+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Dorfpolizisten D und P finden auf ihrer nächtlichen Streifenfahrt den bewusstlosen Jugendlichen J. Nachdem der Rettungswagen verständig wurde, P durchsucht J. P möchte feststellen, ob J Substanzen bei sich führt, die zu seiner Bewusstlosigkeit geführt haben.
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Einordnung des Falls
Durchsuchung von Personen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Polizei ist ermächtigt, Personen zu präventiven Zwecken zu durchsuchen.
Genau, so ist das!
Die Polizei ist dazu befugt, Personen in verschiedenen Situationen zu durchsuchen (§ 39 PolG NRW). Eine Durchsuchung von Personen ist das äußerlichen Suchen am Körper einer Person, welches final darauf gerichtet ist, bestimmte Gegenstände zu finden.
Die Polizei ist auch nach der StPO ermächtigt, Personen zu durchsuchen (§§ 102, 103 StPO). Die Durchsuchung erfolgt im Gegensatz zu § 39 PolG NRW zum repressiven Zweck der Strafverfolgung.
Wenn für eine polizeiliche Maßnahme eine Rechtsgrundlage aus der StPO und aus dem PolG NRW in Betracht kommt, muss Du die Rechtsgrundlage zumindest kurz voneinander abgrenzen. Besonders wichtig ist dies vor dem Hintergrund der abdrängenden Sonderzuweisung (Art. 23 EGGVG).
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2. Es liegt keine Durchsuchung (§ 39 PolG NRW) von J vor, weil J bewusstlos ist.
Nein, das trifft nicht zu!
Eine Durchsuchung von Personen ist das äußerlichen Suchen am Körper einer Person, welches auf das gezielte Auffinden von bestimmten Gegenstände gerichtet ist. Von der Ermächtigungsgrundlagen umfasst ist das Durchsuchen von Gegenständen, die unmittelbar am Körper getragen werden (bspw. die Kleidung oder eine Gürteltasche) oder von äußeren Körperhöhlen (bspw. der Mund), die ohne Hilfsmittel "erreichbar" sind. Eine Durchsuchung von Personen (§ 39 PolG NRW) kann nur am lebenden Menschen stattfinden, er muss aber nicht bei Bewusstsein sein.
Abzugrenzen ist die Durchsuchung von der (medizinische) Untersuchung. Eine Untersuchung ist eine körperliche Nachschau und betrifft das Körperinnere oder den körperlichen Zustand.
P sucht gezielt am Körper des J nach Substanzen, die zu seiner Bewusstlosigkeit geführt haben könnten. J ist zwar bewusstlos, was den Durchsuchungscharakter der Maßnahme allerdings nicht schmälert.
3. P ist befugt J zu durchsuchen, weil J bewusstlos ist.
Ja!
Die Polizei ist befugt, Personen zu durchsuchen, die sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befinden (§ 39 Abs. 1 Nr. 3 PolG NRW). Die freie Willensbestimmung ist insbesondere bei Bewusstlosen oder Volltrunkenen ausgeschlossen. In einer hilfslosen Lage befindet sich eine Person, wenn sie sich nicht aus eigener Kraft aus einer Notlage befreien kann.
J ist bewusstlos und ist somit in keinem Zustand, der eine freie Willensbestimmung zulässt. Es liegt die Tatbestandsvariante § 39 Abs. 1 Nr. 3 PolG NRW vor.
Auf Ebene der materiellen Rechtmäßigkeit musst Du zusätzlich noch prüfen, ob die Maßnahme an den richtigen Adressaten gerichtet ist und ob Ermessensfehler vorliegen.
4. Wäre J bei Bewusstsein und würde die Polizei die Identitätsfeststellung von J begehren, könnte die Polizei J zu diesem Zwecke durchsuchen?
Genau, so ist das!
Die Polizei kann zur Identitätsfeststellung die Person durchsuchen, dessen Identität festgestellt werden soll. Die Ermächtigungsgrundlage findet sich nicht in § 39 PolG NRW, sondern ist als spezielles Durchsetzungsinstrument im Rahmen der Identitätsfeststellung geregelt (§ 12 Abs. 2 S. 4 PolG NRW).
Zusätzlich könnte die Polizei J während der Identitätsfeststellung nach Waffen, anderen gefährlichen Werkzeugen und Explosivmitteln untersuchen (§ 39 Abs. 2 S. 1 PolG NRW). Die gleiche Befugnis hat die Polizei im Rahmen einer Vorführung (§ 39 Abs. 1 S. 2 PolG NRW). Die Durchsuchung muss allerdings erforderlich zum Schutz des Polizeivollzugsbeamten oder eines Dritten sein.
5. Vorausgesetzt J ist bei Bewusstsein und führt Kokain mit sich., kann die Polizei J durchsuchen?
Ja, in der Tat!
Die Polizei kann eine Personen durchsuchen, wenn sie nach dem PolG NRW oder nach anderen Rechtsvorschriften festgehalten werden kann (§ 39 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW) oder, wenn sie Sachen mit sich führt, die sichergestellt werden dürfen (§ 39 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW). Auf Tatbestandsebene müssen die Voraussetzungen des Gewahrsams (§ 35 PolG NRW), der Festnahme oder der Sicherstellung (§ 43 PolG NRW) inzident geprüft werden. Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen reicht aus; die Polizei muss die Maßnahme nicht ergriffen haben.
In der Klausur musst Du im Rahmen der Durchsuchung inzident die Voraussetzungen einer anderen Standardmaßnahme prüfen. Zudem muss die Maßnahme an den richtigen Adressaten gerichtet sein und es dürfen keine Ermessensfehler vorliegen.
J führt Kokain mit sich. Die Polizei könnte das Kokain zur Abwehr einer alsbaldiger und wahrscheinlichen Gefahr für die Gesundheit von J sicherstellen. Die Tatbestandsvoraussetzung von § 39 Abs. 1 Nr. 2 PoLG NRW ist erfüllt.
6. Vorausgesetzt J ist bei Bewusstsein und befindet sich an dem Drogenumschlagsplatz seines Wohnortes. Dürfte die Polizei J durchsuchen?
Ja!
Die Polizei ist befugt, Personen an gefährlichen i.S.d. § 12 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW oder gefährdeten Orten i.S.d. § 12 Abs. 1 Nr. 3 PolG NRW zu durchsuchen (§ 39 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 PolG NRW). Die Rechtsprechung erfordert allerdings im Rahmen der Adressatenauswahl, dass die durchsuchte Person sich nicht lediglich zufällig an dem Ort aufhält. Die Durchsuchung der Person muss eine gewisse Verbindung zur Gefährlichkeit des Ortes haben.
J befindet sich am örtlichen Drogenumschlagsplatz. Nach § 8 Abs. 3 PolG NRW ist die Weitergabe, der Handel oder das Vertreiben von Betäubungsmitteln ohne gesetzliche Erlaubnis (§ 29a Abs. 1 BTMG) eine Straftat von erheblicher Bedeutung. J befindet somit sich an einem Ort, an dem Personen erfahrungsgemäß Straftaten von erheblicher Bedeutung verabreden, vorbereiten oder verüben (§ 12 Abs. 1 Nr. 2a PolG NRW). Er darf gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 4 PolG NRW durchsucht werden.
Auf Ebene der materiellen Rechtmäßigkeit musst Du inzident die Tatbestandsvoraussetzung von § 12 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 3 PolG NRW prüfen. Zudem muss die Maßnahme an den richtigen Adressaten gerichtet sein und es dürfen keine Ermessensfehler vorliegen.