Strafrecht

BT 6: Urkundsdelikte u.a.

Urkundenfälschung (§ 267 StGB)

Verfälschen von zusammengesetzten Urkunden 2

Verfälschen von zusammengesetzten Urkunden 2

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Youtuberin Y muss anlässlich ihrer Geburtstagsfeier standesgemäß aufwarten. Um Geld zu sparen, nimmt sie im Supermarkt einen mit Preisetikett beklebten Sektkarton und tauscht die Flaschen durch sündhaft teuren Champagner aus. Glücklich schreitet sie mit dem Sektkarton zur Kasse.

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Einordnung des Falls

Verfälschen von zusammengesetzten Urkunden 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Preisetikett auf dem Karton ist ein taugliches Tatobjekt der Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB).

Nein!

Eine Urkunde ist jede verkörperte menschliche Gedankenerklärung (Perpetuierungsfunktion), die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist (Beweisfunktion) und die ihren Aussteller erkennen lässt (Garantiefunktion). Wenn eine verkörperte Gedankenerklärung mit einem Bezugsobjekt räumlich fest zu einer Beweiseinheit verbunden ist - und zusammen einen einheitlichen Beweis- und Erklärungsinhalt in sich vereinigen - liegt nach h.M. eine zusammengesetzte Urkunde vor.Hier liegt gerade keine zusammengesetzte Urkunde vor: Zwar besteht zwischen Preisetikett und Karton eine feste Verbindung, jedoch ist der Karton nicht das Bezugsobjekt und hat keinerlei Beweisbestimmung. Das Etikett bzw. der Preis soll sich nicht auf den Karton selbst, sondern dessen Inhalt beziehen.
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2. Da Urkundenstraftaten ausscheiden, ist das Verhalten der Y straflos.

Nein, das ist nicht der Fall!

In Bezug auf den Champagner - ist je nach Ausgestaltung des Sachverhaltes im Einzelnen - zwischen Diebstahl (§ 242 Abs. 1 StGB) und Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) abzugrenzen. Geht man von einem sachgedanklichen Mitbewusstsein des Kassierers bezüglich der generellen Richtigkeit des Preises beim Einscannen aus, so handelt es sich um einen vollendeten Betrug.Hierbei handelt es sich aufgrund der Vielzahl an Problemen, die man einbauen kann, um einen äußerst beliebten Klausurfall in universitären Übungen und im Examen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

AFR

Afrim

11.11.2023, 15:53:52

Hello, warum liegt jetzt beim Karton keine

zusammengesetzte Urkunde

vor, dagegen aber bei der Champanger-Flasche vom vorherigen Fall? Liegt es daran, dass nicht der Karton verkauft wird, sondern der Inhalt? M.a.W.: Würde der Karton verkauft werden, würde dann eine

zusammengesetzte Urkunde

vorliegen? Beste Grüße und Danke für die Antwort!

CAN

cann1311

11.11.2023, 23:41:12

Das Preisschild ist nicht auf den Karton bezogen genau gut erkannt 👆🏼 anders ist es beim Fall wo das etikett direkt auf der Flasche ist

LELEE

Leo Lee

12.11.2023, 09:46:54

Hallo Afrim, das ist eine sehr gute Frage! Die Begründung dahinter ist die folgende: Damit man den Begriff der zusammengesetzten Urkunde (im Strafrecht sind wir restriktiv mit dem

Wortlaut

!) bejahen kann, wird gefordert, dass bei der zusammengesetzten Urkunde – gerade weil hier zwei an sich „nichtsausssagende“ Objekte zusammengeschweißt werden – eine räumliche (feste) Verbindung hergestellt wird, um eben den

Wortlaut

nicht zu sehr auszureizen. D.h., wie bei einem Kfz-Kennzeichen (räumlich fest verbundenes Schild + Auto) wird gefordert, dass „wenigstens“ die zwei Objekte fest miteinander verbunden sind, damit der Beweisbezug klar erkennbar ist. Bei einer Champagnerflasche klebt die Etikette, weshalb dieser unmittelbare Zusammenhang (noch) bejaht werden kann. Genauso auch, wenn etwa CDs mit einer Folie, worauf ein Sticker mit Preis klebt, umwickelt werden. Hier ist es jetzt so, dass der Karton zwar räumlich „nah“ ist, jedoch nicht verbunden genug ist (er „klebt“ nicht), um noch den

Wortlaut

der (zsmgesetzten) „Urkunde“ zu bejahen. Als Faustformel kann man sich also merken, dass das

Beweiszeichen

„kleben“ muss am Bezugsobjekt. Hierzu kann ich die Lektüre von Rengier BT II 22. Auflage, § 32 Rn. 27 f. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

B.H.

B.H.

28.1.2024, 22:38:48

Wie würde der Fall aussehen, wenn der Karton -mit den richtigen Champagnerflaschen- verschlossen gewesen wäre. Dann würde es eine äußerlich feste Verbindung zwischen dem Preisschild und dem Karton, gerade mit dem Inhalt geben, oder. Dem Grundsatz nach, würde es m.E. dem Bsp. mit der in Folie verpackten CD entsprechen.

Cosmonaut

Cosmonaut

20.2.2024, 11:09:43

@[b.10](154709) Hi, Ausgehend von der Definition „Eine

zusammengesetzte Urkunde

liegt vor, wenn eine verkörperte Gedankenerklärung mit einem Bezugsobjekt räumlich fest zu einer Beweismitteleinheit verbunden ist, sodass beide zusammen einen einheitlichen Beweis und Erklärungsinhalt in sich vereinigen“ folgender Lösungsvorschlag: Es kommt mE darauf an, wie verschlossen der Karton tatsächlich ist: Ist um den Karton noch Folie, und dann das Preisschild auf der Folie oder im Print des Kartons = Zusammenges. U. mE (+), da es dem Rechtsverkehr gerade darauf ankommt, Karton und Inhalt als „ein Ganzes“ zu handeln, wenngleich auch die einzelnen Teile handelbar sind (Bsp.: etwa „Überraschung-Boxen“ mit random Vielfalt an Lebensmitteln / Ramen drin). Wenn aber nur ein Karon (Bsp.: Milchkarton) „verschlossen“ vorliegt, etwa weil sich so die Einzelwaren darin von der Logistik besser transportieren lassen, dieser „Verschluss“ aber durch simples Lösen des Klebers zu umgehen ist (und dies auch so vom Rechtsverkehr gewollt ist, da die Sachen im Grunde regelmäßig nur vereinzelt gehandelt werden, dann = Zus.ges. U. (-) LG C


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