+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B gehört dem islamischen Glauben an. Seine Eltern begehren, dass er in eine sehr nah an ihrem Wohnhaus gelegene staatliche katholische Bekenntnisschule aufgenommen wird. Der Schulleiter lehnt den Antrag ab.
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Einordnung des Falls
Bekenntnisfremder Schüler in öffentlicher Bekenntnisschule
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. B bzw. seine Eltern sehen sich in ihren Grundrechten verletzt und ziehen nach erfolglosem Bestreiten des Rechtswegs vor das BVerfG. Ist die Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) einschlägig?
Ja!
Die Verfassungsbeschwerde ist die richtige Verfahrensart, wenn sich der Beschwerdeführer durch einen Akt der öffentlichen Gewalt in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt sieht (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG).
B bzw. seine Eltern sehen sich durch die Ablehnung der Aufnahme in die katholische Bekenntnisschule und die sie bestätigende verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen in ihrer Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1, 2 GG), dem elterlichen Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) und ihrem Recht, über die Teilnahme ihres Sohnes am Religionsunterricht zu bestimmen (Art. 7 Abs. 2 GG) verletzt.
Hintergrund der gerügten Verletzung von Art. 7 Abs. 2 GG ist, dass B’s Eltern es abgelehnt hatten, dass B am katholischen Religionsunterricht und den Gottesdiensten, die Teil der katholischen Erziehung der Bekenntnisschule sind, teilnimmt. Dies war ein Grund für die Ablehnung von B’s Einschulung.
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2. Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung in hinreichend substantiierter Weise dargelegt wird (§§ 23 Abs. 1 S. 2, 92 BVerfGG).
Genau, so ist das!
Eine hinreichende Begründung der Verfassungsbeschwerde (§§ 23 Abs. 1 S. 2, 92 BVerfGG) setzt voraus, dass der die Rechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen wird. Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde muss der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinandersetzen und deutlich machen, inwieweit durch diese seine Grundrechte verletzt sind.
Normalerweise liegen die Probleme der Zulässigkeit in der Klausur nicht bei einer unzureichenden Begründung der Verfassungsbeschwerde, sondern bei der Beschwerdebefugnis oder anderen Punkten.
3. Der Landesgesetzgeber ist grundsätzlich frei bei der Wahl der Schulform für die öffentliche Volksschule.
Ja, in der Tat!
Eine private Volksschule ist als Gemeinschafts-, Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule nur zuzulassen, wenn eine öffentliche Schule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht (Art. 7 Abs. 5 GG). Somit geht das GG davon aus, dass diese Schulformen auch als öffentliche Schule zulässig sind. Zudem genießen die Länder weitgehende Gestaltungsfreiheit im Schulwesen, welche auch in Bezug auf die weltanschaulich-religiöse Ausprägung der öffentlichen Schulen gilt.
Daher hält sich das BVerfG bei der Beurteilung schulrechtlicher Regelungen der Bundesländer grundsätzlich zurück (RdNr. 24).
4. Der Landesgesetzgeber darf öffentliche Bekenntnisschulen errichten. Dabei bestehen zwangsläufig Differenzierungen zwischen den Schulformen, welche verfassungsrechtlich entsprechend zu würdigen sind.
Ja!
Diese erforderliche differenzierte Betrachtungsweise hat das BVerfG in seiner Kruzifix-Entscheidung hervorgehoben und dabei die besondere Stellung der Bekenntnisschulen unterstrichen. Es hat nämlich ausgeführt, dass die Anbringung eines Kreuzes in Unterrichtsräumen einer staatlichen Pflichtschule, die keine christliche Bekenntnisschule ist, mit Art. 4 Abs. 1 GG unvereinbar sei. Für öffentliche Bekenntnisschulen gelten aber andere Maßstäbe auch im Hinblick auf die Stellung des Religionsunterrichts (RdNr. 25).
Mit dieser Argumentation habe sich die Verfassungsbeschwerde nicht substantiiert auseinandergesetzt, obwohl die Fachgerichte darauf eingegangen sind und den Religionsunterricht in Bekenntnisschulen als zu deren elementarem Kern gehörend und als wesentlichen Teil ihrer Identität bewertet haben (RdNr. 25).
5. Der Staat ist verpflichtet in weltanschaulich-religiöser Hinsicht Neutralität zu wahren.
Genau, so ist das!
Die Pflicht zur weltanschaulich-religiöser Neutralität verwehrt dem Staat die Einführung staatskirchlicher Rechtsformen und untersagt die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse ebenso wie die Ausgrenzung Andersgläubiger. Der Staat hat auf eine am Gleichheitssatz (Art. 3 GG) orientierte Behandlung der verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu achten und darf sich nicht mit einer bestimmten Religionsgemeinschaft identifizieren.
Die Pflicht zur weltanschaulich-religiöser Neutralität ist in Fällen, in denen es um die Glaubensfreiheit geht, oft relevant.
6. Die staatliche Pflicht zur weltanschaulich-religiöser Neutralität bezieht sich auf alle staatlichen Schulen in gleicher Weise.
Nein, das trifft nicht zu!
Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der öffentlichen Bekenntnisschule ergibt sich aus dem Grundgesetz selbst, welches damit eine entsprechende Wertung vornimmt. Das Gebot weltanschaulich-religiöser Neutralität ist demnach hinsichtlich jeder Schulform differenziert zu betrachten (vgl. RdNr. 26).
Deswegen genügte die Verfassungsbeschwerde mit dem bloßen Verweis auf die staatliche Neutralitätspflicht nicht den Substantiierungsanforderungen.
7. Kollidieren zwei Verfassungsgüter miteinander, sind sie nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz in einen möglichst schonenden Ausgleich zu bringen.
Ja!
Nach der Rechtsprechung des BVerfG hat das Interesse der Schüler und Eltern dabei im Konfliktfall im Wege der praktischen Konkordanz zurückzutreten, wenn zumutbare, nicht diskriminierende Ausweichmöglichkeiten zur Wahrung ihrer Grundrechte bestehen.
Hier kollidierte die nach Art. 7 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich vorausgesetzte und zulässige öffentlichen Bekenntnisschule mit den Grundrechten aus Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 6 Abs. 2 S. 1 und Art. 7 Abs. 2 GG. Allerdings gibt es öffentliche Gemeinschaftsschulen in der Nähe, deren Besuch B nach Ansicht der Verwaltungsgerichte zumutbar ist.
Auch mit dieser Argumentation haben sich die Beschwerdeführer nach Ansicht des BVerfG bei der Begründung ihrer Verfassungsbeschwerde nicht hinreichend auseinandergesetzt.
8. B’s Verfassungsbeschwerde ist unzulässig und hat daher keine Aussicht auf Erfolg.
Genau, so ist das!
Die Unzulässigkeit ergab sich hier daraus, dass die Verfassungsbeschwerde die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht in hinreichend substantiierter Weise aufzeigte (RdNr. 20). Insbesondere mangelte es an einer hinreichenden Auseinandersetzung einer etwaigen Rechtfertigung der geltend gemachten Grundrechtseingriffe.