Zivilrecht
Sachenrecht
Sicherungsrechte an beweglichen Sachen
Deliktischer Schutz - Aufteilung im Innenverhältnis
Deliktischer Schutz - Aufteilung im Innenverhältnis
17. Mai 2025
19 Kommentare
4,8 ★ (8.886 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A erwirbt von H ein neues Cabrio (Wert: €125.000) unter Eigentumsvorbehalt. Noch bevor A die letzte Rate (€20.000) bezahlen konnte, wird das Cabrio durch einen von Raserin R verschuldeten Unfall vollkommen zerstört. A bleibt unverletzt.
Diesen Fall lösen 79,7 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Deliktischer Schutz - Aufteilung im Innenverhältnis
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A kann von R Schadensersatz wegen Zerstörung des Cabrios verlangen (§ 823 Abs. 1 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Muss A die ausstehende Rate trotzdem noch bezahlen?
Genau, so ist das!
3. Da H das Risiko des zufälligen Untergangs nicht zu tragen hat, steht ihr nach h.M. auch kein Anspruch auf Schadensersatz gegen R zu.
Nein, das trifft nicht zu!
4. Können H und A jeweils den vollen Wert des Cabrios (€125.000) ersetzt verlangen?
Nein!
5. Die vom BGH vorgenommene Quotelung ist in der Literatur umstritten.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
MGtheGun
2.6.2024, 20:28:39
Der Vorbehaltskäufer hat nach Sicht des BGH Anspruch auf
Schadensersatz anteilig in Höhe seiner ausstehenden Forderung gem. § 823 I und zusätzlich weiterhin Anspruch auf Zahlung der letzten Kaufpreisrate? Ist er dann nicht in irgendeiner Form bereichert?
cann1311
3.6.2024, 00:06:34
Lilyphant
2.8.2024, 09:23:45
Aber wenn das Auto erst nach vollständiger Vertragsabwicklung zerstört worden wäre, hätte der Vorbehaltskäufer (bzw. dann Eigentümer) 125.000€ Ersatz bekommen. In dem jetzigen Fall bekommt der Vorbehaltskäufer 105.000€ und muss noch die letzten 20.000€ an den Vorbehaltsverkäufer zahlen, der dann noch vom Schädiger 20.000€ Ersatz bekommt, also im Endeffekt 20.000€ mehr hat als er sonst haben würde. Müsste nicht vielmehr der Anspruch auf die letzte Rate nach
§ 326 BGBentfallen?

G0d0fMischief
13.1.2025, 14:15:50
@[cann1311](186690) ich finde das Argument mit dem Verlust des
Sicherungsmittels auch sehr schwierig. Das
Sicherungsmittelhat zum einen keinen fixen Wert, da es ja quasi mit jeder Raten Zahlung schleichend an Wert verliert (und mit dem dolo-agit-Einwand Argument des BGH hat es bei der letzten Rate ja quasi keinen Wert mehr). Weiterhin erscheint es mir unbillig den Verkäufer hier zu bereichern, indem er neben den 20.000€ (vom Schädiger) zusätzlich noch 20.000€ (vom Geschädigten) bekommt. Ich sehe es wie @[Lilyphant](243009) es kann ja nicht sein, dass der bloße Zufall hier darüber entscheidet, ob der (Vorbehalts-)Verkäufer mit Gewinn aus der Sache herausgeht oder nicht. Verständlich fände ich es, wenn man dem Vorbehaltsverkäufer einen Anspruch auf 20.000€ gegen den Schädiger ODER den Vorbehaltskäufer einräumt und abhängig davon, wer den Vorbehaltsverkäufer befriedigt besteht dann entweder eine
Aufrechnungslage(Schädiger hat gezahlt) oder ein Anspruch des Vorbehaltskäufers gegen den Schädiger.

DDoubleYou
11.3.2025, 18:48:49
Hallo zusammen, kann man das Problem über § 285 I BGB lösen? Also Anspruch des A gegen H aus § 285 I BGB. H ist
Schuldner (er ist zur Übertragung des Eigentums aus § 433 I 1 BGB verpflichtet, wenn die Bedingung (letzte Rate) eintritt). H erlangt aus § 823 I BGB Ersatz für sein Eigentum (
Sicherungsmittel) i.H.v. 20.000,– €. Das Eigentum ist durch den Unfall untergegangen, weshalb H nach § 275 I BGB nicht mehr das Eigentum an A übertragen muss (H hat aber noch seinen Gegenleistungsanspruch (§
326 II1 BGB), da der Untergang des Autos in die Sphäre des A fällt, vgl. § 446 S. 1 BGB). Ist nur die Frage, ob H „auf Grund dessen“
Schadensersatz erlangt hat? Wenn ja, dann hätte A gegen H einen Anspruch i.H.v. 20.000,– €. H hat einen Anspruch gegen A aus § 433 II BGB i.H.v. 20.000,– €. Dies besagt auch §
326 III 1 BGB so. Dennoch scheint §
326 III 2 BGB nicht anwendbar zu sein. A könnte dann allerdings seinen Anspruch aus § 285 I BGB im Rahmen des §
389 BGBgegen die Forderung aufrechnen, sodass nach der Quotenregelung des BGH der A die 105.000,– € bekommt und H die 20.000,– € und kein weiterer Anspruch des H gegen A besteht. Dieser ist durch die
Aufrechnunguntergegangen. Passt das so für euch oder habt ihr andere/bessere Lösungen? @[Sebastian Schmitt](263562)
Niro95
17.3.2025, 08:38:56
Ich würde hier ein Statement auch sehr begrüßen. Die Überlegungen scheinen schlüssig

Tim Gottschalk
11.4.2025, 23:48:13
Hallo @[MGtheGun](168489), @[cann1311](186690), @[Lilyphant](243009), @[G0d0fMischief](217996), @[DDoubleYou](155636) und @[Niro95](239383), ich habe kein Urteil des BGH finden können, in dem dieser über die Anrechnung im Innenverhältnis entschieden hätte. In der Tät wäre es aber auch meiner Meinung nach unbillig, wenn der Verkäufer das
Geld, das ihm ja nur zur Sicherheit bis zur vollständigen Zahlung dienen soll, behalten dürfte. Daher ist nach wohl überwiegender Meinung derjenigen, die dem BGH folgen, eine Anrechnung auf den Kaufpreis vorzunehmen. Dogmatisch überzeugt mich die von @[DDoubleYou](155636) vorgenommene Herleitung über
§ 285 BGBdem Grunde nach. Bedenken habe ich aber insofern, als dass der Anspruch nach
§ 285 BGBsowie die zugrundeliegende
Unmöglichkeitgrundsätzlich keine Fälligkeit voraussetzen. Das würde bedeuten, dass der Käufer den Anspruch aus
§ 285 BGBgegen den Verkäufer sofort mit Eintritt der
Beschädigungerlangen würde und der Verkäufer damit wieder de facto ohne
Sicherungsmitteldastehen würde, was ja gerade der Grund ist, warum der BGH ihm überhaupt einen Teil des
Schadensersatzes zuspricht. Insofern wird man im Hinblick darauf wohl eine Modifizierung dahingehend vornehmen müssen, dass entweder eine automatische sofortige Verrechnung der Ansprüche erfolgt oder aber der Anspruch aus
§ 285 BGBerst mit den jeweiligen Raten fällig wird, im Zweifel über § 242 BGB oder
ergänzende Vertragsauslegung. Da stellen sich dann auch wieder verschiedene Anschlussfragen und man kann sich natürlich auch noch die Frage stellen, wie sich die Beurteilung verändert, wenn die Sache an den Käufer nicht zum objektiven Wert, sondern für mehr oder weniger verkauft wurde und damit die jeweiligen Ansprüche sich in ihrer Höhe nicht decken. Insgesamt würde eine vollständige Erörterung hier wohl den Rahmen sprengen und ist eher etwas für eine Dissertation. Für die Klausur wird man das im Zweifel nicht wissen müssen beziehungsweise mit einer gut argumentierten Lösung viele Punkte holen können. Auch in den Lösungsskizzen von Klausuren in juristischen Zeitschriften wird das Problem in der Regel nicht in dieser Tiefe behandelt. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
annsophie.mzkw
20.9.2024, 16:53:32
Sind Vorbehaltskäufer und -verkäufer dann eine Art Gesamtgläubiger?
Leo Lee
28.9.2024, 08:47:39
Hallo as.mzkw, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Diese Frage ist in der Tat umstritten! Allerdings geht die wohl h.M. davon aus, dass in diesem Fall eine GESAMTgläubigerschaft nach analog 432, 1281 vorliegt! Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Heinemeyer § 432 Rn. 7 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Wesensgleiches Minus
18.12.2024, 11:22:04
Ich finde das Ergebnis auch (wie im anderen Forumsbeitrag) unbillig. Klar, der Käufer hat das Risiko de zufälligen Untergangs zu tragen (§ 446 S. 1 BGB). Dennoch hat doch die Raserin Mist gebaut und sollte diejenige sein, die das ganze ausbadet oder nicht? Die Käuferin hat sich nichts zu
schulden kommen lassen. Ich fände es fair, wenn die Raserin hier in dem Fall neben dem Wert des Autos, welchen sie der Käuferin zu ersetzen hat, zusätzlich 20.000 Euro (Höhe der ausstehenden Rate) an den Verkäufer zahlen musste als Ersatz für den Verlust der Sicherheit. Oder dass sie im Falle des Eintritts des Sicherungsfalls für die 20.000 Euro aufkommt. Gibt es nicht so eine Lösung? :D

Wesensgleiches Minus
18.12.2024, 12:15:24
Ergänzung: habe gerade nachgelesen, dass es wohl auch den Ansatz in der Literatur gibt, dass der Vorbehaltskäufer nach dem Grundsatz der Totalreparation den vollen
Schadensersatzanspruch bekommt und dem Vorbehaltsverkäufer dann analog §§ 1273, 1279 BGB ein
Pfandrechtan der Forderung in Höhe der noch nicht gezahlten Kaufpreisraten eingeräumt wird. Hier ist eine Übersicht der Lösungsansätze mit Quellennachweisen: https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/jura.2010.62/pdf
benjaminmeister
26.2.2025, 16:44:06
@[Wesensgleiches Minus](241758) selbst nach der Quotenlösung muss die Raserin nur 125 000 € zahlen. Das entspricht genau dem Wert, den sie durch ihr Verhalten zerstört, hat, warum genau siehst du das als unbillig an?

Tim Gottschalk
12.4.2025, 00:02:31
Hallo @[Wesensgleiches Minus](241758), die von dir angedeutete Lösung, dass die Raserin mehr als 125.000 € zahlen müsste, verstößt gegen den Grundsatz der
Naturalrestitution. Ich kann aber durchaus verstehen, wenn du der Meinung bist, dass die Lösung des BGH nicht die beste Verteilung der Risiken des Kaufvertrags im Innenverhältnis abbildet. Dafür gibt es ja, wie du inzwischen schon selbst herausgefunden und verlinkt hast, eine Vielzahl anderer Meinungen, denen du dich anschließen kannst. Ein Hinweis jedoch noch: Auch bei der Quotenlösung ist nicht ausgeschlossen, dass eine Anrechnung auf den Kaufpreis passiert. Vergleiche hierzu auch meinen Kommentar in dem anderen, von dir erwähnten Thread. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
sparfüchsin
22.3.2025, 09:29:21
Ich hatte gerade den Fall, dass eine EVab vereinbart wurde mit
Übereignungnach § 929 s.1, 931. Die Sache ging auch unter. unter ich habe mich gefragt, wann in dieser Konstellation eine Übergabe iSd § 446 stattfindet.

Tim Gottschalk
11.4.2025, 23:58:02
Hallo @[sparfüchsin](295598), BeckOK BGB/Faust, 73. Ed. 1.2.2025, BGB § 446 Rn. 8 schreibt hierzu folgendes: "Befindet sich die
Wareim Besitz eines Dritten, genügt die
Abtretung des Herausgabeanspruchs, wenn der Verkäufer nur diese
schuldet. Ist dagegen die Einräumung unmittelbaren Besitzes ge
schuldet und dient die
Abtretung des Herausgabeanspruchsnur dazu, dass der Käufer sich diesen verschaffen kann (
Leistung erfüllungshalber), treten die Wirkungen des § 446 erst ein, wenn der Käufer die
Warevon dem Dritten erhalten hat (Soergel/U. Huber, 12. Aufl. 1991, Rn. 17; Staudinger/Beckmann, 2023, Rn. 30)." Zweiteres wird der Regelfall sein, da beim Kaufvertrag der Verkäufer nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich auch zur Übergabe, also dem Verschaffen des unmittelbaren Besitzes, verpflichtet ist. In eine ähnliche Richtung argumentiert auch MüKoBGB/Maultzsch, 9. Aufl. 2024, BGB § 433 Rn. 42, 43, der das Ganze noch etwas weiter vertieft und differenziert. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
okalinkk
22.4.2025, 18:53:14
warum stellt man nicht auf den berechtigten Besitz als sonstiges Recht ab?