Widerruf eines Maklervertrages

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Makler M1 schickt A per E-Mail ein Kurzexposé samt Provisionshöhe. A bittet in der Antwortmail um Details zum Haus, die M1 auch mailt. Weitere Informationen, als die Details zum Haus verschickt M1 nicht. A meldet sich nicht mehr. Nach 5 Monaten kauft A das Haus, vermittelt von Makler M2 und 15% günstiger. Später widerruft A den Maklervertrag mit M1.

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Einordnung des Falls

Widerruf eines Maklervertrages

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 11 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. In dem Versand des Kurzexposés liegt ein Angebot zum Abschluss eines Vertrags (§ 146 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Maklervertrag kommt nach den allgemeinen Regeln, also Angebot und Annahme, zustande. Dies kann auch konkludent geschehen. Es ist anhand Auslegung zu ermitteln, ob M1 mit dem Zusenden des Kurzexposés schon Rechtsbindungswille hatte (§§ 133, 157 BGB). Im vorliegenden Fall liegt lediglich eine invitatio ad offerendum, also eine unverbindliche Aufforderung an A, ein verbindliches Angebot abzugeben. Folglich kann A mit der Nachfrage nach mehr Informationen kein Angebot annehmen.
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2. Mit dem Versand der weiteren Informationen ist ein Maklervertrag zustande gekommen (§ 652 BGB).

Ja, in der Tat!

Der Maklervertrag kommt nach den allgemeinen Regeln, also Angebot und Annahme, zustande. Dies kann auch konkludent geschehen. In dem Versand des Kurzexposés durch M1 liegt eine invitatio ad offerendum. Hier wurde auch konkludent auf die Pflicht zur Provisionszahlung durch die Angabe der Höhe der Provision hingewiesen. Mit der Aufforderung, ihr mehr Informationen zu schicken, machte A ein Angebot auf Abschluss des Vertrags. Dieses nahm M1 mit dem Zusenden weiterer Informationen an. Der Maklervertrag (§ 652 BGB) ist wirksam zwischen M1 und A zustande gekommen.

3. Es ist ein wirksamer Hauptvertrag zustande gekommen.

Ja!

Der Hauptvertrag ist der Vertrag zwischen dem Kunden (Auftraggeber) dem Dritten. Voraussetzung ist nur ein wirksamer schuldrechtlicher Verpflichtungsvertrag zwischen dem Kunden und dem Dritten. Dies ist unabhängig von der Ausführung des Vertrags. Mangels entgegenstehender Informationen im Sachverhalt ist davon auszugehen, dass A das Haus wirksam gekauft hat. Der Hauptvertrag ist wirksam zustande gekommen.

4. M1 hat keine Maklerleistung erbracht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Maklervertrag kann zwei verschiedene Leistungen des Maklers enthalten. Entweder einen Nachweis über eine Gelegenheit des Abschlusses eines Vertrags (sog. Nachweismakler) oder die Vermittlung eines Vertrags (sog. Vermittlungsmakler). Der Nachweismakler hat den Auftragsgeber in die Lage zu versetzen, in konkrete Verhandlungen über den Hauptvertrag einzutreten. Der Vermittlungsmakler muss die Abschlussbereitschaft des Vertragspartners für den Hauptvertrag herbeiführen. M1 hat an A durch das Exposé eine Gelegenheit eines Abschlusses eines Immobilienkaufvertrags vermittelt.

5. M1’s Maklerleistung ist nicht kausal, da A das Haus günstiger gekauft hat.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Maklerleistung muss für das Zustandekommen des Hauptvertrags zumindest mitursächlich sein. Insbesondere bei Grundstücksgeschäften sinkt der Preis des Objekts häufig durch Aushandeln und durch die Zeit, die das Objekt auf dem Markt ist. Entscheidend ist, ob sich unter Würdigung dieser Umstände eine wirtschaftlich anderer darstellt als der, den M1 nachgewiesen hat. Dabei ist kein strenger Maßstab zu setzen. In Anbetracht dessen ist eine Unterscheidung des Preises von 15% nicht ausschlaggebend. Die Grenze der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit sieht der BGH bei circa 15%. Es wäre hier also auch ein anderes Ergebnis vertretbar.

6. M1’ Maklerleistung ist nicht kausal, da mehrere Monate zwischen der Maklerleistung und dem Abschluss des Hauptvertrags vergangen sind.

Nein!

Die Maklerleistung muss für das Zustandekommen des Hauptvertrags zumindest mitursächlich sein. Die Mitursächlichkeit der Nachweisleistung wird nicht mehr vermutet, wenn weniger als ein Jahr zwischen der Maklerleistung und dem Hauptvertragsschluss vergangen sind. Diese Vermutung kann auch widerlegt werden. Hier sind bisher „Monate“ vergangen, aber nicht mehr als ein Jahr. Die Mitursächlichkeit wird also (noch) vermutet. Gegen die Mitursächlichkeit gibt es keine Anhaltspunkte. M1’ Maklerleistung war somit kausal für den Schluss des Hauptvertrags.

7. Der Rechtsgrund für den Provisionsanspruch (Maklervertrag) könnte durch einen Widerruf untergegangen sein.

Genau, so ist das!

Voraussetzung für einen wirksamen Widerruf ist (1) ein Widerrufsrecht, welches durch eine (2) Widerrufserklärung (3) innerhalb der Widerrufsfrist ausgeübt wurde. In Betracht kommt hier ein Widerruf eines Fernabsatzvertrags (§§ 312, 312c, 312g Abs. 1 BGB).

8. Der persönliche Anwendungsbereich des Widerrufsrechts ist eröffnet.

Ja, in der Tat!

Aus § 312 BGB ergibt sich, dass ein Verbrauchervertrag vorliegen muss. § 310 Abs. 3 BGB sagt, was ein Verbrauchervertrag ist. Aus §§ 13, 14 BGB ergibt sich, was ein Verbraucher und was ein Unternehmer ist. A will das Haus zu privaten Zwecken nutzen. A ist Verbraucherin. M1 handelt im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit. Er ist Unternehmer. Ein Verbrauchervertrag liegt vor. Der persönliche Anwendungsbereich ist eröffnet.

9. Der Maklervertrag ist ein Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312c BGB.

Ja!

Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden (§ 312c Abs. 1 BGB). Vorliegend kam der Vertragsschluss zwischen M1 und A ausschließlich über E-Mail zustande. Es liegt ein Fernabsatzvertrag vor. Auch der sachliche Anwendungsbereich ist eröffnet. Nach einer alten Fassung der Vorschrift über den Fernabsatzvertrag war es umstritten, ob Maklerverträge Fernabsatzverträge sind. Dieses Problem wurde durch die Neufassung 2014 beseitigt.

10. A hat den Widerruf wirksam ausgeübt.

Genau, so ist das!

A hat den Widerruf erklärt (§ 355 Abs. 1 S. 2 BGB). In M1’s E-Mail war keine Widerrufsbelehrung beigefügt. Dies hat zur Folge, dass die Widerrufsfrist nicht anfängt abzulaufen (§ 356 Abs. 3 BGB). Die Rechtsfolge des Widerrufs ist, dass die auf den Abschluss des Maklervertrags gerichtete Willenserklärung ex nunc erlischt (§ 355 Abs. 1 S. 1 BGB).

11. M1 hat trotz des Widerrufs einen Anspruch auf seinen Maklerlohn.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Anspruch auf den Maklerlohn hat vier Voraussetzungen. Zunächst muss (1) ein gültiger Maklervertrag bestehen. Dann muss der Makler die (2) Maklerleistung erbringen. Der (3) Hauptvertrag muss wirksam zustande kommen. Zuletzt muss (4) die Maklerleistung kausal für den Vertragsschluss sein. Hier besteht kein gültiger Maklervertrag mehr. A hat ihre Willenserklärung wirksam widerrufen. Der Anspruch besteht nicht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dolusdave

Dolusdave

3.8.2022, 16:50:25

Hätte M1 seine Provision erhalten, wenn er keinen Fernabsatzvertrag mit A geschlossen hätte? Denn dann hätte A keine Möglichkeit zum Rücktritt/Widerruf. Meine Folgefrage wäre dann, ob A doppelt, also M1 und M2 bezahlen müsste?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

3.8.2022, 18:33:33

Hi Dolusdave, hätte sich A hier nicht von dem Vertrag lösen können, so hätte in der Tat eine doppelte Provisionspflicht bestanden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

LEKE

Leyla Keles

14.10.2022, 12:09:44

Hallo liebes Jurafuchs-Team, bei dem Maßstab zur Vermutung der Mitursächlichkeit der Nachweisleistung hat sich ein Fehler eingeschlichen. Es musste nicht „weniger“ sondern „mehr“ als zwölf Monate heißen.

Dogu

Dogu

17.8.2023, 11:57:11

Die Verbrauchereigenschaft des A fehlt im Sachverhalt. Mir ist auch bei anderen Fragen aufgefallen, dass nicht konsequent auf die Verbrauchereigenschaften der Beteiligten eingegangen wird, obwohl dies dann in der Musterlösung subsumiert wird.

Dogu

Dogu

17.8.2023, 11:57:38

Ein Haus kann auch eine Gewerbeimmobilie sein.

Johannes Nebe

Johannes Nebe

3.10.2023, 11:30:55

Dogu hat recht. Die Verbrauchereigenschaft des A fehlt im Sachverhalt und wird uns erst in der Subsumtion eröffnet. Von der Verbrauchereigenschaft hängt in diesem Fall eine Menge ab.

L.G

L.Goldstyn

28.7.2024, 16:50:22

Wenn keine Informationen vorliegen, die gegen eine Verbrauchereigenschaft sprechen, ist davon auszugehen, dass die jeweilige Person Verbraucher ist. Dies wird aus der Negativformulierung des § 13 BGB abgeleitet.

Sophix58

Sophix58

3.9.2023, 13:53:08

Ich bin etwas verwirrt, da einige Angaben im Sachverhalt zu fehlen scheinen, so insbes. auch der in der Lösung vorausgesetzte Hinweis auf die Provision in der zweiten E-Mail des Maklers, oder habe ich da etwas übersehen?👀

Johannes Nebe

Johannes Nebe

3.10.2023, 11:43:23

Für mich liegen alle Voraussetzungen für die Maklerprovision für M1 vor. M1 hat seine Leistung als Nachweismakler erbracht. Der Hauptvertrag wurde geschlossen. Die Maklerleistung war dafür kausal. Erst später wurde der Maklervertrag widerrufen und ex nunc unwirksam. Bei Entstehung des Maklerlohnanspruchs (§ 652 I 1 BGB) war der Maklervertrag noch wirksam. Übersehe ich etwas?

LELEE

Leo Lee

7.10.2023, 15:35:23

Hallo Johannes Nebe, wie du richtigerweise anmerkst, hat die ex-nunc Unwirksamkeit des Hauptvertrags keine Auswirkung auf die Wirksamkeit des Maklervertrags, sondern nur solche, die ex-tunc wirken. Beachte allerdings, dass es in diesem Fall um den Widerruf des MAKLERVERTAGS SELBST geht. D.h., wenn der Hauptvertrag widerrufen wäre, dann bestünden der Maklervertrag ohne Probleme. Weil jedoch der Maklervertrag selbst widerrufen wurde, gibt es keinen Anspruch (nachträglich) mehr auf den Maklerlohn :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Gruttmann

Gruttmann

18.4.2024, 09:07:56

Würde man mündlich am Telefon den Vertrag schließen und dann per Mail sich für das nette Gespräch bedanken und dann das Expose zusenden. Dann hätte der Verbraucher kein Widerrufsrecht oder? Der Vertrag wäre am Telefon zustande gekommen. Meine Frage lautet, ob der Vertragsschluss über das telefonieren, als Fernkommunikationsmittel gilt?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

18.4.2024, 16:29:12

Hallo Gruttmann, ausnahmsweise ist der Gesetzgeber bei dieser Frage mal außerordentlich hilfreich und präzise gewesen. Er hat das Fernkommunikationsmittel in § 312c Abs. 2 BGB nicht nur legaldefiniert, sondern auch Beispiele genannt. Diese enthalten unter anderem das Telefon. Es handelt sich um ein Fernkommunikationsmittel. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

L.G

L.Goldstyn

28.7.2024, 16:53:24

„Vorliegend kam der Vertragsschluss zwischen M2 und A ausschließlich über E-Mail zustande.“ Richtig ist hier M1. Viele Grüße

Foxxy

Foxxy

29.7.2024, 15:10:01

Hallo, vielen Dank für Deinen Hinweis! Wir haben den Fehler auf unsere Liste gesetzt und werden ihn im nächsten Korrekturgang beheben. Deine Aufmerksamkeit hilft uns, die Qualität unserer Inhalte hochzuhalten. Wir werden diesen Thread als erledigt markieren, sobald wir den Fehler behoben haben. Beste Grüße, Foxxy, für das Jurafuchs-Team

Mila Streicher

Mila Streicher

2.9.2024, 11:09:40

Hallo @[L.Goldstyn](251555), vielen Dank für Deinen Hinweis. Wir haben die Aufgabe entsprechend angepasst. Beste Grüße - Mila für das Jurafuchs-Team


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