Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Der Realakt: Schlichtes Verwaltungshandeln

Abgrenzung öffentlich-rechtliches und privatrechtliches Handeln: Äußerungen von Hoheitsträgern (Fall 2)

Abgrenzung öffentlich-rechtliches und privatrechtliches Handeln: Äußerungen von Hoheitsträgern (Fall 2)

31. Mai 2025

5 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bürgermeisterin B schreibt in einer Mitteilung, die sie auf der offiziellen Seite der Stadt veröffentlicht: "Warnung vor Verschwörungsspinnern in der Stadt! Auf meinem Sonntagsspaziergang musste ich die Begegnung mit dem durchgeknallten Querdenker Q machen."

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Einordnung des Falls

Abgrenzung öffentlich-rechtliches und privatrechtliches Handeln: Äußerungen von Hoheitsträgern (Fall 2)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Äußerungen von Hoheitsträgern können öffentlich-rechtliche Realakte sein. Sie müssen von privatrechtlichen Äußerungen abgegrenzt werden.

Ja, in der Tat!

Äußerungen von Behörden bzw. Amtsträgern - z.B. Appelle, Auskünfte, Erklärungen, Warnungen, Empfehlungen, Werturteile - können öffentlich-rechtliche Realakte sein. Nach der überwiegend vertretenen Akzessorietätstheorie sind Aussagen dann öffentlich-rechtlicher Natur, wenn sie in einem funktionalen Zusammenhang mit hoheitlicher Aufgabenerfüllung stehen. Das bedeutet, dass sie im Rahmen öffentlich-rechtlicher Aufgabenerfüllung, gestützt auf vorhandene oder vermeintliche öffentlich-rechtliche Befugnisse vorgenommen werden.
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2. Weil B von ihrem privaten Sonntagsspaziergang erzählt, sind die Äußerungen privatrechtlicher Natur.

Nein!

Für die Beurteilung, ob eine Äußerung privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur ist, kommt es nicht vorrangig auf den Inhalt der Äußerung an. Entscheidend ist vielmehr, ob die Äußerungen einen funktionalen Zusammenhang mit der Amtsausübung aufweisen. Dies wird nach den Umständen der Äußerung beurteilt. Nur, weil B von ihrem Sonntagsspaziergang berichtet, ist die Äußerung nicht automatisch als privatrechtlich zu qualifizieren. Um zu begründen, in welchem Kontext Aussagen von Hoheitsträgern getroffen wurden, benutze sämtliche Informationen des Sachverhalts.

3. B tätigt die Aussagen in ihrer Rolle als Bürgermeisterin. Die Handlung ist öffentlich-rechtlicher Natur.

Genau, so ist das!

Um zu beurteilen, in welcher Rolle eine Person Äußerungen macht, kann betrachtet werden, ob die Amtsperson die Infrastruktur der Verwaltung nutzt, auf einer öffentlichen Veranstaltung als Amtsperson auftritt oder durch die Äußerung öffentlich-rechtliche Aufgaben erfüllt. Warnungen auszusprechen gehört zu den Aufgaben der Verwaltung. B nutzt die offizielle Seite der Stadt für ihre Äußerungen. Sie handelt dort nicht als Privatperson, sondern in ihrer Rolle als Bürgermeisterin. Die Aussagen sind öffentlich-rechtlicher Natur. Rechtsschutz gegen die Aussagen eines Amtsträgers richtet sich nicht gegen die äußernde Amtsperson, sondern grundsätzlich gegen die zuständige Behörde, der die Äußerung zuzurechnen ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ahimes

ahimes

19.12.2023, 12:45:22

Wie würde denn hier der Rechtsschutz für Q aussehen?

Leistungsklage

on Form einer

Unterlassungsklage

?

MAR

Marvin

20.12.2023, 10:03:03

Ja genau. Q kann hier mittels der

Leistungsklage

erwirken, dass die Aussage widerrufen werden muss. Unter Umständen kann er auch eine

vorbeugende Unterlassungsklage

erheben, wenn die Äußerung weiterer Aussagen der Art zu befürchten sind. Eine

Feststellungsklage

würde hier vermutlich am

Rechtsschutzbedürfnis

scheitern, weil die

Leistungsklage

rechtsschutzintensiver ist. Die Abwehr von

hoheitlich

en Äußerungen ist eine klassische Fallgruppe des öffentlich-rechtlichen Abwehr- und Unterlassungsanspruchs. Im Gegensatz zum

Folgenbeseitigungsanspruch

(FBA) geht es hier nicht um die Beseitigung der Folgen, sondern um die Abwehr des Eingriffs selbst.

ahimes

ahimes

20.12.2023, 19:51:35

Vielen Dank für Deine ausführliche Antwort!

OKA

okalinkk

18.4.2025, 17:46:33

@[Marvin](74083) der Unterlassungsanspruch ist doch nur auf „Unterlassen“ gerichtet. wie kann ich dann hier einen „ Widerruf“ begehren? Ich hätte gedacht, dass für den Widerruf dann der FBA geltend gemacht werden müsste?

MAR

Marvin

18.4.2025, 23:03:34

@[okalinkk](253888) Ein Widerruf könnte hier durch den öffentlich-rechtlichen Abwehr-/Unterlassungsanspruch geltend gemacht werden. Im Gegensatz zum FBA knüpft dieser nämlich an die

Rechtswidrigkeit

des Eingriffs selbst an, während der FBA auf die

Rechtswidrigkeit

eines eingetretenen Zustandes abstellt. Eine Fallgruppe des ör-Abwehr-/Unterlassungsanspruchs ist

Ehrschutz

gegen

hoheitlich

e Äußerungen. Die Tatbestandsvoraussetzungen liegen hier alle vor. Die Rechtsfolge richtet sich dann danach, ob es sich um ein

Werturteil

oder eine

Tatsachen

behauptung handelt.

Tatsachenbehauptungen

können nur widerrufen werden. Bei

Werturteil

en kommt nur Unterlassen in Betracht. Ich tendiere stark dazu, dass es sich hier um ein

Werturteil

handelt. Sollte man das bejahen, hast Du natürlich recht. Dann kommt nur ein Unterlassen in Betracht.


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