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Gewillkürte Erbfolge

Gemeinschaftliches Testament - Wechselbezüglichkeit (Fall)

Gemeinschaftliches Testament - Wechselbezüglichkeit (Fall)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

E und F hatten ein gemeinschaftliches Testament verfasst, indem sie sich gegenseitig als Erben einsetzen und ersatzweise den alleinigen Sohn S des E. Mittlerweile liegt E aufgrund einer Krankheit im Sterben. F möchte die Erbeinsetzung des S nun rückgängig machen, ohne jedoch selbst die Aussicht auf das Erbe des E zu verlieren.

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Einordnung des Falls

Gemeinschaftliches Testament - Wechselbezüglichkeit (Fall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Handelt es sich bei der Erbeinsetzung des S um eine wechselbezügliche Verfügung?

Ja!

Wechselbezügliche Verfügungen sind solche, die der eine Ehegatte nur mit Rücksicht auf die Verfügungen des anderen Ehegatten getroffen hat, § 2270 Abs. 1 BGB. Ob eine solche Verfügung vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln, wobei der erkennbare übereinstimmende Wille der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung maßgeblich ist. Im Zweifel ist nach § 2270 Abs. 2 BGB jedoch von einer Wechselbezüglichkeit auszugehen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig oder einen Verwandten des anderen Ehegatten bedenken. Da im gemeinschaftlichen Testament der S als alleiniger Sohn des E bedacht wurde, ist nach der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB somit von einer wechselbezüglichen Verfügung auszugehen.
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2. Könnte F die Erbeinsetzung des S vor dem Tod des E heimlich durch ein neues Testament widerrufen, ohne dass der E etwas davon mitbekommt?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die wechselbezüglichen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament sind zu Lebzeiten beider grundsätzlich frei widerruflich. Allerdings muss dieser Widerruf aufgrund des zu schützenden Vertrauens des anderen Ehegatten durch persönliche, notariell beurkundete Erklärung gegenüber dem anderen Ehegatten erfolgen, §§ 2271 Abs. 1, 2296 BGB. F kann die Erbeinsetzung des S daher nicht heimlich durch einseitiges Testament widerrufen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der überlebende Ehegatte in einem gemeinschaftlichen Testament ganz oder teilweise zur Aufhebung oder Abänderung der eigenen wechselbezüglichen Verfügungen ermächtigt wurde (Änderungsvorbehalt).

3. Könnte F den Tod des E abwarten und dann die Erbeinsetzung des S testamentarisch widerrufen?

Nein, das trifft nicht zu!

Nach § 2271 Abs. 2 BGB erlischt das Recht zum Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung mit dem Tod des anderen Ehegatten. Nach dem Tod des E ist F daher an die Erbeinsetzung des S gebunden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JUS

justlaw

2.9.2023, 12:05:55

Wenn eine wechselseitige Verfügung der Ehegatten vorliegt, wird die Frau dann hier nicht Alleinerbe? Und der Sohn als „Ersatzerbe“ nur, wenn der andere Ehepartner aus irgendeinem Grund wegfällt, § 2097 BGB? Also wieso kann die Ehefrau, welche den Mann beerbt hat, nicht einen anderen Erben bestimmen? Es liegt doch gerade keine Vor-/Nacherben-Konstellation vor oder?

CAN

cann1311

2.9.2023, 15:56:17

Ja die Frau wird alleinerbe. Kann aber nicht neu von todes wegen verfügen

CAN

cann1311

2.9.2023, 15:56:47

Aufgrund genau dieser Bindungswirkung des Ehegattentestaments

Dogu

Dogu

28.12.2023, 19:31:28

@[justlaw](210412) Kann es sein, dass Du da gedanklich nicht zwischen Ehefrau und Ehemann unterschieden hast? F ist wie beschrieben Alleinerbin nach E geworden. Betrachtet wird aber nun nach dem Tod von E nur noch die Widerruflichkeit der Verfügungen von F. Diese hat zu Lebzeiten ebenfalls S als Ersatzerben bestimmt und aufgrund des Vorversterbens von E wird dieser dann auch Alleinerbe nach der F. Diese Verfügung kann sie nun nicht mehr ändern, falls F das Erbe von E nicht ausschlägt, da E verstorben ist, § 2271 II 1 BGB.


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