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Klassisches Klausurproblem

Der faule Fahrradkurier kommt mehrfach unentschuldigt zu spät zur Arbeit. Arbeitgeber A mahnt ihn telefonisch ab. Nach der Abmahnung erscheint F drei Jahre pünktlich. Im vierten Jahr nach der Abmahnung kommt F erneut unentschuldigt zu spät. A kündigt F ohne erneute Abmahnung ordentlich.

Einordnung des Falls

Notwendige Abmahnung nicht erfolgt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Beendigungskündigung ist ultima ratio, sodass grundsätzlich eine Abmahnung vorrangig ist.

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Ja, in der Tat!

Die Beendigungskündigung ist nur dann zulässig, wenn keine anderweitigen Möglichkeiten für den Arbeitgeber bestehen, die Störungen im Arbeitsverhältnis auf weniger belastende Weise zu beheben (ultima ratio). Grundsätzlich vorrangig ist insbesondere eine Abmahnung. Der Arbeitgeber muss das pflichtwidrige Verhalten des Arbeitnehmers möglichst konkret beanstanden und darauf hinweisen, dass im Wiederholungsfall die Kündigung droht. Dies beruht auf dem Rechtsgedanken des § 314 Abs. 2 BGB.

2. Die Abmahnung muss eine konkrete Rüge und eine Warnung enthalten.

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Ja!

Für eine ordnungsgemäße Abmahnung ist eine Rüge eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens, das der Arbeitgeber nicht länger hinnehmen will, erforderlich. Zugleich muss aus der Abmahnung klar hervorgehen, dass im Wiederholungsfall die Kündigung des Arbeitsverhältnisses droht (Warnfunktion der Abmahnung). Zweck der Abmahnung ist es, durch die bloße Androhung von Folgen das künftige Verhalten des Arbeitnehmers positiv zu beeinflussen. Die Warnfunktion kann bei wiederholter Abmahnung zur leeren Drohung werden. Allerdings erfolgt kein Verlust der Warnfunktion, wenn der Arbeitnehmer denkt, der Arbeitgeber werde wie immer Milde walten lassen; denn dadurch würde der verständig abwägende und zur Nachsicht neigende Arbeitgeber gegenüber solchen benachteiligt, die nach einmaliger Abmahnung sofort die Kündigung aussprechen.

3. Eine Abmahnung muss auch bei schweren Pflichtverletzungen erfolgen und auch in Fällen, in denen der Arbeitnehmer zu erkennen gibt, dass er nicht willens ist, sein Verhalten zu ändern.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Abmahnung ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung des Arbeitnehmers in Zukunft auch nach der Abmahnung nicht zu erwarten ist oder wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich -auch für Arbeitnehmer erkennbar- ausgeschlossen ist.

4. Weil A dem F die Abmahnung per Telefon erteilt hat, ist diese nicht ordnungsgemäß erfolgt und unwirksam.

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Nein, das trifft nicht zu!

Die Abmahnung ist formfrei möglich und kann daher sowohl schriftlich als auch mündlich erteilt werden. Zudem muss die Erklärung nicht ausdrücklich als Abmahnung bezeichnet werden. Dass A dem F die Abmahnung telefonisch erteilt hat, steht ihrer Wirksamkeit nicht entgegen. Die Abmahnung kann auch in einer unwirksamen Kündigung liegen, da auch eine solche die Warnfunktion der Abmahnung erfüllen und dem Arbeitnehmer eindeutig aufzeigen kann, dass im Wiederholungsfall die Beendigung des Arbeitsverhältnisses droht.

5. Da ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund gemäß § 1 Abs. 2 KSchG vorliegt und A den F auch abgemahnt hat, ist die Kündigung wirksam erfolgt.

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Nein!

Vor einer Kündigung ist grundsätzlich eine Abmahnung auszusprechen. Eine ordnungsgemäße Abmahnung erfordert: (1) konkrete Feststellung des beanstandeten Verhaltens und konkrete Rüge der Pflichtverletzung, (2) Aufforderung zu vertragstreuem Verhalten und (3) eindeutige Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen im Wiederholungsfall (Warnfunktion). Zwar hat A dem F zunächst eine ordnungsgemäße Abmahnung erteilt, jedoch ist bis zur Aussprache der Kündigung infolge erneuter Unpünktlichkeit eine erhebliche Zeit vergangen, sodass -insbesondere aufgrund der langen Dauer des korrekten Verhaltens- die vorherige Abmahnung keine Warnfunktion mehr hat. Da keine erneute Abmahnung erfolgte, ist die Kündigung unwirksam.

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