Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Klassiker im Zivilrecht
Untermietzins nach Beendigung des Mietverhältnisses
Untermietzins nach Beendigung des Mietverhältnisses
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Vermieter V kündigt seinen Wohnungsmietvertrag mit Mieterin S wirksam zum 30.11.2021. S verweigert die Rückgabe der Wohnung. Stattdessen lässt S ihren Bekannten B im Dezember 3 Wochen bei sich wohnen. B zahlt ihr hierfür €300. V verlangt von S die Herausgabe der €300, die S von B erhalten hat.
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Einordnung des Falls
Untermietzins nach Beendigung des Mietverhältnisses
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 13 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch des V gegen S im Hinblick auf die Untervermietung (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB), scheidet bereits deshalb aus, da das Mietverhältnis zum 30.11.2021 wirksam beendet wurde.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch scheidet aber aus, weil V durch die Untervermietung keinen Schaden erlitten hat.
Ja!
3. Es kommt ein Anspruch auf Ersatz der Nutzungen aus einem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (EBV) in Betracht (§§ 987, 990, 99 Abs. 3 BGB).
Genau, so ist das!
4. Bestand zwischen V und S zum Zeitpunkt der Untervermietung eine Vindikationslage (vgl. §§ 985, 986 BGB)?
Ja, in der Tat!
5. In den Fällen des nicht-mehr-berechtigten Besitzers scheidet eine Anwendung der §§ 987 ff. BGB nach h.M. aber aus.
Nein!
6. S hat durch die Untervermietung Nutzungen gezogen und war bösgläubig (§§ 987, 990 BGB).
Genau, so ist das!
7. Es kommt ein Anspruch auf Herausgabe des Erlangten aus angemaßter Geschäftsführung in Betracht (§§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667 BGB).
Ja, in der Tat!
8. Ein Herausgabeanspruch aus angemaßter Eigengeschäftsführung ist bereits aufgrund der Sperrwirkung des EBV ausgeschlossen (§ 993 Abs. 1 a.E.).
Nein!
9. Es liegt eine fremde Geschäftsbesorgung vor.
Genau, so ist das!
10. Auch die übrigen Voraussetzungen des Anspruchs aus angemaßter Eigengeschäftsführung liegen vor, sodass V von S die eingenommenen €300 herausverlangen kann.
Ja, in der Tat!
11. Die Untervermietung stellt eine rechtsgeschäftliche Verfügung i.S.d. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB dar.
Nein!
12. V kann die Herausgabe des Untermietzinses aber nach § 816 Abs. 1 S. 1 BGB analog von K verlangen.
Nein, das ist nicht der Fall!
13. Die Untervermietung begründet einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Maxi97
2.8.2022, 10:18:55
Lukas_Mengestu
2.8.2022, 15:33:00
Hallo Maxi97, in der Tat scheitert der Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB hier nicht nur tatbestandlich, sondern wird auch aufgrund der grundsätzlich abschließenden Wirkung der EBV-Regelungen verdrängt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
antoniasophie
13.7.2023, 13:18:20
Ich verstehe gerade nicht, warum die Sperrwirkung überhaupt vorliegen könnte, da der Anspruch aus EBV doch (+) und auch, weil S bösgläubig ist, also nicht redlich ist. Kann mir einer weiterhelfen? :)
Maxi97
13.7.2023, 13:52:46
Die Sperrwirkung tritt ein, soweit ein EBV vorliegt. Insbesondere also ein Anspruch aus (§§ 987ff. [Ausnahme: §985]). Und ja, der redliche Besitzer soll vom EBV privilegiert werden aber nach h.M. gilt diese Privilegierung auch für den bösgläubigen Besitzer. Gibt nur wenige Ausnahmen von der Sperrwirkung (zB
Fremdbesitzerexzess). Du kannst eine potentielle Ausnahme von der Sperrwirkung wegen bösgläubigkeit bei § 823 BGB bestimmt diskutieren, würde es im Examen aber dann dahinstehen lassen und auf den fehlenden kausalen Schaden abstellen. Die Mods können mich gerne korrigieren, wenn ich falsch liege :)
antoniasophie
13.7.2023, 13:59:05
Danke für deine schnelle Antwort!
juliavdb
20.3.2023, 10:54:54
Hallo, Ich habe nicht verstanden, warum dieses Mal ein fremdes Geschäft vorliegt. Es handelt sich doch auch um eine Untervermietung, die V nicht durchführen kann, oder nicht? Wird es anders behandelt, wenn das Mietverhältnis bereits beendet ist, weil dann der Untermieter quasi als Ersatzhauptmieter angesehen wird und so das doch ein Geschäft von V wird? Danke und liebe Grüße
Timurso
20.3.2023, 11:39:51
Während des Mietvertrages hat der (Haupt-)Vermieter die Nutzungsbefugnis vertraglich auf den Mieter übertragen. Daher ist eine Verfügung des Mieters über diese Befugnis (durch Untervermietung) etwas, das nicht den Rechtskreis des Vermieters betrifft (er hatte das Nutzungsrecht nicht inne). Sobald der Mietvertrags endet, liegt das Nutzungsrecht wieder beim Eigentümer/Vermieter. Insofern wird ist ein Tätigwerden im Rahmen der Untervermietung dann dem Rechtskreis des Eigentümers zuzurechnen und es liegt ein fremdes Geschäft vor. Auf die tatsächliche Lage (z.B. dass der Eigentümer die Wohnung de facto nicht vermieten kann, solange der Vormieter noch drin ist) kommt es nicht an.
juliavdb
20.3.2023, 12:21:10
Ah verstehe, Dankeschön! :)
Max
4.4.2023, 12:36:35
Warum prüfen wir keinen Anspruch aus
Nichtleistungskondiktionmehr? Die Sperrwirkung sollte hier doch eig. auch nicht greifen (da bösgläubig)?
Lukas_Mengestu
4.4.2023, 12:59:52
Hallo Max, die
Nichtleistungskondiktionist grundsätzlich ggü. der Leistungskondiktion subsidiär. Den Mietzins hat S hier von B durch Leistung erlangt, insofern könnte in erster Linie B dies über die Leistungskondiktion herausverlangen, sofern hierfür kein Rechtsgrund bestand. Eine
Nichtleistungskondiktionscheidet aufgrund des "Vorrangs der Leistungskondiktion" grundsätzlich aus, weswegen nicht erwartet wird, hier § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB anzuprüfen. Falsch wäre dies natürlich nicht. Mehr zu dem hinter dem Postulat "
Vorrang der Leistungskondiktion" stehenden Wertungsgesichtspunkten und Ausnahmen findest Du in unserem Kurs Bereicherungsrecht bei den Mehrpersonenverhältnissen :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
kimk
11.8.2023, 15:31:22
Ich verstehe nicht so ganz, weshalb der Anspruch aus 816 analog hier nicht durchgeht. S geriert sich hier doch als Vermieterin und nimmt den Mietzins anstelle des V ein (Zu diesem Zeitpunkt war S mit V ja in keinem Mietverhältnis mehr, sodass V wieder vermieten hätte können). Auch die Formulierung, dass S hier einen Untermietzins erhält, passt meiner Ansicht nach nicht. Wie soll S denn einen Untermietzins erhalten, wenn sie selbst nicht mehr Mieterin ist. Es handelt sich daher doch eigentlich um die Erwirtschaftung eines normalen Mietzinses, was die obige Aussage noch einmal stützt. Würde mich über ein paar Gedanken hierzu freuen.
Blan
6.9.2023, 14:22:21
§816 spricht von einer Verfügung - die im Falle von S nicht gegeben ist. §816 analog thematisiert, ob der § 816 auch auf Verpflichtungsgeschäfte anzuwenden ist, was nach ganz h.M. (V.a. Aufgrund des eindeutigen Wortlautes und weil ein VerpflichtungsG nie dazu führen kann, dass man bspw. Eigentum an einer Sache verliert) abzulehnen ist.
fuchs_
2.5.2024, 15:39:41
Ich finde ebenfalls, dass die Begründung dazu, weshalb §816 I 1 analog hier nicht durchgeht, nicht ganz zutrifft. Dass die Vorschrift ggf gar nicht analogiefähig ist, auch hier keine Verfügung angenommen werden kann etc, finde ich alles logisch. Aber die Begründung, dass hier V die Wohnung ebenfalls nicht hätte weitervermieten können, stimmte doch nur beim ersten Teil der Aufgabe und hier gerade nicht; auch §823 I hätte daher an sich ja durchgehen können (wäre er nicht durch das EBV gesperrt), wenn V geltend gemacht hätte, dass er die Wohnung sonst schon vermieten hätte können und ihm daher ein Schaden entstanden ist. Vielleicht könnt ihr das nochmal korrigieren.
YanWing
21.9.2024, 18:26:06
Der Schaden entsteht nicht durch die Untervermietung, sondern in dem Weigern auszuziehen. Die Untervermietung an sich ändert nichts daran, da die vorherige Mieterin auch mit weggedachter Untervermietung noch immer den Besitz an der Wohnung halten würde und sie nicht weitervermietet werden könnte. (823 ist gerade nicht durch EBV gesperrt, da der bösgläubige Besitzer nicht schutzwürdig ist, laut BGH zumindest)
Nils
1.10.2024, 01:14:00
Es handelt sich doch aber (wenn überhaupt) nur um einen „reinen Vermögensschaden“, für den das Deliktsrecht keine generelle Haftung vorsieht. Selbst wenn man vorliegend tatbestandlich eine Rechts- oder Rechtsgutsverletzung von 823 Abs. 1 BGB annehmen würde (was schon nicht der Fall sein dürfte), fehlt es am Schaden auf Rechtsfolgenseite. Vermögensschäden werden nur in sehr engen Grenzen erfasst und ersetzt, die hier eher nicht erfüllt sein dürften (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m.
Schutzgesetzoder erheblich vorsätzliche
sittenwidrige Schädigungnach §
826 BGB).