Wertpapierdepotfall des BGH
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V verspricht Tochter T, ihr etwas zu schenken. V hat eine Vollmacht für das Wertpapierdepot des S. V überträgt einige Inhaberanteilsscheine aus dem Depot des S an T. Aus der Depotmitteilung ergibt sich, dass die Inhaberanteilsscheine aus dem Depot des S stammen, was T nicht liest.
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Einordnung des Falls
Wertpapierdepotfall des BGH
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat Eigentum an den Wertpapieren "erlangt" (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hat die Wertpapiere durch Leistung des V erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Julian
19.11.2020, 17:31:36
Wieso ergibt sich hier aus der ungelesenen Depot Mitteilung, wenn sie trotz fehlender Kenntnis für den
obj empfängerhorizontrelevant ist, nicht eine Erlangung durch Leistung des S?
GingerCharme
24.11.2020, 13:24:21
Leistung ist ja die bewusste, zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens. Aus dem SV ist nicht ersichtlich, dass S irgendeinen Willen dahingehend gebildet hat, dass Vermögen der Z zu m
ehren - dies war ein erlaubter, weil Bevollmächtigter Alleingang des V. Eine Leistung des V scheitert, weil ein
objektiver Dritterdenken musste, S hätte geleistet laut Depot-Mitteilung und eine Leistung des S scheitert mMn, da er keinerlei Bewusstsein zur Leistung hatte, lediglich aus seinem Vermögen heraus wurde geleistet. Deshalb käme ich auch zur Erlangung auf sonstige Weise, vorrangige Leistungsbeziehungen scheiden deshalb mMn aus.
GingerCharme
24.11.2020, 13:25:11
*Typo: Z soll natürlich Empfängerin T sein.
GingerCharme
24.11.2020, 13:27:48
Und gleich die zweite Eigenkorrektur: "lediglich aus seinem Vermögen heraus wurde geleistet", widerspricht meinem eigenen Punkt, dass gar keine Leistung vorlag - da hat sich Umgangssprache eingeschlichen und kann vielleicht in Gänsefüßchen gedacht etwas geschlampt trotzdem dahinstehen.
Gregor1234
8.12.2020, 21:54:38
Heißt das, dass es dafür, wer als Leistender in Betracht kommt, auf den
objektiven Empfängerhorizontankommt, aber das Leistungsbewusstsein tatsächlich (und nicht nur aus Sicht eines objektiven Dritten) vorliegen muss?
GingerCharme
8.12.2020, 22:14:27
@Gregor1234 Soweit ich weiß bestimmt sich die Person des Leistenden nach einer MM immer aus Sicht des Zuwendenden und nach der h.M. immer aus Sicht des Empfängers, maßgelich ist also, wie ein verständiger Dritter in der Position des Empfängers die Vermögensmehrung durch den Zuwendenden verstehen durfte/musste. Nichts desto trotz muss der Zuwendende mMn in einem ersten Schritt bewusst und zweckgerichtet fremdes Vermögen gemehrt haben, sonst liegt rein objektiv schon gar keine Leistung vor. Dann kann er auch selbst dann kein Leistender sein, wenn dies objektiviert so verstanden werden musste, demnach würde ich dir im Ergebnis zustimmen, "Leistungsbewusstsein" muss generell schon vorliegen, sonst wird nicht durch denjenigen sondern nur aus dessen Vermögen heraus geleistet, wie vorliegend.
lawandchill
14.11.2021, 14:44:05
Ich dachte immer, dass es ‚das Recht an dem Papier folgt dem Recht aus dem Papier‘ heißt und nicht andersherum? Oder ist das hier anders?
Lukas_Mengestu
15.11.2021, 19:53:22
Hallo lawandchill, der Merkspruch ist etwas fies, denn es gibt tatsächlich beides. Man muss insoweit differenzieren zwischen a) Inhaberpapieren und b) Namenspapieren. Inhaberpapiere sind Wertpapiere bei denen der jeweilige Inhaber des Wertpapiers das verbriefte Recht geltend machen kann (zB Aktien). Die Übertragung folgt wie bei beweglichen Sachen nach den Regelungen der §§ 929 ff. BGB. -->Das Recht aus dem Papier, folgt dem Recht an dem Papier. Namenspapiere sind dagegen Wertpapiere die auf einen bestimmten Namen ausgestellt sind. Die Leistung soll direkt an den im Papier benannten Empfänger erfolgen. Das bekannteste Beispiel eines solchen Namenspapieres ist das Sparbuch oder der Versicherungsschein. Die Übertragung des Namenspapieres erfolgt insoweit durch Übertragung der zugrunde liegenden Forderung im Wege der Abtretung (§§ 398,
952 BGB). -->Das Recht an dem Papier folgt dem Recht aus dem Papier Ich hoffe es wird dadurch etwas klarer. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Moi
2.6.2022, 10:30:50
Wieso kann S nicht geleistet haben, indem er von V vertreten worden ist?
Lukas_Mengestu
21.6.2022, 14:11:38
Hallo Moi, grundsätzlich wäre dies natürlich möglich. Hier liegen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, dass S hier, vertreten durch V, an T leisten wollte. Insofern scheidet eine Leistung des S hier ebenfalls aus. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Jenny
10.2.2024, 10:58:52
Weshalb reicht das fehlende Bewusstsein des S für einen Eigentumserwerb der T, aber nicht für eine Leistung durch S? Für den Eigentumserwerb wäre doch erforderlich, dass die Übergabe der Papiere "auf Veranlassung" des Veräußerers (S) erfolgt. Setzt das nicht auch ein gewisses Bewusstsein des S voraus?
Claim1
29.9.2024, 04:13:07
wieso kann T gutgläubig Eigentum an etwas erwerben, das dem S abhanden gekommen ist?
Paulah
29.9.2024, 17:15:12
Es ist nichts abhanden gekommen. V hat eine Vollmacht für das Depot der S.
FW
13.11.2024, 15:57:32
Hi, Inwiefern ist nach der L
ehrevom
objektiven Empfängerhorizontzu berücksichtigen, dass T als Empfängerin ja von Vater V ein Schenkungsversprechen erteilt bekommen hat? Also es geht ja um die Sichtweise eines objektiven Empfängers in der Position der T. Werden dann auch subjektive, nur der T bekannte Umstände - hier das vorherige Schenkungsversprechen - dabei berücksichtigt? Nach lebensnaher Auslegung kann man nämlich durchaus damit rechnen, dass die unentgeltliche Zuwendung aus dem Wertpapierdepot des S irgendwie als Leistung des V einzustufen ist.