Wertpapierdepotfall des BGH

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V verspricht Tochter T, ihr etwas zu schenken. V hat eine Vollmacht für das Wertpapierdepot des S. V überträgt einige Inhaberanteilsscheine aus dem Depot des S an T. Aus der Depotmitteilung ergibt sich, dass die Inhaberanteilsscheine aus dem Depot des S stammen, was T nicht liest.

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Einordnung des Falls

Wertpapierdepotfall des BGH

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat Eigentum an den Wertpapieren "erlangt" (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

„Etwas“ im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist jede vorteilhafte Rechtsposition. Der Vorteil muss tatsächlich in das Vermögen des Schuldners übergegangen sein. Man kann vier Kategorien unterscheiden: (1) Rechte (z.B. Eigentum), (2) vorteilhafte Rechtsstellungen (z.B. Besitz), (3) Befreiung von Verbindlichkeiten, (4) erlangte Nutzungen an fremden Sachen oder Rechten. Die Eigentumsübertragung erfolgt bei Inhaberanteilsscheinen nach den Regeln der §§ 929ff. BGB. Das Recht aus dem Papier folgt dem Recht am Papier. S war mit der Übertragung einverstanden, und zur Übergabe (§ 929 S. 1 BGB) genügt die Übertragung des mittelbaren Besitzes (§ 868 BGB), was mit der Übertragung auf das Wertpapierdepot der T geschah.
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2. T hat die Wertpapiere durch Leistung des V erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Nein!

Eine Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Die Zweckbestimmung der Leistung ist eine geschäftsähnliche Handlung. Das Vorliegen einer Leistung ist aus der objektiven Empfängersicht (§§ 133, 157 BGB) zu beurteilen. Eine allgemeine (Schenkungs-)Erklärung des V genügt nicht für eine zurechenbare Leistung. Auch wenn T die Depotmitteilung nicht gelesen hat, so ist diese dennoch für den Empfängerhorizont relevant. Nach dieser durfte T nicht von einer Leistung des V ausgehen. Vielmehr hat sie die Wertpapiere in sonstiger Weise erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JUL

Julian

19.11.2020, 17:31:36

Wieso ergibt sich hier aus der ungelesenen Depot Mitteilung, wenn sie trotz fehlender Kenntnis für den obj

empfängerhorizont

relevant ist, nicht eine Erlangung durch Leistung des S?

GI

GingerCharme

24.11.2020, 13:24:21

Leistung ist ja die bewusste, zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens. Aus dem SV ist nicht ersichtlich, dass S irgendeinen Willen dahingehend gebildet hat, dass Vermögen der Z zu mehren - dies war ein erlaubter, weil Bevollmächtigter Alleingang des V. Eine Leistung des V scheitert, weil ein objektiver Dritter denken musste, S hätte geleistet laut Depot-Mitteilung und eine Leistung des S scheitert mMn, da er keinerlei Bewusstsein zur Leistung hatte, lediglich aus seinem Vermögen heraus wurde geleistet. Deshalb käme ich auch zur Erlangung auf sonstige Weise, vorrangige Leistungsbeziehungen scheiden deshalb mMn aus.

GI

GingerCharme

24.11.2020, 13:25:11

*Typo: Z soll natürlich Empfängerin T sein.

GI

GingerCharme

24.11.2020, 13:27:48

Und gleich die zweite Eigenkorrektur: "lediglich aus seinem Vermögen heraus wurde geleistet", widerspricht meinem eigenen Punkt, dass gar keine Leistung vorlag - da hat sich Umgangssprache eingeschlichen und kann vielleicht in Gänsefüßchen gedacht etwas geschlampt trotzdem dahinstehen.

GRE

Gregor1234

8.12.2020, 21:54:38

Heißt das, dass es dafür, wer als Leistender in Betracht kommt, auf den objektiven

Empfängerhorizont

ankommt, aber das Leistungsbewusstsein tatsächlich (und nicht nur aus Sicht eines objektiven Dritten) vorliegen muss?

GI

GingerCharme

8.12.2020, 22:14:27

@Gregor1234 Soweit ich weiß bestimmt sich die Person des Leistenden nach einer MM immer aus Sicht des Zuwendenden und nach der h.M. immer aus Sicht des Empfängers, maßgelich ist also, wie ein verständiger Dritter in der Position des Empfängers die Vermögensmehrung durch den Zuwendenden verstehen durfte/musste. Nichts desto trotz muss der Zuwendende mMn in einem ersten Schritt bewusst und zweckgerichtet fremdes Vermögen gemehrt haben, sonst liegt rein objektiv schon gar keine Leistung vor. Dann kann er auch selbst dann kein Leistender sein, wenn dies objektiviert so verstanden werden musste, demnach würde ich dir im Ergebnis zustimmen, "Leistungsbewusstsein" muss generell schon vorliegen, sonst wird nicht durch denjenigen sondern nur aus dessen Vermögen heraus geleistet, wie vorliegend.

lawandchill

lawandchill

14.11.2021, 14:44:05

Ich dachte immer, dass es ‚das Recht an dem Papier folgt dem Recht aus dem Papier‘ heißt und nicht andersherum? Oder ist das hier anders?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.11.2021, 19:53:22

Hallo lawandchill, der Merkspruch ist etwas fies, denn es gibt tatsächlich beides. Man muss insoweit differenzieren zwischen a) Inhaberpapieren und b) Namenspapieren. Inhaberpapiere sind Wertpapiere bei denen der jeweilige Inhaber des Wertpapiers das verbriefte Recht geltend machen kann (zB Aktien). Die Übertragung folgt wie bei beweglichen Sachen nach den Regelungen der §§ 929 ff. BGB. -->Das Recht aus dem Papier, folgt dem Recht an dem Papier. Namenspapiere sind dagegen Wertpapiere die auf einen bestimmten Namen ausgestellt sind. Die Leistung soll direkt an den im Papier benannten Empfänger erfolgen. Das bekannteste Beispiel eines solchen Namenspapieres ist das Sparbuch oder der Versicherungsschein. Die Übertragung des Namenspapieres erfolgt insoweit durch Übertragung der zugrunde liegenden Forderung im Wege der Abtretung (§§ 398,

952 BGB

). -->Das Recht an dem Papier folgt dem Recht aus dem Papier Ich hoffe es wird dadurch etwas klarer. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

MO

Moi

2.6.2022, 10:30:50

Wieso kann S nicht geleistet haben, indem er von V vertreten worden ist?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.6.2022, 14:11:38

Hallo Moi, grundsätzlich wäre dies natürlich möglich. Hier liegen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, dass S hier, vertreten durch V, an T leisten wollte. Insofern scheidet eine Leistung des S hier ebenfalls aus. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JEN

Jenny

10.2.2024, 10:58:52

Weshalb reicht das fehlende Bewusstsein des S für einen Eigentumserwerb der T, aber nicht für eine Leistung durch S? Für den Eigentumserwerb wäre doch erforderlich, dass die Übergabe der Papiere "auf Veranlassung" des Veräußerers (S) erfolgt. Setzt das nicht auch ein gewisses Bewusstsein des S voraus?

CLA

Claim1

29.9.2024, 04:13:07

wieso kann T gutgläubig Eigentum an etwas erwerben, das dem S abhanden gekommen ist?

Paulah

Paulah

29.9.2024, 17:15:12

Es ist nichts abhanden gekommen. V hat eine Vollmacht für das Depot der S.


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