicht so sein, aber ich will nicht ausschließen, dass sich in einer Aufgabe ein Fehler eingeschlichen hat. Sollte das der Fall sein, wäre ich Dir für einen entsprechenden Hinweis auf die entsprechende Aufgabe dankbar. Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team
HockHex
15.10.2024, 22:04:40
Ich dachte bei Menschenwürdeverletzungen findet überhaupt keine Abwägung statt, sondern der Menschenwürde wird immer der Vorzug gewährt? In der Aufgabe steht, dass es doch zu einer Abwägung kommt... weil es hier um eine private Äußerung geht?
Kai
5.11.2024, 13:14:23
Vielleicht denke ich gerade zu kompliziert, aber: Im Fall wird die Frage gestellt, ob die Meinungsfreiheit ggü. der Menschenwürde in der Abwägung zurücktritt. Während das im Fall bejaht wird, gilt die Menschenwürde doch absolut und ist "abwägungsfest". Daher dürfte doch eigentlich erst gar keine Abwägung stattfinden, sondern der Schutz der Menschenwürde absolut greifen, oder?
Amelie7
12.11.2024, 12:22:24
Was wäre denn ein Ausnahmefall, in dem der Schutzbereich in einem solchen Fall gar nicht erst eröffnet wäre, wenn solch ein extremer Fall es noch nicht ist?