+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Eine italienische Regelung sieht die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Glücksspielgewinnen vor. Wenn sie aus Italien stammen, werden die Gewinne begünstigt versteuert. Grund sei die Verhinderung von Geldwäsche. Italiener B betreibt Glückspiele im gesamten Unionsgebiet.
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Einordnung des Falls
Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV („Blanco und Fabretti“)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit ist eröffnet.
Genau, so ist das!
Der sachliche Anwendungsbereich setzt eine Dienstleistung voraus. Die Dienstleistung lässt sich in Abgrenzung zu den anderen Grundfreiheiten als selbstständige, vorübergehende Leistung definieren, die einen entgeltlichen Charakter haben muss. Begünstigte sind Unionsbürger und gem. Art. 62 i.V.m. Art. 54 AEUV Gesellschaften mit Unionsbezug. Ferner ist ein grenzüberschreitender Bezug erforderlich.
Das Betreiben von Glücksspiel stellt eine selbstständige und entgeltliche Leistung dar und ist daher als Dienstleistung i.S.d. Art. 57 AEUV einzuordnen. Auch wenn das Glücksspiel besonders strengen Regelungen und einer genauen behördlichen Kontrolle unterliegt, ist es nicht grundlegend verboten und daher auch nicht vom Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit auszunehmen.
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Ja, in der Tat!
Eine Diskriminierung liegt vor, wenn rechtlich gleiche Sachverhalte unterschiedlich bzw. rechtlich unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden. Eine offene Diskriminierung ist dann gegeben, wenn die Ungleichbehandlung auf dem Differenzierungskriterium der Staatsangehörigkeit beruht.
Die italienische Regelung behandelt Gewinne, die aus anderen Mitgliedstaaten stammen nachteilig gegenüber solchen, die in Italien erzielt werden. Da es nicht um die unterschiedliche Behandlung von Personen geht, wird zwar nicht über das Kriterium der Staatsangehörigkeit abgegrenzt. Allerdings werden die Gewinne aufgrund ihrer Herkunft unterschiedlich behandelt, weshalb eine offensichtlich diskriminierende Maßnahme vorliegt. 3. Vorliegend kommt die Rechtfertigung über die geschriebenen Rechtfertigungsgründe gemäß Art. 62 i.V.m. Art. 52 AEUV in Betracht.
Nein!
Die in Art. 52 AEUV enthaltenen Vorbehalte erlauben es den Mitgliedstaaten Maßnahmen, die die Niederlassungsfreiheit beschränken und daher grundsätzlich unzulässig sind, gegenüber anderen Staatsangehörigen vor dem Hintergrund der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit zu rechtfertigen.
Vorliegend geht es um die Vermeidung von Geldwäsche. Anzuwenden ist dabei zwar der Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Sicherheit. Allerdings umfasst die öffentliche Sicherheit im unionsrechtlichen Verständnis grundlegende Interessen des Staates, wie die Aufrechterhaltung der wesentlichen öffentlichen Dienstleistungen oder das Funktionierens des Staatslebens. Dies ist hier nicht einschlägig. Eine Rechtfertigung über die geschriebenen Rechtfertigungsgründe kommt hier daher nicht in Betracht.
4. Auch (offen) diskriminierende Beschränkungen lassen sich aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses rechtfertigen.
Nein, das ist nicht der Fall!
Eine diskriminierende Beschränkung ist nur mit dem Unionsrecht vereinbar, wenn sie einer ausdrücklichen Ausnahmebestimmung zugeordnet werden kann, also durch geschriebene Rechtfertigungsgründe gerechtfertigt werden kann.
Vor diesem Hintergrund können die grundsätzlich anerkannten zwingenden Gründe des Allgemeininteresses, wie z.B. Verbraucherschutz und Betrugsbekämpfung, vorliegend nicht herangezogen werden.
Im Rahmen von versteckt diskriminierenden Beschränkungen zieht der EuGH dennoch manchmal die ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe heran (s. van Binsbergen). Offene Diskriminierungen werden jedoch nie durch die zwingenden Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt.
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