Möglichkeit der Rechtswahl

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Französin F ist fertig mit ihrem Auslandssemester. Deshalb verkauft sie dem deutschen D noch in der Universitätsbibliothek in Mainz ihr BGB. Da F nun nach Spanien weiterzieht, vereinbaren F und D mündlich, dass für den Vertrag spanisches Recht gelten soll.
(Nach spanischem Recht ist eine Rechtswahlvereinbarung formlos möglich. An der materiellen Wirksamkeit besteht nach spanischem Recht kein Zweifel.)

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Einordnung des Falls

Möglichkeit der Rechtswahl

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Um zu ermitteln, welches Recht auf den Vertrag anwendbar ist, ist hier nach einer passenden Anknüpfungsnorm in der Rom I-VO zu suchen.

Ja!

Die Rom I-VO ist sachlich auf vertragliche Schuldverhältnisse mit internationalem Bezug nach dem 17.12.2009 im Bereich des Zivil- und Handelsrechts anwendbar. Es handelt sich bei dem Vertrag zwischen F und D um einen Kaufvertrag mit internationalem Bezug, der – mangels entgegenstehender Angaben – nach dem 17.12.2009 geschlossen wurde. Die Rom I-VO ist somit anwendbar.
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2. Die Anknüpfung erfolgt stets objektiv anhand des vorliegenden Vertragstyps (Artt. 3, 4, 10 ff. Rom-I-VO).

Nein, das ist nicht der Fall!

Es ist zwischen der subjektiven und der objektiven Anknüpfung zu differenzieren. Unter der subjektiven Anknüpfung versteht man die Rechtswahl durch die Parteien (Art. 3, 10ff. Rom I-VO). Ist keine Rechtswahl getroffen, kommt es zur objektiven Anknüpfung (Art. 4 Rom I-VO), bei der der vorliegende Sachverhalt einer bestehenden, allgemeinen Kollisionsnorm zugeordnet werden muss.

3. Eine subjektive Rechtswahl zwischen Verbrauchern ist stets unzulässig.

Nein, das trifft nicht zu!

Ob eine Rechtswahl durch die Parteien wirksam ist, ist in drei Schritten zu prüfen: (1) Zulässigkeit einer Rechtswahl, (2) Wirksamkeit der Rechtswahl und (3) Einschränkungen der Rechtswahl. Zu 1: Die Zulässigkeit behandelt dabei die Frage, ob eine Rechtswahl grundsätzlich möglich ist. Nach Art. 3 Rom-I-VO besteht grundsätzlich freie Rechtswahl, was auch für Verträge zwischen Verbrauchern gilt. Damit ist eine Rechtswahl grundsätzlich zulässig. Beachte: Beim Vorliegen eines Verbrauchervertrags, also einem Vertrag zwischen Verbraucher und Unternehmer, ist die Rechtswahl dahingehend beschränkt, dass sie nur möglich ist, wenn das gewählte Recht den Verbraucher nicht schlechter stellt (Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO).

4. Die Rechtswahlvereinbarung ist formell wirksam zustande gekommen (Art. 3 Abs. 5, Art. 11 Rom I-VO).

Ja!

Für die formelle Wirksamkeit verweist Art. 3 Abs. 5 Rom I-VO auf Art. 11 Rom I-VO. Nach Art. 11 Abs. 1 Rom-I-VO ist eine Rechtswahlvereinbarung formell wirksam, wenn sie den Formerfordernissen des gewählten Rechts (lex causae) oder des Rechts am Abschlussort (lex loci) genügt. Formvorschriften sind selten. Laut Sachverhalt stellt das spanische Recht keine Anforderungen an Rechtswahlvereinbarungen. Die Vereinbarung ist also formell wirksam. Alternativ hätte man die Wirksamkeit nach deutschem Recht beurteilen können. Hier werden auch keine besonderen Anforderungen gestellt, sodass auch nach deutschem Recht die ebenfalls Rechtswahlvereinbarung formell wirksam ist.

5. Die Rechtswahl scheitert, da weder der Kaufvertrag, noch F und D selbst einen Bezug zum spanischen Recht haben.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Parteien können jede staatliche Rechtsordnung wählen, auch aus Ländern, die nicht Unionsmitglied sind. Es bedarf keines Bezugs zu den Parteien oder dem geschlossenen Vertrag. F und D konnten also spanisches Recht wählen. Beachte aber die Einschränkung der Rechtswahl nach Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO. Hiernach können zwingende Normen (zB Mängelgewährleistungsrecht) nicht durch eine Rechtswahl abbedungen werden, wenn außer der Rechtswahl keinerlei Auslandsbezug  (Staatsangehörigkeit der Parteien, Vertragsgegenstand, Ort des Vertragsschlusses, steht (Umgehungsverbot).

6. Die übrige Wirksamkeit der Rechtswahl beurteilt sich nach dem gewählten Recht (Art. 3 Abs. 5, Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO).

Ja, in der Tat!

Fragen des Zustandekommens einer Rechtswahl und die materielle Wirksamkeit sind nach dem gewählten Recht zu beurteilen (sog. Vorwirkung der Rechtswahl). Ist die Rechtswahl nach dem gewählten Recht unwirksam, wird das anwendbare Recht nach der objektiven Anknüpfung (Art. 4 Rom I-VO) ermittelt. Die Wirksamkeit der Rechtswahl zwischen D und F beurteilt sich nach spanischem Recht. Hier bestehen laut Sachverhalt keine Probleme. Die Rechtswahl war also wirksam. Mit dem „Vertrag“ in Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO ist die Rechtswahlvereinbarung gemeint. Diese ist als separater Vertrag zu dem Vertrag, für den die Rechtswahl getroffen wurde, zu sehen (sog. Trennungsprinzip).
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